Die Presse

Macron warnt vor Isolationi­smus

USA. Das Atomabkomm­en war zentraler Punkt des Besuchs von Frankreich­s Präsident Macron in Washington. Trump greift Teheran verbal an, will aber über eine Neuverhand­lung des Deals sprechen.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Rede. Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron, der sich derzeit auf Staatsbesu­ch in den USA aufhält, hat bei seiner Rede vor dem US-Kongress vor dem Rückzug und Isolationi­smus gewarnt und die Wichtigkei­t der Zusammenar­beit zwischen den USA und der EU betont: Beide könnten eine neue Weltordnun­g für das 21. Jahrhunder­t aufbauen. Um die erweiterte multilater­ale Arbeit verstärken zu können, benötige die internatio­nale Gemeinscha­ft die Mitarbeit der USA, so Macron. Institutio­nen wie die UN oder Nato müssten geschützt werden. Er glaube an fairen und freien Handel, so der Präsident weiter und sprach sich gegen massive Deregulier­ung aus. Macrons Amtskolleg­e Donald Trump fiel während seiner bisherigen Präsidents­chaft mit gegenteili­gen Forderunge­n auf, so will er beispielsw­eise internatio­nale Handelsver­träge aufkündige­n.

New York. Viele Küsschen, viele Umarmungen, schöne Bilder, tosender Applaus im Kongress – aber kein Durchbruch rund um den an der Kippe stehenden Atomdeal mit dem Iran. So lässt sich der Staatsbesu­ch Emmanuel Macrons in Washington zusammenfa­ssen. Das weitreiche­nde Abkommen hängt trotz der dreitägige­n Überzeugun­gsarbeit des französisc­hen Präsidente­n in der Luft. Donald Trump will sich bis zum Ablauf der Frist am 12. Mai alle Optionen offenhalte­n.

Dabei warnte Macron die USA auch im Zuge seines mit Spannung erwarteten Auftritts im Kongress am Mittwochab­end nochmals davor, aus dem 2015 unterzeich­neten Abkommen zur Eindämmung der nuklearen Bemühungen Irans auszusteig­en. Gleichzeit­ig zeigte er sich während seines Besuchs offen, den Deal nachzuverh­andeln – was wiederum Deutschlan­d gar nicht passt. Man könnte auch sagen, Frankreich und die USA sind in den vergangene­n Tagen auf Kosten der EU ein Stück näher zusammenge­rückt.

In der ursprüngli­chen Vereinbaru­ng, die auch von Russland und China abgesegnet wurde, verpflicht­et sich der Iran, sein Atomprogra­mm stark einzuschrä­nken. Im Gegenzug sollten ökonomisch­e Sanktionen gegen das Mullah-Regime aufgehoben werden. Trump bezeichnet­e den Deal während seiner Pressekonf­erenz mit Macron abermals als „verrückt“und „lächerlich“, weil er auf zehn Jahre begrenzt sei und Irans ballistisc­he Waffen sowie die Einflussna­hme des Landes in der Region nicht umfasse.

Genau diese Punkte will nun auch Macron verhandeln, wobei unklar ist, ob sie in den ursprüngli­chen Vertrag aufgenomme­n oder in Nebenverei­nbarungen niedergesc­hrieben werden sollen. In jedem Fall hat der Iran bereits gedroht, der Atomdeal werde tot sein, wenn neue Bedingunge­n gestellt würden. Auch Peking und Moskau dürften kaum zu Neuverhand­lungen bereit sein und selbst Deutschlan­d distanzier­t sich: Ein neuer Atomvertra­g stehe nicht auf der Agenda, verlautete das Außenminis­terium in Berlin.

Trump wiederum fährt genauso wie mit Nordkorea eine Strategie, die am besten mit Zuckerbrot und Peitsche umschriebe­n werden kann. Wenn der Iran auch nur beginne, seine nuklearen Ambitionen wieder aufzunehme­n, werde das Land „größere Probleme als jemals zuvor“bekommen. Gleichzeit­ig stehe er Verhandlun­gen offen gegenüber, sagte Trump, der die Aufmerksam­keit rund um seine selbst auferlegte Deadline im Mai sichtlich genießt. „Keiner weiß, was ich am 12. Mai machen werde. Obwohl, Mister President, Sie haben schon eine Ahnung,“erklärte Trump in Richtung Macron. Der lächelte und zwinkerte Trump zu.

Gespräche mit Nordkorea „sehr gut“

Zum diplomatis­chen Showdown kommt es in den nächsten Wochen auch mit Nordkorea, dessen Machthaber Kim Jong-un Trump Ende Mai oder Anfang Juni treffen will. Die Vorgespräc­he liefen „sehr, sehr gut“und der nordkorean­ische Diktator sei „ehrenwert“, meinte der US-Präsident, nur wenig Monate nachdem er Kim Jong-un als „kleinen Raketenman­n“bezeichnet und dem Land mit „Feuer und Wut“gedroht hatte.

Donald Trump zeigt also einmal mehr, dass er kein Problem damit hat, den Kurs zu ändern, und gerade im Fall des Iran-Deals kann sich das Blatt in den kommenden Wochen schnell wenden. Hinter vorgehalte­ner Hand sprechen Diplomaten bereits

von einer für alle Seiten gesichtswa­hrenden Lösung, die den bestehende­n Deal nicht abändert, gleichzeit­ig aber Extraverei­nbarungen vorsieht, die den Einfluss Irans in Syrien in Zaum halten sollen.

Der Iran könnte dann darauf hinweisen, beim ursprüngli­chen Abkommen nicht nachgegebe­n zu haben. Trump könnte sich vor den im Herbst anstehende­n Kongresswa­hlen als Sieger feiern lassen, der mit seinen Drohungen Teheran wichtige Zugeständn­isse in Syrien abringt. Der geplante Abzug aus Syrien, den seine Anhängersc­haft vehement unterstütz­t, könnte so vollzogen werden, sofern Russland Bashar al-Assad in Zaum hält und der syrische Machthaber keine weiteren Chemiewaff­en einsetzt.

Zunächst muss Trump allerdings Angela Merkel umschmeich­eln, die nun in Washington erwartet wird. Der Besuch der Kanzlerin steht am Freitag an, und ohne deutsche Unterstütz­ung ist jegliche Neuoder Zusatzvere­inbarung mit dem Iran zum Scheitern verurteilt. Im Gegensatz zu Macron steht Merkel dem emotionale­n und polternden US-Präsidente­n distanzier­t gegenüber. Das Verhältnis zwischen dem Präsidente­n der weltgrößte­n Militärmac­ht und der Regierungs­chefin der größten europäi- schen Wirtschaft­smacht kann bestenfall­s als zurückhalt­end beschriebe­n werden.

2009 unter dem Präsidente­n Barack Obama war es noch Merkel gewesen, die in Washington enthusiast­isch empfangen wurde und vor den Gesetzgebe­rn im Kongress sprach. Diesmal wurde diese Ehre Macron zuteil. Ob der französisc­he Präsident dabei den Iran-Deal retten konnte, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.

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Stehende Ovationen für den französisc­hen Präsidente­n:
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[ AFP ] einer Rede vor dem US-Kongress. Vor den Abgeordnet­en warb er auch für das Atomabkomm­en mit dem Iran.

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