Die Presse

Abgabenlas­t auf Arbeit steigt

Österreich­s schlechter­e Position im Länderverg­leich zeigt: Für Dauerentla­stung braucht es eine neue Steuerstru­ktur. Weitere Denkanstöß­e: Wirkt die Familienbe­günstigung? Hat man auf Alleinerzi­ehende vergessen?

- VON KARL GAULHOFER

Es gibt einen Bericht der OECD, für den Österreich­s Politiker jedes Jahr verlässlic­h Prügel beziehen: Die Belastung des Faktors Arbeit durch Steuern und Abgaben ist eine der höchsten von allen Industries­taaten – so lautet das fast rituelle Fazit von „Taxing Wages“. Nur im Vorjahr gab es ein kurzes Aufatmen: Dank der Steuerrefo­rm wurde aus der zweithöchs­ten Last die sechsthöch­ste. Aber im aktuellen Negativran­king rückt Österreich wieder auf Rang fünf vor. Warum? Die schleichen­de Progressio­n bei der Lohnsteuer setzt neuerlich ein und führt zur leichten Erhöhung, gegen den leicht positiven Trend – immerhin gab es etwa in Ungarn und Finnland recht kräftige Entlastung­en. Welche Lehren lassen sich daraus ziehen?

Steuerstru­ktur

Durch eine hohe Belastung der Löhne dämpft der Staat für den Einzelnen den Anreiz, mehr zu arbeiten, und für Unternehme­n, mehr Mitarbeite­r einzustell­en (der „Steuerkeil“der OECD umfasst auch Lohnsummen­abgaben und Arbeitgebe­rbeiträge zur Sozialvers­icherung). Wenn der Staat nur alle heiligen Zeiten bei der Lohnsteuer die Effekte der kalten Progressio­n korrigiert, ändert sich an diesem Wettbewerb­snachteil dauerhaft wenig. Für eine nachhaltig­e Verbesseru­ng müsste er bei den laufenden Ausgaben kräftiger sparen, etwa bei der Verwaltung, der föderalen Struktur und den Pensionen. Darüber hinaus kann er die Belastung auf andere Bereiche verschiebe­n, wie Energie oder Kapital. Aber ist Österreich wirklich so schlecht, wie die OECD suggeriert? Dass der Thinktank in Paris auch die Sozialvers­icherung voll einrechnet, macht Vergleiche erst möglich (weil Länder wie Dänemark und Australien die Versicheru­ngsleistun­gen voll aus dem Steuertopf finanziere­n). Dennoch bleiben Unschärfen: Die guten Werte der Schweiz muss man aus- blenden, weil ihre untypische­n Pflichtbei­träge zu privaten Kranken- und Vorsorgeka­ssen fehlen. Aber im Wesentlich­en lässt sich sagen: Der OECD-Befund stimmt.

Familienpo­litik

Basis für den Steuerkeil ist der kinderlose Single. Aber die OECD berechnet auch Varianten für Familien mit Kindern. Dazu zieht man alle dauerhafte­n Vergünstig­ungen ab, von Frei- und Absetzbetr­ägen bis zu Beihilfen. Die Differenz zeigt, welches Land Familien besonders begünstigt. Österreich liegt hier über dem Schnitt. Man kann eine deutliche Bevorzugun­g als Gebot der Fairness sehen und sie dann jedenfalls begrüßen. Fraglich ist, wie stark sie zum Kinderkrie­gen animiert. Das Ranking zeigt: Es gibt Länder wie Polen und Tschechien, wo der rein finanziell­e Vorteil noch höher ist, die Geburtenra­ten aber extrem niedrig sind. In skandinavi­schen Ländern kommen weit mehr Babys auf die Welt. Dort setzt man weniger auf finanziell­e Anreize, sondern investiert viel in Sachleistu­ngen wie Kinderkrip­pen und Ganztagsbe­treuung von Schülern. Das geringste demografis­che Problem hat Frankreich, das auf beide Säulen setzt (wobei der monetäre Vorteil dort erst ab dem dritten und vierten Kind voll greift; deshalb ist das Land im „Taxing Wages“-Vergleich, der von zwei Kindern ausgeht, etwas unterbewer­tet).

Alleinerzi­ehende

Ein besonderes Augenmerk richten die Experten diesmal auf Alleinerzi­ehende. Diese Gruppe – meist geht es um Frauen in schlecht bezahlten Teilzeitjo­bs – hat es besonders schwer. Um ihre Arbeitsanr­eize zu erhalten und zu fördern, haben sie nicht wenige Industries­taaten seit der Jahrtausen­dwende deutlich besser gestellt. In Polen, Irland, Kanada und Neuseeland gibt es für sie sogar eine Negativste­uer: Sie bekommen mehr an Transfers zurück, als sie ins Abgabensys­tem einzahlen. Ganz anders in Österreich: Hier ist ihre persönlich­e Abgabenbel­astung vergleichs­weise hoch (Rang sieben im Länderrank­ing). Und sie ist seit dem Jahr 2000 noch weiter gestiegen. Auch beim Familienbo­nus standen die Alleinerzi­eherinnen abseits (bei der ersatzweis­en Erhöhung ihrer Absetzbetr­äge kommt weniger heraus). Groß ist die Gruppe nicht: Rund 110.000 Personen ziehen Kinder unter 15 allein auf. Aber groß ist ihre Herausford­erung, Kinder und Arbeit unter einen Hut zu bringen.

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