Abgabenlast auf Arbeit steigt
Österreichs schlechtere Position im Ländervergleich zeigt: Für Dauerentlastung braucht es eine neue Steuerstruktur. Weitere Denkanstöße: Wirkt die Familienbegünstigung? Hat man auf Alleinerziehende vergessen?
Es gibt einen Bericht der OECD, für den Österreichs Politiker jedes Jahr verlässlich Prügel beziehen: Die Belastung des Faktors Arbeit durch Steuern und Abgaben ist eine der höchsten von allen Industriestaaten – so lautet das fast rituelle Fazit von „Taxing Wages“. Nur im Vorjahr gab es ein kurzes Aufatmen: Dank der Steuerreform wurde aus der zweithöchsten Last die sechsthöchste. Aber im aktuellen Negativranking rückt Österreich wieder auf Rang fünf vor. Warum? Die schleichende Progression bei der Lohnsteuer setzt neuerlich ein und führt zur leichten Erhöhung, gegen den leicht positiven Trend – immerhin gab es etwa in Ungarn und Finnland recht kräftige Entlastungen. Welche Lehren lassen sich daraus ziehen?
Steuerstruktur
Durch eine hohe Belastung der Löhne dämpft der Staat für den Einzelnen den Anreiz, mehr zu arbeiten, und für Unternehmen, mehr Mitarbeiter einzustellen (der „Steuerkeil“der OECD umfasst auch Lohnsummenabgaben und Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung). Wenn der Staat nur alle heiligen Zeiten bei der Lohnsteuer die Effekte der kalten Progression korrigiert, ändert sich an diesem Wettbewerbsnachteil dauerhaft wenig. Für eine nachhaltige Verbesserung müsste er bei den laufenden Ausgaben kräftiger sparen, etwa bei der Verwaltung, der föderalen Struktur und den Pensionen. Darüber hinaus kann er die Belastung auf andere Bereiche verschieben, wie Energie oder Kapital. Aber ist Österreich wirklich so schlecht, wie die OECD suggeriert? Dass der Thinktank in Paris auch die Sozialversicherung voll einrechnet, macht Vergleiche erst möglich (weil Länder wie Dänemark und Australien die Versicherungsleistungen voll aus dem Steuertopf finanzieren). Dennoch bleiben Unschärfen: Die guten Werte der Schweiz muss man aus- blenden, weil ihre untypischen Pflichtbeiträge zu privaten Kranken- und Vorsorgekassen fehlen. Aber im Wesentlichen lässt sich sagen: Der OECD-Befund stimmt.
Familienpolitik
Basis für den Steuerkeil ist der kinderlose Single. Aber die OECD berechnet auch Varianten für Familien mit Kindern. Dazu zieht man alle dauerhaften Vergünstigungen ab, von Frei- und Absetzbeträgen bis zu Beihilfen. Die Differenz zeigt, welches Land Familien besonders begünstigt. Österreich liegt hier über dem Schnitt. Man kann eine deutliche Bevorzugung als Gebot der Fairness sehen und sie dann jedenfalls begrüßen. Fraglich ist, wie stark sie zum Kinderkriegen animiert. Das Ranking zeigt: Es gibt Länder wie Polen und Tschechien, wo der rein finanzielle Vorteil noch höher ist, die Geburtenraten aber extrem niedrig sind. In skandinavischen Ländern kommen weit mehr Babys auf die Welt. Dort setzt man weniger auf finanzielle Anreize, sondern investiert viel in Sachleistungen wie Kinderkrippen und Ganztagsbetreuung von Schülern. Das geringste demografische Problem hat Frankreich, das auf beide Säulen setzt (wobei der monetäre Vorteil dort erst ab dem dritten und vierten Kind voll greift; deshalb ist das Land im „Taxing Wages“-Vergleich, der von zwei Kindern ausgeht, etwas unterbewertet).
Alleinerziehende
Ein besonderes Augenmerk richten die Experten diesmal auf Alleinerziehende. Diese Gruppe – meist geht es um Frauen in schlecht bezahlten Teilzeitjobs – hat es besonders schwer. Um ihre Arbeitsanreize zu erhalten und zu fördern, haben sie nicht wenige Industriestaaten seit der Jahrtausendwende deutlich besser gestellt. In Polen, Irland, Kanada und Neuseeland gibt es für sie sogar eine Negativsteuer: Sie bekommen mehr an Transfers zurück, als sie ins Abgabensystem einzahlen. Ganz anders in Österreich: Hier ist ihre persönliche Abgabenbelastung vergleichsweise hoch (Rang sieben im Länderranking). Und sie ist seit dem Jahr 2000 noch weiter gestiegen. Auch beim Familienbonus standen die Alleinerzieherinnen abseits (bei der ersatzweisen Erhöhung ihrer Absetzbeträge kommt weniger heraus). Groß ist die Gruppe nicht: Rund 110.000 Personen ziehen Kinder unter 15 allein auf. Aber groß ist ihre Herausforderung, Kinder und Arbeit unter einen Hut zu bringen.