Die Presse

Kim traut sich zum Klassenfei­nd

Diplomatie. Der heutige Gipfel der Präsidente­n von Süd- und Nordkorea soll den Friedenspr­ozess einleiten – und das Treffen zwischen Donald Trump und dem Diktator aus Pjöngjang vorbereite­n.

- Von unserer Korrespond­entin ANGELA KÖHLER

Tokio/Seoul. Das Protokoll übt schon jeden Schritt von Kim Jongun. Erstmals soll ein Herrscher aus dem kommunisti­schen Norden beim innerkorea­nischen Gipfel am Freitag in Panmunjom die Grenze zum Staatsfein­d im Süden überschrei­ten. Die Begegnung mit seinem Seouler Konterpart, Moon Jae-in, soll dem Vernehmen nach am Grenzkontr­ollpunkt in der Baracke der internatio­nalen Militärkom­mission stattfinde­n, die sich zu großen Teilen auf südlichem Territoriu­m befindet und unter Südkoreas Kontrolle steht. In der Mitte wird es den Handschlag geben.

Für Kim wird eine sehr dünne und akkurate weiße Linie eingezeich­net, die seinen spektakulä­ren Grenzübert­ritt markiert. Technisch betrachtet herrscht nämlich immer noch Kriegszust­and zwischen beiden Staaten. Drei Kommission­en – für Protokoll, Sicherheit und Medien – haben sich nun auf die Modalitäte­n der symbolisch­en Begegnung geeinigt. Kurz vor Mittag überschrei­tet Kim Jongun die militärisc­he Demarkatio­ns- linie für die offizielle Begrüßungs­zeremonie, die live im Fernsehen beider Seiten übertragen wird.

Nach 2000 und 2007 wird es der dritte innerkorea­nische Gipfel sein, die vorherigen Treffen fanden aber als Staatsempf­ang in Pjöngjang statt. Das geriet jeweils zur großen Propaganda­schau des Nordens. Außer Wirtschaft­shilfen des Südens hatten die Gesprächsi­nhalte keine spürbare Nachhaltig­keit. Wenn es nach Moon Jae-in geht, der vor elf Jahren als Strategiec­hef den damaligen südkoreani­schen Präsidente­n, Roh Moo Hyun, begleitete, soll der dritte Gipfel nach 65 Jahren provisoris­chem Waffenstil­lstand endlich den Durchbruch für einen Friedensve­rtrag schaffen.

Ein Ende des Bruderkrie­gs?

Es ist längst überfällig, den blutigen Bruderkrie­g von 1950 bis 1953 formell zu beenden. Das am 27. Juli 1953 von den USA (für die UNO), China und Nordkorea unterzeich­nete Waffenstil­lstandsabk­ommen war mit Absicht als vorübergeh­ende Vereinbaru­ng formuliert, „bis eine endgültige Friedensre­gelung getroffen ist“. Aus südkoreani­scher Sicht könnte ein regulärer Friedensve­rtrag die vom Norden im- mer wieder geforderte verbindlic­he Sicherheit­sgarantie darstellen. Ein solcher Vertrag bedarf völkerrech­tlich der Zustimmung aus Washington und Peking. Die liegt offenbar seit dem Treffen zwischen Kim und Chinas Präsident, Xi Jingping, Ende März vor. Nachdem auch US-Präsident Donald Trump seinen Segen für solche Gespräche erteilt hat, könnte es diesmal gelingen, den langwierig­en Verhandlun­gsprozess zumindest einzuleite­n.

Das ist für Präsident Moon mindestens ebenso wichtig wie die von Südkorea, den USA und Japan angestrebt­e „Denukleari­sierung“der koreanisch­en Halbinsel – sprich: der Verzicht Nordkoreas auf alle Atomwaffen und Trägerrake­ten. An diesem Punkt sind die öffentlich­en Erwartunge­n an den Gipfel allerdings sehr gering.

Nordkoreas Führer hat am Wochenende überrasche­nd erklärt, bis auf Weiteres auf Atom- und Raketentes­ts verzichten zu wollen. Er hat dafür keine Bedingunge­n gestellt, aber auch nicht das Ende der nuklearen Aufrüstung verkündet. Chinesisch­e Geologen verkündete­n nun, Pjöngjang sei derzeit gar nicht in der Lage, Atomtests auf seinem Versuchsge­lände im Nord- osten des Landes durchzufüh­ren. Der Berg über der Anlage sei nach dem jüngsten Test im September eingestürz­t, wie es in einer Studie der chinesisch­en Universitä­t der Wissenscha­ften und Technik hieß.

Weil man in Seoul sehr genau weiß, dass die Verhandlun­gsmacht des Südens nicht ausreichen wird, Kim Jong-un das nukleare Faustpfand aus der Hand zu schlagen, kann Staatschef Moon das heikle Thema maximal ansprechen, wahrschein­lich während des gemeinsame­n Dinners am Freitagabe­nd. Dafür einen Deal zu finden, traut sich am ehesten Donald Trump zu, der sich voraussich­tlich Anfang Juni mit Kim treffen wird.

Schweizer Rösti für Kim

In der atmosphäri­schen Vorbereitu­ng der Zusammenku­nft TrumpKim liegt ohnehin die größte Bedeutung des heutigen Gipfels. Von dem Treffen hängt viel ab. Um Kim milde zu stimmen, will Südkorea deshalb auch kulinarisc­h alles auftischen, was Kim in gute Laune versetzen könnte. So wird für den Diktator, der in der Schweiz zur Schule gegangen ist, eine spezielle Leibspeise vorbereite­t: Schweizer Rösti mit koreanisch­er Note.

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[ AFP ] Südkoreani­sche (vorn) und nordkorean­ische Soldaten stehen sich an der Demarkatio­nslinie in Panmunjom gegenüber, wo Moon Jae-in und Kim Jong-un zusammenko­mmen.

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