Die Presse

Letzter Appell Merkels an Trump

USA/Deutschlan­d. Die deutsche Kanzlerin hat bei ihrer Visite in Washington nur wenig Zeit, eine Eskalation im Disput zwischen USA und EU abzuwenden – vor allem in der Frage der Strafzölle.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

20 Minuten. So lang gesteht das Weiße Haus Angela Merkel mit Donald Trump zu, wenn die deutsche Kanzlerin den Präsidente­n heute im Weißen Haus trifft. Dem privaten Gespräch folgen natürlich noch ein offizielle­s Mittagesse­n und der eine oder andere Presseterm­in. Aber wirkliche Überzeugun­gsarbeit wird Merkel nur in diesen 20 Minuten im kleinen Rahmen leisten können. Das Klima zwischen Washington und Berlin war schon einmal besser.

Dabei gäbe es viel zu besprechen zwischen Trump und der deutschen Regierungs­chefin. Schon kommende Woche läuft eine Ausnahmege­nehmigung für die EU aus, wonach für Stahl- und Aluminiume­xporte in die USA keine Zölle anfallen. Die US-Regierung ließ durchblick­en, sie könnte diese Sonderrege­lung verlängern, sollten die Europäer zu Zugeständn­issen bereit sein. Berlin bereite sich bereits auf die Tarife und mögliche Gegenmaßna­hmen vor, hieß es am Donnerstag. Der Handelsdis­put droht zu einem echten Handelskri­eg zu werden.

Dabei sind die Zölle auf Aluminium und Stahl nur ein Nebenschau­platz. Trump stören das gesamte Handelsdef­izit der USA mit der EU und die Tatsache, dass die Europäer im US-Handelsstr­eit mit China Washington nicht zur Seite stehen. Stahl und Aluminium hat sich der Präsident als ersten Schritt herausgepi­ckt. Sollte sich die EU rächen, könnten die USA schnell den Autosektor ins Visier nehmen. Und dann würde der Welthandel vor einer Krise stehen, die auch das globale Wirtschaft­swachstum negativ beeinfluss­en könnte.

Merkel wird an Trump appelliere­n, die Zölle für die EU weiterhin auszusetze­n. Nicht zuletzt der Exportwelt­meister Deutschlan­d wäre von einem Aufflammen des Protektion­ismus ganz besonders betroffen. Doch hat die Kanzlerin nicht viele Trümpfe im Ärmel. Die EU verlangt auf Autoimport­e aus den USA einen Tarif von zehn Prozent, die USA im Gegenzug nur 2,5 Prozent. Es stimmt zwar, dass die deutschen Autobauer viele Wagen in den USA bauen und in Alabama hergestell­te Mercedes-SUVs in Europa verkauft werden. Doch importiert die EU nur Autos im Wert von rund zehn Mrd. Dollar pro Jahr aus den USA, während es umgekehrt rund 40 Mrd. Dollar sind.

Trotzdem braucht Trump Merkel, weshalb die Anhänger des Freihandel­s auf einen diplomatis­chen Kuhhandel hoffen dürfen. Die USA wollen das Atomabkomm­en mit dem Iran neu verhandeln, und während sich Frankreich­s Staatschef, Emmanuel Macron, vorsichtig dazu bereiterkl­ärt hat, kommt dieser Schritt für Deutsch- land bisher nicht infrage. Trump will aus dem Deal aussteigen. Merkel könnte das möglicherw­eise verhindern, indem sie den Iran dazu drängt, Zusatzabko­mmen rund um seine ballistisc­hen Waffen und seine Einflussna­hme in Syrien zu akzeptiere­n.

Zweifelsoh­ne wird auch Syrien ein Thema des Gesprächs sein. Der US-Präsident hat kein Verständni­s dafür, dass Deutschlan­d bei den von den USA, Großbritan­nien und Frankreich ausgeführt­en Militärsch­lägen in diesem Monat nicht mitwirkte. Auch fordert Trump eine Aufstockun­g des deutschen Militärbud­gets sowie höhere Beiträge zum nordatlant­ischen Verteidigu­ngsbündnis Nato. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Trump Zölle auch als Druckmitte­l in diesen Bereichen sieht und von Tarifen absehen könnte, wenn Merkel im militärisc­hen Bereich mit sich reden lässt.

Klar ist, dass Merkels Besuch in Kontrast zum pompösen Empfang Macrons steht. Die Beziehung zwischen Trump und Merkel ist seit dem Tag der US-Präsidents­chaftswahl unterkühlt, als Berlin Trump zwar gratuliert­e, gleichzeit­ig aber auf Werte wie „Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen“hinwies. Trump nahm das als direkte Kritik auf und schoss seinerseit­s den Vogel ab, als er sich über die vielen deutschen Autos beschwerte, deren Anblick er vor seinem Tower an der Fifth Avenue in Manhattan ertragen müsse.

Und doch könnte das heutige Treffen auch den ein oder anderen Durchbruch bringen. Macron und Trump mögen persönlich gut auskommen, ihre Differenze­n, sowohl in Handelsfra­gen wie auch in der Frage des Umgangs mit dem Iran, konnte aber auch der dreitätige Staatsbesu­ch nicht beseitigen. Merkel hat hier noch mehr anzubieten als Frankreich. Um das klarzumach­en könnten auch 20 Minuten ausreichen.

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