Letzter Appell Merkels an Trump
USA/Deutschland. Die deutsche Kanzlerin hat bei ihrer Visite in Washington nur wenig Zeit, eine Eskalation im Disput zwischen USA und EU abzuwenden – vor allem in der Frage der Strafzölle.
20 Minuten. So lang gesteht das Weiße Haus Angela Merkel mit Donald Trump zu, wenn die deutsche Kanzlerin den Präsidenten heute im Weißen Haus trifft. Dem privaten Gespräch folgen natürlich noch ein offizielles Mittagessen und der eine oder andere Pressetermin. Aber wirkliche Überzeugungsarbeit wird Merkel nur in diesen 20 Minuten im kleinen Rahmen leisten können. Das Klima zwischen Washington und Berlin war schon einmal besser.
Dabei gäbe es viel zu besprechen zwischen Trump und der deutschen Regierungschefin. Schon kommende Woche läuft eine Ausnahmegenehmigung für die EU aus, wonach für Stahl- und Aluminiumexporte in die USA keine Zölle anfallen. Die US-Regierung ließ durchblicken, sie könnte diese Sonderregelung verlängern, sollten die Europäer zu Zugeständnissen bereit sein. Berlin bereite sich bereits auf die Tarife und mögliche Gegenmaßnahmen vor, hieß es am Donnerstag. Der Handelsdisput droht zu einem echten Handelskrieg zu werden.
Dabei sind die Zölle auf Aluminium und Stahl nur ein Nebenschauplatz. Trump stören das gesamte Handelsdefizit der USA mit der EU und die Tatsache, dass die Europäer im US-Handelsstreit mit China Washington nicht zur Seite stehen. Stahl und Aluminium hat sich der Präsident als ersten Schritt herausgepickt. Sollte sich die EU rächen, könnten die USA schnell den Autosektor ins Visier nehmen. Und dann würde der Welthandel vor einer Krise stehen, die auch das globale Wirtschaftswachstum negativ beeinflussen könnte.
Merkel wird an Trump appellieren, die Zölle für die EU weiterhin auszusetzen. Nicht zuletzt der Exportweltmeister Deutschland wäre von einem Aufflammen des Protektionismus ganz besonders betroffen. Doch hat die Kanzlerin nicht viele Trümpfe im Ärmel. Die EU verlangt auf Autoimporte aus den USA einen Tarif von zehn Prozent, die USA im Gegenzug nur 2,5 Prozent. Es stimmt zwar, dass die deutschen Autobauer viele Wagen in den USA bauen und in Alabama hergestellte Mercedes-SUVs in Europa verkauft werden. Doch importiert die EU nur Autos im Wert von rund zehn Mrd. Dollar pro Jahr aus den USA, während es umgekehrt rund 40 Mrd. Dollar sind.
Trotzdem braucht Trump Merkel, weshalb die Anhänger des Freihandels auf einen diplomatischen Kuhhandel hoffen dürfen. Die USA wollen das Atomabkommen mit dem Iran neu verhandeln, und während sich Frankreichs Staatschef, Emmanuel Macron, vorsichtig dazu bereiterklärt hat, kommt dieser Schritt für Deutsch- land bisher nicht infrage. Trump will aus dem Deal aussteigen. Merkel könnte das möglicherweise verhindern, indem sie den Iran dazu drängt, Zusatzabkommen rund um seine ballistischen Waffen und seine Einflussnahme in Syrien zu akzeptieren.
Zweifelsohne wird auch Syrien ein Thema des Gesprächs sein. Der US-Präsident hat kein Verständnis dafür, dass Deutschland bei den von den USA, Großbritannien und Frankreich ausgeführten Militärschlägen in diesem Monat nicht mitwirkte. Auch fordert Trump eine Aufstockung des deutschen Militärbudgets sowie höhere Beiträge zum nordatlantischen Verteidigungsbündnis Nato. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Trump Zölle auch als Druckmittel in diesen Bereichen sieht und von Tarifen absehen könnte, wenn Merkel im militärischen Bereich mit sich reden lässt.
Klar ist, dass Merkels Besuch in Kontrast zum pompösen Empfang Macrons steht. Die Beziehung zwischen Trump und Merkel ist seit dem Tag der US-Präsidentschaftswahl unterkühlt, als Berlin Trump zwar gratulierte, gleichzeitig aber auf Werte wie „Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen“hinwies. Trump nahm das als direkte Kritik auf und schoss seinerseits den Vogel ab, als er sich über die vielen deutschen Autos beschwerte, deren Anblick er vor seinem Tower an der Fifth Avenue in Manhattan ertragen müsse.
Und doch könnte das heutige Treffen auch den ein oder anderen Durchbruch bringen. Macron und Trump mögen persönlich gut auskommen, ihre Differenzen, sowohl in Handelsfragen wie auch in der Frage des Umgangs mit dem Iran, konnte aber auch der dreitätige Staatsbesuch nicht beseitigen. Merkel hat hier noch mehr anzubieten als Frankreich. Um das klarzumachen könnten auch 20 Minuten ausreichen.