Ungarn: „Ansammlung von Lügen“
Wertekonflikt. Außenminister Szijj´arto´ weist Vorwürfe der EU-Abgeordneten gegen seine Regierung zurück. Seine Aussprache in Brüssel wurde ein harter Schlagabtausch.
Ungarns Außenminister, Peter´ Szijjart´o,´ hat Vorwürfe in einem Berichtsentwurf des Europaparlaments zurückgewiesen, wonach in seinem Land Demokratie und Rechtsstaat in ernster Gefahr seien. Szijjart´o´ bezeichnete das Papier am Donnerstag bei einer Aussprache mit EU-Abgeordneten in Brüssel als „Ansammlung von Lügen“. So sei es „eine Lüge“, dass es in Ungarn keine Medienfreiheit gebe. Internetportale seien klar kritisch gegenüber der Regierung eingestellt, so der Minister.
Der EU-Bericht behaupte auch, dass Nichtregierungsorganisationen (NGO) in Ungarn unterdrückt würden. Zwar gebe es einige Klagen von NGO, aber nur von solchen, die zu „offenen politischen Akteuren“geworden seien. Szijjar-´ to´ wies auch Vorwürfe des Antisemitismus in seiner Regierung zurück. In Budapest gebe es die größte jüdische Gemeinde in Europa, ungarische Finanzmittel würden genutzt, um Synagogen zu renovieren. Im ungarischen Strafrecht sei die Holocaust-Leugnung strafbar.
Szijjart´o´ warf den Europaabgeordneten vor, „voreingenommen“zu sein. Sie würden Ungarn nur wegen seiner Migrationspolitik kritisieren. „Ich habe schlechte Nachrichten für Sie“, sagte der Außenminister. Ungarn werde den „Soros-Plan“nicht umsetzen und lehne auch verbindliche Flüchtlingsquoten und eine multikulturelle Gesellschaft ab.
ÖVP-Europaabgeordneter Heinz Becker wies die Äußerungen von Szijjart´o´ zum angeblich nicht vorhandenen Antisemitismus zurück. Er zitierte eine Rede von Ungarns Regierungschef, Viktor Orban,´ vom März dieses Jahres, in der er über den jüdischen Investor George Soros sagte: „Wir kämpfen gegen einen Feind, der anders ist als wir. Nicht offen, aber versteckt, nicht geradlinig, aber schlau, nicht ehrenhaft, aber unehrenhaft, nicht national, sondern international, der nicht an Arbeit glaubt, sondern mit Geld spekuliert, der kein eigenes Heimatland hat, aber so tut, als ob er die ganze Welt besitzt.“Becker erinnerte an die Antisemitismus-Definition, die vom Europaparlament mit Dreiviertelmehrheit beschlossen worden war. Würde diese angewandt, „müsste man dagegen (Orbans´ Äußerungen; Anm.) strafrechtlich vorgehen“.
Ein Berichtsentwurf des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europaparlaments hat sich für ein Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn ausgesprochen. Dem müssen allerdings noch eine Mehrheit des Ausschusses sowie das Plenum zustimmen. Für Ungarn würde dies nicht nur die Gefahr eines Stimmrechtsentzugs im Rat der EU bedeuten, sondern auch ein erhebliches Imageproblem.
Laut dem Berichtsentwurf hat die Regierung in Budapest bereits die Befugnisse des Verfassungsgerichts und die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Die Abgeordneten bezogen sich auch auf einen Bericht des Europarats, der die akademische Freiheit negativ betroffen sieht. (APA/wb)