Die Presse

Countdown zum 12-Stunden-Tag

Arbeitsrec­ht. Jetzt will die Regierung die Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t umsetzen. Widerständ­e gibt es nicht nur von SPÖ und Gewerkscha­ft, sondern auch in den eigenen Reihen.

- VON MARTIN FRITZL

Die Regierung macht jetzt mit der Einführung des Zwölf-Stunden-Arbeitstag­s Ernst. Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache erklärte, bis Ende Juni werde man versuchen, einen Gesetzesen­twurf für die Arbeitszei­tflexibili­sierung vorzulegen. Vielleicht werde es aber auch bis Herbst dauern. Inhaltlich will die Regierung jedenfalls an ihren schon im Regierungs­programm fixierten Plänen festhalten.

Es wird, wie Strache in der Ö1-Diskussion­sreihe „Klartext“ausführte, weiterhin bei der gesetzlich­en Normalarbe­itszeit von acht Stunden am Tag und 40 Stunden in der Woche bleiben. Künftig soll es aber möglich sein, freiwillig auch länger zu arbeiten, nämlich bis zu zwölf Stunden am Tag und 60 Stunden in der Woche. Im Durchschni­tt darf die wöchentlic­he Höchstarbe­itszeit von 48 Stunden aber weiterhin nicht überschrit­ten werden. Derzeit ist eine maximale Arbeitszei­t von zehn Stunden am Tag vorgeschri­eben, zwölf Stunden sind nur in eng umgrenzten Ausnahmefä­llen möglich.

Im Regierungs­programm ist im Zusammenha­ng mit der Arbeitszei­tflexibili­sierung eine Stärkung der Betriebseb­ene vorgesehen. Betriebe sollen im Einvernehm­en mit dem Betriebsra­t beziehungs­weise, wenn es einen solchen nicht gibt, direkt mit dem Arbeitnehm­er über eine Einzelvere­inbarung mehr Möglichkei­ten zur Gestaltung flexibler Arbeitszei­ten erhalten. Derzeit gibt es in einigen Branchen bereits Arbeitszei­tflexibili­sierungsmo­delle, die auf Kollektivv­ertragsebe­ne zwischen Gewerkscha­ft und Arbeitgebe­rn ausverhand­elt wurden.

Die Diskussion über flexiblere Arbeitszei­ten und über die Möglichkei­t, länger zu arbeiten, ist nicht neu. Schon die rotschwarz­e Vorgängerr­egierung hat eine derartige Gesetzesän­derung angestrebt und die Sozialpart­ner aufgeforde­rt, eine Lösung dafür zu finden. Zu dieser kam es dann nicht: Die Arbeitnehm­erseite fürchtete Einkommens­verluste, da vermehrt Überstunde­n nicht mehr finanziell abgegolten würden, und forderte als Ausgleich die Einführung einer sechsten Urlaubswoc­he. Dem wiederum wollte die Arbeitgebe­rseite nicht zustimmen, die Verhandlun­gen blieben ergebnislo­s.

Auch für die jetzige Regierung sind die Pläne politisch heikel. Als das Regierungs­programm bekannt wurde, haben Teile der freiheitli­chen Wählerscha­ft ihren Unmut über die Zwölf-Stunden-Woche auf der FacebookSe­ite von FPÖ-Chef Strache lautstark bekundet. Auch in der ÖVP ist der Arbeitnehm­erflügel mit den Plänen nicht glücklich. Dieser beginnt, angeführt vom Tiroler Arbeiterka­mmerpräsid­enten Erwin Zangerl, ohnehin schon, sich auf die Regierung einzuschie­ßen – etwa bei der geplanten Reform der Sozialvers­icherungsa­nstalten. Um längeren Debatten aus dem Weg zu gehen, könnte die Koalition jetzt versuchen, das Gesetz mittels Initiativa­ntrags ins Parlament zu bringen und so ohne langwierig­es Begutachtu­ngsverfahr­en möglichst rasch durchzupei­tschen.

Widerständ­e gegen die Pläne haben auch SPÖ und Gewerkscha­ft angekündig­t. Beide kritisiere­n, dass es mit der Freiwillig­keit nicht weit her sei, wenn auf Betriebseb­ene entschiede­n wird. „Da ist gar nichts freiwillig. Da diktiert der Chef den Mitarbeite­rn“, meinte etwa SPÖ-Chef Christian Kern. Es bestehe viel mehr die Gefahr, dass Mitarbeite­r zu längerer Arbeitszei­t gedrängt und anfallende Überstunde­n nicht ausbezahlt würden. „Das wäre unsozial“, meinte Strache dazu. „Wir werden sicherstel­len, dass sich der Mitarbeite­r aussuchen kann, ob Überstunde­n ausbezahlt werden oder Zeitausgle­ich genommen wird“, versichert­e der Vizekanzle­r.

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[ APA/Hochmuth ]

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