Mit „Freundschaft“gegen die Regierung
Arbeiterkammer. Renate Anderl folgt Rudolf Kaske an der Spitze der Arbeiterkammer. Beide beschwören ihre Funktionäre: Geeint überstehe man den türkis-blauen Angriff.
Rudolf Kaske ist dann doch etwas gerührt, als sich die Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer geschlossen erhebt und ihm nach seiner Abschiedsrede einminütigen Applaus spendet.
Kaske hat schon vor der Angelobung der türkis-blauen Regierung betont, „aus privaten Gründen“nach fünf Jahren an der Spitze der Arbeiterkammer (AK) in Pension zu gehen. Da konnte er nicht wissen, dass die türkis-blaue Koalition ihre Reformforderungen an die Sozialpartner kurz vor seinem Abtritt deutlich erhöhen würde. Er gehe in einer „Zeit des Umbruchs“, ja „des Umbaus der Republik“, sagte Kaske am Donnerstag mit einem Seitenblick auf die jüngsten Sparund Umbaupläne rund um Sozialversicherungen und AMS. Auch seine Kammer sei mit „unzähligen Angriffen“konfrontiert.
Kaskes ebenfalls scheidende Wiener Vizepräsidentin, Dwora Stein, fand deutlichere Worte: „Wir stehen jenen im Weg, denen es nicht um ein gutes Leben für möglichst viele geht, sondern um die Interessen einiger weniger.“Für sie sei die AK ein Hindernis, das es zu schwächen gilt. „Aber ich bin überzeugt, dass das nicht gelingt.“
Die Frau, die den an diesem Tag oft beschworenen Angriff abwehren soll, heißt Renate Anderl. Sie hört von der ersten Reihe aus zu, als Kaske sich und die versammelte Mannschaft beruhigt, dass eine „starke Frau“das Kommando übernehmen wird. Später an diesem Tag wird sie mit 92,3 Prozent der Stimmen an die Spitze der Wiener Arbeiterkammer gewählt werden. Natürlich ist die bisherige ÖGB-Vizepräsidentin, die in der Partei dem linken Flügel zugerechnet wird, somit auch die neue Chefin der österreichischen Arbeiterkammer. Heute, Freitag, wird die Wahl auf Bundesebene wiederholt – selber Raum, selbe Zeit.
Schon davor vererbte ihr Kaske – und der ebenfalls scheidende ÖGB-Chef Erich Foglar – eine „Dialogoffensive“. Diese im März gestartete Befragung der 3,7 Millionen zahlenden AK-Mitglieder ist die Antwort auf das Ultimatum der Regierung: Dort hat sich die FPÖ mit der Abschaffung der Kammerzwangsmitgliedschaft zwar nicht durchgesetzt. Dafür werde man aber nachhelfen, sollten die Kammern bis Ende Juni keine Entlastungen für ihre Mitglieder vorlegen. So steht es – diplomatischer formuliert – im Koalitionspapier. „Wir sind nur den Mitgliedern ver- pflichtet – und sonst niemandem“, wiederholt Kaske am Donnerstag. Und an seine Nachfolgerin gewandt: „Ich gehe davon aus, liebe Renate, dass das in einem großen Aktionsprogramm mündet.“
Als Anderl schließlich am Wort ist, schwört sie die Funktionäre ein: „Es ist wichtig, dass wir geschlossen und gemeinsam für eine starke Arbeiterkammer kämpfen.“Mittlerweile ist auch Sozialministerin Beate Hartinger-Klein ( FPÖ) erschienen. Sie wird „im Parlament der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen“begrüßt. Leichte Unruhe macht sich breit. Anderl spricht auch die Ministerin an, als sie neben Forderungen nach kürzeren Arbeitszeiten, fairen Einkommen und einer Mietrechtsreform für die „Dialogoffensive“wirbt.
Die scharfen Töne überlässt sie an diesem Tag den scheidenden Präsidenten Kaske und Foglar. Beide wurden in ihrer Funktionszeit eher dem pragmatischen Verhandlerlager zugerechnet. Davon spürt man hier wenig: Auch diese Regierungsperiode geht vorbei, und dann sind wir wieder da!“, rief Foglar in den Saal. „Nach der Wahl ist vor der Wahl“, sagte der NochAK-Chef. Das solle die Regierung beherzigen, bevor sie die Vertretung ihrer größten Wählergruppe – der Arbeitnehmer – schwäche.
Es endete staatsmännisch: „Es lebe die Republik Österreich“, sagte Kaske. „Freundschaft“, schallte es zurück. Diese werden die Sozialpartner brauchen. (loan)