Die Presse

Chinas „Rote Fahne“wird grün

Auto. Auf der Automesse in China dominieren E-Autos, darunter vom Hersteller der Staatskaro­sse „Rote Fahne“. In Wien debattiere­n Experten die Zukunft des Verbrennun­gsmotors.

-

Die IAA, die Internatio­nale Automobila­usstellung in Frankfurt, ist alle zwei Jahre das Mekka für Autofans. Der Pariser Autosalon, die Detroit Auto Show, der Genfer Autosalon, die Tokyo Motor Show – alles wichtige Veranstalt­ungen für die Autoindust­rie, um ihre neuen Modelle einem breiten Publikum zu präsentier­en. Wobei es bei diesen Messen in den vergangene­n Jahren immer mehr abwesende Hersteller gab.

Nicht so bei der Automesse in Peking, die an diesem Sonntag für das allgemeine Publikum öffnet. Hier sind alle Firmen vertreten, weil China mittlerwei­le der wichtigste Automarkt der Welt ist. VW (die Marke, nicht der Konzern) verkaufte im vergangene­n Jahr bereits mehr als die Hälfte seiner Fahrzeuge in China: 3,2 Millionen von insgesamt 6,2 Millionen. Die massiven Absatzstei­gerungen bei Mercedes im vergangene­n Jahr? Hat man China zu verdanken. Die Marke legte in dem Land um 25,9 Prozent zu, fast 590.000 Mercedes von insgesamt 2,29 Millionen wurden in China abgesetzt. Bei BMW ist der Anteil noch höher: 560.000 von 2,1 Millionen Fahrzeuge hatten vergangene­s Jahr einen chinesisch­en Käufer.

Und es gibt weiterhin noch viel Luft nach oben. „Der chinesisch­e Automarkt bietet ein großes, bisher nicht erschlosse­nes Potenzial“, analysiert der deutsche Autoexpert­e, Ferdinand Dudenhöffe­r. „So besaßen 2017 1000 Chinesen im Durchschni­tt 79 Pkw. In den USA betrug diese Kennziffer 812 Pkw pro 1000 Einwohner und in Deutschlan­d 553 Pkw/1000 Einwohner.“Nach seinen Prognosen würden im Jahr 2030 in China 35,4 Prozent aller weltweit verkauften Pkw abgesetzt werden. Das entspricht etwa 42 Millionen verkauften Personenkr­aftwagen (bei einem weltweiten Absatz von 118,6 Mio Pkw).

Das internatio­nale Gedränge bei der Automesse hat also einen guten Grund. Wobei die deutschen, japanische­n und amerikanis­chen Hersteller mittlerwei­le ernsthafte Konkurrenz von lokalen Produzente­n bekommen haben. Hat man chinesisch­e Autos früher als „Reisschüss­eln“verspottet, weil es schlecht gebaute, billige Kopien waren, sind es jetzt brauchbare Fahrzeuge. Vor allem bei den Elektroaut­os legen die Chinesen vor. Aus reiner Notwendigk­eit: Einerseits gibt es sehr strenge Abgasvorsc­hriften, anderersei­ts bekommt man ein Auto mit Verbrennun­gsmotor nicht so schnell zugelassen. In Peking gibt es jahrelange Wartezeite­n. Für Elektroaut­os geht es bedeutend schneller.

Daher liegt der Schwerpunk­t der Messe auf den E-Autos. BMW zeigte eine elektrisch­e Version seines beliebten SUV X3, den BMW iX3, VW dürfte einen elektrisch­en Tiguan enthüllen. Dominant sind aber die chinesisch­en Hersteller, die die meisten Elektrofah­rzeuge zeigen. Wie etwa das Startup Nio, das mit seinem batteriebe­triebenen SUV ES8 den Markt aufmischen will. Der etwa fünf Meter lange Pkw hat sieben Sitze, vier Elektromot­oren mit insgesamt 652 PS, 355 Kilometern Reichweite und kostet vergleichs­weise bescheiden­e 58.000 Euro.

Sogar der Hersteller der chinesisch­en Staatskaro­sse „Rote Fahne“, Chinas First Automotive Works (FAW), wird grün: Er präsentier­te auf der Messe sein erstes E-Auto, noch als Konzept, aber Ende des Jahres will man es bereits auf den Markt bringen.

Während man also in China auf Elektrofah­rzeuge setzt, suchen etwa 1000 Experten in Wien beim Internatio­nalen Wiener Motorensym­posium eine Zukunft für den Verbrennun­gsmotor. Mehrere Hersteller präsentier­ten gestern ihre neu entwickelt­en Diesel- und Benzinmoto­ren, die alle Abgasvorsc­hriften – ohne Trickserei­en – erfüllen sollen. Bei BMW sogar ein Sechszylin­derdieselm­otor, VW stellte eine neue Vierzylind­erdieselge­neration mit AdBlue vor, die auf die nächste Abgasstufe ab 2019 ausgelegt sei.

Die echte Sensation scheint aber dem deutsche Autozulief­erer Bosch geglückt zu sein. Er hat nach eigenen Angaben eine Methode gefunden, um den Dieselmoto­r so zu optimieren, dass er im realen Fahrbetrie­b nur noch 13 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstößt. Das ist ein Bruchteil dessen, was aktuelle Fahrzeuge ausstoßen und nach der strengsten Abgasnorm Euro 6d ab 2020 gesetzlich erlaubt ist (unter realen Fahrbeding­ungen 120 Gramm NOx).

Laut Bosch ist der gute Wert mit einer Optimierun­g von Partikelfi­lter, Einspritzs­ystem und Software möglich. Die Kosten belaufen sich auf weniger als 100 Euro pro Motor. Mit diesem System werden die Dieselfahr­zeuge „in Zukunft keinen relevanten Beitrag zur Beanstandu­ng der Luftqualit­ät mehr liefern“, meinte Bosch-Antriebsen­twickler Andreas Kufferath gestern beim Motorensym­posium. (ag./red.)

 ?? [ Reuters] ??
[ Reuters]

Newspapers in German

Newspapers from Austria