Der Cayenne hat wesentlich dazu beigetragen, dass Porsche zum profitabelsten Autobauer der Welt wurde. Dabei galt er lange Zeit als Inbegriff des bösen SUVs. In dritter Generation ist er gefälliger und sympathischer geworden.
Fahrbericht.
Was hat man dieses Auto nicht schon alles gescholten? Der Porsche Cayenne galt als Inbegriff des bösen SUVs, wenn Kritiker ein Beispiel für den durchgeknallten Trend hin zu großen, klobigen Stadtgeländeautos suchten, zeigten sie mit ausgestrecktem Finger auf den Cayenne.
Der erste Entwurf 2002 war ja tatsächlich kein Kandidat für das Museum moderner Kunst. Die Zuffenhausener nahmen das Vorderteil eines 911er, stellten ihn auf die Plattform des VW Touareg und verpassten ihm ein scheußliches Heck. Der Grundgedanke aber war genial, und beim Publikum kam’s an. Dieses Auto hat Porsches Überleben garantiert, und deshalb entlohnte man den damaligen Vorstandschef, Wendelin Wiedeking, auch mit 100,6 Millionen Euro. Zu Recht. Aber dazu später.
Jetzt, im 16. Jahr seines Produktionslebens und in der dritten Generation, ist der Cayenne richtig schön geworden. Offensichtlich gibt es bei Porsche einen neuen Designer, der Wert auf hübsche Hinterteile legt und das auch schon beim neuen Panamera bewiesen hat. Die einstige Problemzone beider Autos ist verschwunden, beim Cayenne ist das Heck jetzt sogar die Schokoladenseite. Weil es nicht mehr so ausladend ist, wirkt das SUV – obwohl um 6,3 Zentimeter länger (4,92 Meter) – kompakter und weniger schwerfällig. Das durchgehende Leuchtband gibt ihm, wie dem Panamera, einen frischen Touch.
Die Verlängerung wirkt sich auf den Innenraum nicht aus, der Radstand blieb mit 2,9 Metern gleich. Allerdings kann man die zweigeteilte Rückbank separat um 16 Zentimeter verschieben und damit nach Bedarf mehr Fondplatz oder mehr Kofferraum schaffen.
Rund um den Fahrersitz sind, wie mittlerweile üblich, Bildschirme angeordnet. Navi, Radio, Klimaanlage steuert man per Display, Knöpfe und Schalter sind berührungsempfindlichen Stellen in einer Glasmittelkonsole gewichen. Auch die Fahranzeigen links und rechts lassen sich anpassen, in der Mitte thront der Drehzahlmesser. Mechanisch, wie auch die Lautstärkeregelung. Danke dafür!
In Zeiten lautloser Autos freut man sich beim Fahren über die Kompositionen aus Zuffenhausen. Der neu entwickelte 2,9-LiterSechszylinder mit 440 PS im Cayenne S gibt ein tiefes, sattes Brummen von sich, das schnell in ein Fauchen übergeht. Die 550 Nm Drehmoment sorgen dafür, dass sich das SUV trotz 2020 Kilogramm Leergewicht leichtfüßig bewegen lässt. Die Achtgang-Wandlerautomatik schaltet unauffällig, mit den Paddeln präzise schnell.
Hilfreich ist der neue Powerknopf am Lenkrad, mit dem man aus jedem Fahrmodus sofort alle Kraft abrufen kann. Bedeutet: Man fährt spritschonend im Normalmodus, kommt das Hindernis, drückt man den Knopf und rauscht links daran vorbei. Apropos spritschonend: Mit Vernunft gefahren kommt der Cayenne mit 8,4 Litern auf 100 Kilometer aus. Die Vortester haben das offenbar nicht gemacht, und deswegen ergibt sich ein Gesamtschnitt von 12,6 Liter.
Der Fahrkomfort lässt sich dank Luftfederung ändern – mit einer bemerkenswerten Spreizung: Im sanftesten Setting schwebt man über Schlaglöcher dahin, im härtesten spürt man Kopf oder Zahl einer Münze. Wobei man im Cayenne selbst im Sportmodus immer zwei Mankos hat: den hohen Schwerpunkt und das Gewicht. Man darf das SUV auf einer Passstrecke nicht mit einem Sportwagen verwechseln, die Gesetze der Physik schieben ihn trotz Allradantriebs und mitlenkender Hinterräder in der Kurve nach außen.
Ausgestattet ist der Cayenne S mit allem, was schön, sinnvoll und bequem ist – wie etwa der Nachtsichtkamera für Fußgänger. Überrascht hat uns, dass bei diesem Preis – etwa 162.000 Euro – kein Keyless Entry inkludiert ist, aber dafür ein Aschenbecher. Dieses Feature haben wir schon lang nicht mehr gesehen.
Noch ein Wort zu Wendelin Wiedeking und seinen Millionen. Als er 1993 den Vorstandsvorsitz bei Porsche übernahm, stand das Unternehmen am Abgrund und konnte ihm deshalb nur ein geringes Festgehalt bezahlen. Man verlangte ihm sogar eine persönliche Haftung ab, versprach dafür aber eine Gewinnbeteiligung von 0,9 Prozent. Und die brachte Wiedeking 2008 eben 100,6 Millionen Euro ein. Verdientermaßen. Den Wert Porsches hat er bis zu seinem Abgang Mitte 2009 von 300 Millionen Euro auf etwa 25 Milliarden Euro gesteigert, die Zahl der Mitarbeiter stieg von etwa 6000 auf aktuell fast 30.000, die abgesetzten Autos von weniger als 20.000 auf fast 250.000 im vergangenen Jahr. Vor allem dank des Cayenne.