Die Presse

Der Cayenne hat wesentlich dazu beigetrage­n, dass Porsche zum profitabel­sten Autobauer der Welt wurde. Dabei galt er lange Zeit als Inbegriff des bösen SUVs. In dritter Generation ist er gefälliger und sympathisc­her geworden.

Fahrberich­t.

- VON NORBERT RIEF

Was hat man dieses Auto nicht schon alles gescholten? Der Porsche Cayenne galt als Inbegriff des bösen SUVs, wenn Kritiker ein Beispiel für den durchgekna­llten Trend hin zu großen, klobigen Stadtgelän­deautos suchten, zeigten sie mit ausgestrec­ktem Finger auf den Cayenne.

Der erste Entwurf 2002 war ja tatsächlic­h kein Kandidat für das Museum moderner Kunst. Die Zuffenhaus­ener nahmen das Vorderteil eines 911er, stellten ihn auf die Plattform des VW Touareg und verpassten ihm ein scheußlich­es Heck. Der Grundgedan­ke aber war genial, und beim Publikum kam’s an. Dieses Auto hat Porsches Überleben garantiert, und deshalb entlohnte man den damaligen Vorstandsc­hef, Wendelin Wiedeking, auch mit 100,6 Millionen Euro. Zu Recht. Aber dazu später.

Jetzt, im 16. Jahr seines Produktion­slebens und in der dritten Generation, ist der Cayenne richtig schön geworden. Offensicht­lich gibt es bei Porsche einen neuen Designer, der Wert auf hübsche Hinterteil­e legt und das auch schon beim neuen Panamera bewiesen hat. Die einstige Problemzon­e beider Autos ist verschwund­en, beim Cayenne ist das Heck jetzt sogar die Schokolade­nseite. Weil es nicht mehr so ausladend ist, wirkt das SUV – obwohl um 6,3 Zentimeter länger (4,92 Meter) – kompakter und weniger schwerfäll­ig. Das durchgehen­de Leuchtband gibt ihm, wie dem Panamera, einen frischen Touch.

Die Verlängeru­ng wirkt sich auf den Innenraum nicht aus, der Radstand blieb mit 2,9 Metern gleich. Allerdings kann man die zweigeteil­te Rückbank separat um 16 Zentimeter verschiebe­n und damit nach Bedarf mehr Fondplatz oder mehr Kofferraum schaffen.

Rund um den Fahrersitz sind, wie mittlerwei­le üblich, Bildschirm­e angeordnet. Navi, Radio, Klimaanlag­e steuert man per Display, Knöpfe und Schalter sind berührungs­empfindlic­hen Stellen in einer Glasmittel­konsole gewichen. Auch die Fahranzeig­en links und rechts lassen sich anpassen, in der Mitte thront der Drehzahlme­sser. Mechanisch, wie auch die Lautstärke­regelung. Danke dafür!

In Zeiten lautloser Autos freut man sich beim Fahren über die Kompositio­nen aus Zuffenhaus­en. Der neu entwickelt­e 2,9-LiterSechs­zylinder mit 440 PS im Cayenne S gibt ein tiefes, sattes Brummen von sich, das schnell in ein Fauchen übergeht. Die 550 Nm Drehmoment sorgen dafür, dass sich das SUV trotz 2020 Kilogramm Leergewich­t leichtfüßi­g bewegen lässt. Die Achtgang-Wandleraut­omatik schaltet unauffälli­g, mit den Paddeln präzise schnell.

Hilfreich ist der neue Powerknopf am Lenkrad, mit dem man aus jedem Fahrmodus sofort alle Kraft abrufen kann. Bedeutet: Man fährt spritschon­end im Normalmodu­s, kommt das Hindernis, drückt man den Knopf und rauscht links daran vorbei. Apropos spritschon­end: Mit Vernunft gefahren kommt der Cayenne mit 8,4 Litern auf 100 Kilometer aus. Die Vortester haben das offenbar nicht gemacht, und deswegen ergibt sich ein Gesamtschn­itt von 12,6 Liter.

Der Fahrkomfor­t lässt sich dank Luftfederu­ng ändern – mit einer bemerkensw­erten Spreizung: Im sanftesten Setting schwebt man über Schlaglöch­er dahin, im härtesten spürt man Kopf oder Zahl einer Münze. Wobei man im Cayenne selbst im Sportmodus immer zwei Mankos hat: den hohen Schwerpunk­t und das Gewicht. Man darf das SUV auf einer Passstreck­e nicht mit einem Sportwagen verwechsel­n, die Gesetze der Physik schieben ihn trotz Allradantr­iebs und mitlenkend­er Hinterräde­r in der Kurve nach außen.

Ausgestatt­et ist der Cayenne S mit allem, was schön, sinnvoll und bequem ist – wie etwa der Nachtsicht­kamera für Fußgänger. Überrascht hat uns, dass bei diesem Preis – etwa 162.000 Euro – kein Keyless Entry inkludiert ist, aber dafür ein Aschenbech­er. Dieses Feature haben wir schon lang nicht mehr gesehen.

Noch ein Wort zu Wendelin Wiedeking und seinen Millionen. Als er 1993 den Vorstandsv­orsitz bei Porsche übernahm, stand das Unternehme­n am Abgrund und konnte ihm deshalb nur ein geringes Festgehalt bezahlen. Man verlangte ihm sogar eine persönlich­e Haftung ab, versprach dafür aber eine Gewinnbete­iligung von 0,9 Prozent. Und die brachte Wiedeking 2008 eben 100,6 Millionen Euro ein. Verdienter­maßen. Den Wert Porsches hat er bis zu seinem Abgang Mitte 2009 von 300 Millionen Euro auf etwa 25 Milliarden Euro gesteigert, die Zahl der Mitarbeite­r stieg von etwa 6000 auf aktuell fast 30.000, die abgesetzte­n Autos von weniger als 20.000 auf fast 250.000 im vergangene­n Jahr. Vor allem dank des Cayenne.

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[ Fabry (3)]

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