Die Stürmer in der Verteidigung
Fußball. Außenverteidiger wie Joshua Kimmich oder Marcelo, Torschützen im Champions-LeagueHalbfinale, sind längst nicht mehr bloß fürs Grobe zuständig. Über die Aufwertung einer Position.
Es ist gar nicht allzu lang her, da waren Außenverteidiger bloß ein eher unpopuläres Anhängsel einer Mannschaft. Wer wirklich große fußballerische Qualitäten mitbrachte, der wurde im offensiven Mittelfeld oder im Angriff eingesetzt, Raubeine waren in der Verteidigung bestens aufgehoben. Mit dem Spiel hat sich auch die Interpretation der jeweiligen Positionen verändert. Außenverteidiger sind nun längst nicht mehr bloß für grobe Defensivarbeit zuständig, sondern mehr denn je in den Spielaufbau eingebunden.
Im Fachjargon ist gern von modernen Außenverteidigern die Rede, also von jenen Spielern, die entscheidende Anteile an der Spieleröffnung haben, die unermüdlich die Seitenoutlinie auf und ab laufen. Nicht selten sind es die Außenverteidiger, die während der 90 Minuten die meisten Kilometer abspulen. Einhergehend mit dem unermüdlichen Offensivdrang ist auch die von den Seiten ausgehende Torgefahr beträchtlich gestie- gen. Das zweite ChampionsLeague-Halbfinale diente dahingehend als perfektes Beispiel. Vor dem Spiel hatte sich der Fokus speziell auf die beiden Superstars Robert Lewandowski und Cristiano Ronaldo gerichtet, getroffen hat letztlich keiner der beiden Angreifer. Dafür trugen sich mit Bayerns Joshua Kimmich und Reals Marcelo ein Rechts- bzw. Linksverteidiger in die Torschützenliste ein. Für beide war es der bereits dritte Treffer im laufenden Bewerb. Eine Ausbeute, um die sie andere Stürmer beneiden.
Sowohl Kimmich als auch Marcelo haben sich ihre ersten Sporen im Mittelfeld verdient und sind erst mit Fortdauer ihrer Karrieren in die Außenverteidigerrolle geschlüpft. Der 23-jährige Kimmich hatte zunächst gehofft, sich im Zentrum der Münchner einen Stammplatz erkämpfen zu können, er scheiterte letztlich an der zu großen Konkurrenz. Mittlerweile ist er in München ein fester Bestandteil der Viererkette und auch in der Nationalmannschaft eine feste Größe. Vor wenigen Wochen gewährte Kimmich Einblicke über seine Umschulung vom Mittelfeldspieler zum Außenverteidiger: „Die Sechserposition gilt ja als die zentrale Position im Spiel, du kannst von jeder Seite den Ball bekommen, bist praktisch bei jeder Aktion beteiligt und brauchst den 360-Grad-Rundumblick. Trotzdem stelle ich an mir selbst fest, dass die Außenverteidigerposition wohl noch komplexer ist“, sagte Kimmich und erklärte weiter: „Man hat als Außenverteidiger zwar die Linie als Orientierung und Begrenzung, aber man hat viel mehr intensive Läufe, viel mehr wichtige Defensivzweikämpfe, und auf dem Flügel trifft man heute meistens auf die besten und schnellsten Spieler des Gegners und somit der Welt. Und am Offensivspiel sollte man sich im Idealfall auch noch beteiligen.“
Österreichs Teamspieler David Alaba ist seit vielen Jahre Stammspieler bei den Bayern und hat sich zu einem der besten Linksverteidiger der Welt entwickelt. Auch Ala- ba verfolgte in München ursprünglich den Traum, im zentralen Mittelfeld die Fäden zu ziehen. Ob der Wiener heute auch in der Schaltzentrale ein solches Standing erreicht hätte, darf zumindest angezweifelt werden.
Im Nationalteam kokettiert Alaba auch unter Teamchef Franco Foda weiter mit Einsätzen im Mittelfeld, auf Vereinsebene wird der 25-Jährige selbst im Falle eines Wechsels wohl nur links hinten zu finden sein.