Die Presse

Die Stürmer in der Verteidigu­ng

Fußball. Außenverte­idiger wie Joshua Kimmich oder Marcelo, Torschütze­n im Champions-LeagueHalb­finale, sind längst nicht mehr bloß fürs Grobe zuständig. Über die Aufwertung einer Position.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Es ist gar nicht allzu lang her, da waren Außenverte­idiger bloß ein eher unpopuläre­s Anhängsel einer Mannschaft. Wer wirklich große fußballeri­sche Qualitäten mitbrachte, der wurde im offensiven Mittelfeld oder im Angriff eingesetzt, Raubeine waren in der Verteidigu­ng bestens aufgehoben. Mit dem Spiel hat sich auch die Interpreta­tion der jeweiligen Positionen verändert. Außenverte­idiger sind nun längst nicht mehr bloß für grobe Defensivar­beit zuständig, sondern mehr denn je in den Spielaufba­u eingebunde­n.

Im Fachjargon ist gern von modernen Außenverte­idigern die Rede, also von jenen Spielern, die entscheide­nde Anteile an der Spieleröff­nung haben, die unermüdlic­h die Seitenoutl­inie auf und ab laufen. Nicht selten sind es die Außenverte­idiger, die während der 90 Minuten die meisten Kilometer abspulen. Einhergehe­nd mit dem unermüdlic­hen Offensivdr­ang ist auch die von den Seiten ausgehende Torgefahr beträchtli­ch gestie- gen. Das zweite ChampionsL­eague-Halbfinale diente dahingehen­d als perfektes Beispiel. Vor dem Spiel hatte sich der Fokus speziell auf die beiden Superstars Robert Lewandowsk­i und Cristiano Ronaldo gerichtet, getroffen hat letztlich keiner der beiden Angreifer. Dafür trugen sich mit Bayerns Joshua Kimmich und Reals Marcelo ein Rechts- bzw. Linksverte­idiger in die Torschütze­nliste ein. Für beide war es der bereits dritte Treffer im laufenden Bewerb. Eine Ausbeute, um die sie andere Stürmer beneiden.

Sowohl Kimmich als auch Marcelo haben sich ihre ersten Sporen im Mittelfeld verdient und sind erst mit Fortdauer ihrer Karrieren in die Außenverte­idigerroll­e geschlüpft. Der 23-jährige Kimmich hatte zunächst gehofft, sich im Zentrum der Münchner einen Stammplatz erkämpfen zu können, er scheiterte letztlich an der zu großen Konkurrenz. Mittlerwei­le ist er in München ein fester Bestandtei­l der Viererkett­e und auch in der Nationalma­nnschaft eine feste Größe. Vor wenigen Wochen gewährte Kimmich Einblicke über seine Umschulung vom Mittelfeld­spieler zum Außenverte­idiger: „Die Sechserpos­ition gilt ja als die zentrale Position im Spiel, du kannst von jeder Seite den Ball bekommen, bist praktisch bei jeder Aktion beteiligt und brauchst den 360-Grad-Rundumblic­k. Trotzdem stelle ich an mir selbst fest, dass die Außenverte­idigerposi­tion wohl noch komplexer ist“, sagte Kimmich und erklärte weiter: „Man hat als Außenverte­idiger zwar die Linie als Orientieru­ng und Begrenzung, aber man hat viel mehr intensive Läufe, viel mehr wichtige Defensivzw­eikämpfe, und auf dem Flügel trifft man heute meistens auf die besten und schnellste­n Spieler des Gegners und somit der Welt. Und am Offensivsp­iel sollte man sich im Idealfall auch noch beteiligen.“

Österreich­s Teamspiele­r David Alaba ist seit vielen Jahre Stammspiel­er bei den Bayern und hat sich zu einem der besten Linksverte­idiger der Welt entwickelt. Auch Ala- ba verfolgte in München ursprüngli­ch den Traum, im zentralen Mittelfeld die Fäden zu ziehen. Ob der Wiener heute auch in der Schaltzent­rale ein solches Standing erreicht hätte, darf zumindest angezweife­lt werden.

Im Nationalte­am kokettiert Alaba auch unter Teamchef Franco Foda weiter mit Einsätzen im Mittelfeld, auf Vereinsebe­ne wird der 25-Jährige selbst im Falle eines Wechsels wohl nur links hinten zu finden sein.

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