Bis zum hohen B: Strahlender ägyptischer Zorn
Staatsoper. Verdis „Aida“mit der fulminanten Hausdebütantin Anita Rachvelishvili als Amneris: Vokale Leuchtfeuer an einem sängerisch sonst eher im Halbdunkel liegenden Abend.
Wenn es einen zu Musik gewordenen heiligen Zorn gibt, dann ist er derzeit in der Gerichtsszene von „Aida“zu erleben. Und zwar nicht etwa in den Anklagen, die der Hohepriester Ramphis dem trotzig schweigenden Radames´ vorlegt: Diese hat Verdi bewusst in formelhafte Starre gegossen – und beim bemühten Sorin Coliban klingen sie sogar hohler als nötig. Nein, es ist Anita Rachvelishvili, die den Gefühlseruptionen der Amneris solch archetypische Kraft verleihen kann. Wie sie dem altägyptischen Klerus nach dem unausweichlichen Todesurteil für den vergeblich Geliebten ihr Anathema entgegenschleudert und die Rache des Himmels an den Hals wünscht – innerlich lodernd, aber stimmlich ohne das geringste Zittern –, das sucht seinesgleichen in der Verbindung von Ausdrucksgewalt und vokaler Souveränität, von Majestät und Schmerz.
Doch Rachvelishvilis Klasse zeigte sich nicht erst an diesem dramatischen Kulminationspunkt ihrer Partie: Dem ganzen Abend drückte die georgische Mezzosopranistin bei ihrem Staatsoperndebüt den Stempel des Außergewöhnlichen auf. Herrlich etwa, wenn sie mit dem äußerlichen Gehabe vollkommener Langweile sich inmitten ihrer Sklavinnen die Ankunft des Geliebten herbeisehnt – und ihre traumverlorene Kantilene jedes Mal in tadellos zärtlichem Piano auf dem hohen G ansetzt. Denn auch wenn Rachvelishvilis Stimme wie ein Naturereignis wirken mag, ist sie doch technisch bestens gezähmt und durchgebildet. In bruchloser Fülle durch alle Lagen strömt ihr der genau dosierte Klang von dunklem Samt aus der Kehle. Ohne sichtbare Anstrengung, aber mit darstellerischem Furor erhebt sie sich in der letzten Konfrontation mit Radames´ zweimal mühelos bis zum strahlenden hohen B.
Die restliche Besetzung nahm sich daneben reichlich blass aus. Immerhin ist Jorge de Leon´ ein Feldherr, bei dem man in keinem Augenblick fürchten müsste, er würde jemals seine heldentenorale Standhaftigkeit einbüßen: Dieser Radames´ liebt und leidet, kämpft und schmachtet vorzugsweise zwischen Forte und Fortissimo – und differenziert in diesem Rahmen sogar halbwegs geschickt.
Eine Aida mit Lücken
Kristin Lewis bekam dagegen nicht nur vom verlässlichen Paolo Rumetz als Amonasro zugesetzt, sondern von der Partie der Aida selbst. Gewiss, sie kann ihren Sopran mit einiger Anstrengung bei hohen Tönen gut dosieren, aber oft genug klafft nicht nur zwischen Höhe und Mittellage im Klang ein Loch. Bekanntlich ist die aufsteigende Linie zum sogenannten Nil-C besonders heikel. Ähnlich wie beim üblicherweise geschmetterten Schluss von „Celeste Aida“, bei dem sich Verdi vom Tenor ein Pianissimo auf dem hohen B wünscht, wäre man mit einem edel aufblühenden Forte zufrieden, wo ein süßes Piano am schönsten wäre. Wenn eine Sopranistin auf dem Weg zu diesem Gipfel ihr Legato aber zweimal atemlos unterbrechen muss, dann ist’s halt ein Kreuz . . .
Evelino Pid`o am Pult hielt den imposant triumphierenden Chor auf Linie und vermittelte mit dem Orchester zwischen farbreichkernigem Klang und Stimmenfreundlichkeit.