In Höhle und Bergwerk: Starren auf die Anfänge der Kunst
BA-Kunstforum. Wien darf gerade eine früh ausgezogene Wiener Künstlerin entdecken: Die obsessive Zeichnerin Michaela Frühwirth.
Anfangs ist man ein wenig unsicher – die Künstlerin kennt man nicht. Und zu erkennen glaubt man anfangs auch nicht recht viel. Die drei großen Zeichnungen meint man von der Eingangstür des alten Tresorraums im BA-Kunstforum rasch überblickt zu haben. Nichts sieht man aber von hier. Man muss näher kommen, eintreten, herantreten – was für Geschichten, was für Orte eröffnen sich einem hier. Michaela Frühwirth, geboren 1972 in Wien, aufgewachsen in Salzburg, hat an der Akademie bei Arnulf Rainer studiert. Einst. Denn bald schon zog sie aus, nach Frankreich, nach Amsterdam, wo sie bis heute lebt und an der Rietveld-Akademie auch unterrichtet.
In Österreich ist das ihre erste Einzelausstellung. Ein starkes Statement, ein Zeichen strenger Konzentration, Konzeption und am Ende fast hypnotischer Poetik. Frühwirth zeigt sich hier besessen von ihrem Metier, der Zeichnung, dem Material Grafit. Zwei monumentale, fast kulissenhaft große Zeichnungen auf mehreren Papier- bahnen dominieren den Raum, der mit seinem schwarzen zerkratzten Boden den perfekten Rahmen bietet. Was wie zwei tiefschwarze Wurmlöcher wirkt, entpuppt sich als eine Art massive zeichnerische Materialisation zweier Mythen: Erst steht man vor dem Eingang zur Höhle von Chauvet, die vor gut 20 Jahren entdeckt wurde und einen der größten und ältesten Schätze der paläolithischen Höhlenkunst enthält.
Die Höhle ist der Öffentlichkeit nicht zugänglich, Frühwirth hat ihren Eingang im südfranzösischen Ard`echetal trotzdem gesucht. Man geht über einen schmalen Pfad durch den Wald, steht dann vor einer elektronisch extrem bewachten Tresortür. Diesen Blick auf den Einstieg, dieses Starren auf die versperrten Anfänge menschlicher Kunst, hat sie erst fotografisch festgehalten, in ihrem Atelier dann auf Umrisse reduziert und mit Grafitstift eins zu eins auf Papier übertragen. In eine Art monochrome, archaisch wirkende Ritzzeichnung, die einen aufzusaugen und sozusagen vor dem Geist des Ortes wie- der auszuspucken vermag. Als „Fußnoten“zu der Zeichnung – damit arbeitet Frühwirth gern – dienen zwei mit Steinwerkzeug verkeilte kleine Bildschirme, auf denen der Blick aus den ChauvetÜberwachungskameras läuft.
Die Fußnoten für die zweite große Zeichnung sind u. a. recht handgreiflich: Auf dem Boden liegen Gesteinsproben, die Frühwirth bei ihren Exkursionen in Grafitabbaugebiete gefunden hat. Sie sei von diesem Material schon immer fasziniert gewesen, erzählt sie. Es entstehe in direkter Relation zu uns, zu organischem Material.
In Österreich konnte Frühwirth den einzigen noch aktiven Grafitstollen besuchen, ein Privatunternehmen in der Steiermark. Dort stand sie dann am Ende allein vor der rohen Grafitwand, von der gerade abgebaut wurde. Dem Quell ihrer Kunst sozusagen. Diesen Anblick, diesen Querschnitt durch den Stollen bannte sie dann Strich für Strich, Schicht um Schicht aufs Papier. Es habe sich wie umgekehrter Bergbau angefühlt, beschreibt sie es. Bergaufbau. Geschichtenaufbau. Spannungsaufbau. Es gelingt ihr.