Die Presse

Das Alkoholver­bot führt zu weiterer Ausgrenzun­g

Öffentlich­e Räume sollten für ausgeschlo­ssene Menschen erhalten bleiben.

- VON CHRISTOPH STOIK Christoph Stoik ist FH-Professor am FH Campus Wien sowie Sprecher der AG Sozialer Raum der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Soziale Arbeit (OGSA) und beschäftig­t sich in Lehre und Forschung mit Sozialer Arbeit im öffentlich­en Raum.

Nach Karlsplatz und Stadtpark ist es jetzt der Praterster­n. Öffentlich­e Räume werden vom Boulevard und von populistis­cher Politik immer wieder skandalisi­ert. Dabei werden Fakten einfach ignoriert. Tatsächlic­h zeigen sich in öffentlich­en Räumen gesellscha­ftliche Probleme, wie Armut und soziale Ausgrenzun­g. Auf zentralen Plätzen halten sich Menschen auf, die besonders auf öffentlich­en Raum angewiesen sind.

Das sind Menschen, die mangelhaft über Wohnraum verfügen, wie Wohnungslo­se. Das sind Menschen, die sonst keinen Raum für den täglichen Aufenthalt haben. Es sind Suchtkrank­e, die gesellscha­ftlich ausgegrenz­t sind. Der Aufenthalt im öffentlich­en Raum lässt diese ausgeschlo­ssenen Menschen in gewisser Weise noch Teil der Gesellscha­ft sein. Alkoholver­bote in öffentlich­en Räumen richten sich gegen diese Menschen.

Menschen, die sonst nirgends mehr sein können, werden verdrängt und verlieren diese Orte des Aufenthalt­s. Durch die Verdrängun­g wird das „Problem“aber nur verlagert, was sich in der Vergangenh­eit immer wieder gezeigt hat (wie bei der „Auflösung der Szene“am Karlsplatz).

Die „Mobilisier­ung der Szene“hat zumindest zwei weitreiche­nde Folgen: Erstens wird es der Sozialen Arbeit erschwert, Hilfe anzubieten. Und zweitens wird „die Szene“an vielen anderen Orten sichtbar. Nach einiger Zeit werden sich die betroffene­n Menschen an diesen Plätzen niederlass­en. Sie werden immer mehr an den Rand und auch in Wohngebiet­e gedrängt.

Weil die Folgen der Verdrängun­gen aus öffentlich­en Räumen wissenscha­ftlich bekannt sind und weil Experten und Expertinne­n der Sozialen Arbeit vor Ort von einem Alkoholver­bot abgeraten haben, entschied sich die Stadt noch vor Wochen gegen diese Maßnahme. Ähnliches Fachwissen war auch Grundlage für die Erstellung eines Mission Statement „Soziale Arbeit im öffentlich­en Raum“, das 2013 von fünf Stadträtin­nen verabschie­det wurde und sich „gegen jegliche Form von Diskrimini­erung in und Verdrängun­g aus dem öffentlich­en Raum“ausspricht.

Das Alkoholver­bot steht aber auch im Widerspruc­h zur Deklaratio­n „Wien als Menschenre­chtsstadt“, die 2014 vom Gemeindera­t beschlosse­n wurde. Es ist gezielt gegen eine wenig finanzkräf­tige Gruppe gerichtet. Der Alkoholkon­sum im Rahmen kommerziel­ler Angebote wird ja nicht eingeschrä­nkt.

Für die Verdrängun­g von wenigen Menschen vom Praterster­n werden hohe Kosten in Kauf genommen (Exekution des Alkoholver­botes). Die Armut in Metropolen verschwind­et durch Verdrängun­gsmaßnahme­n nicht. Daher sind diese Städte gefordert, mit öffentlich sichtbarer Armut adäquat umzugehen.

Neben der sozialen Versorgung der Menschen geht es darum, öffentlich­e Räume für ausgeschlo­ssene Menschen zu erhalten. Expertisen aus der Planung und der Sozialen Arbeit zeigen, dass große zentrale Plätze wie der Praterster­n besonders gut geeignet sind, vielfältig­e und widersprüc­hliche urbane Nutzungen aufzunehme­n. Es ist leichter, einander auszuweich­en, und ausgegrenz­te Personen können sich auf Plätze zurückzieh­en, in denen sie sich nicht im Blickfeld aller befinden. Um zu einem menschlich­en Umgang mit Armut und Ausgrenzun­g zurückzufi­nden, auch im Interesse der Wohnbevölk­erung, sollten künftig wieder Fachleute in Entscheidu­ngen einbezogen werden.

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