Warum Wien ruhig ein bisschen wie Singapur werden sollte
Nicht nur der versiffte Praterstern ist ein Problem der Bundeshauptstadt, sondern das langsame Verkommen des öffentlichen Raums insgesamt.
Wer in Singapur oder einer anderen asiatischen Hypermetropole je mit der U-Bahn gefahren ist, dem werden die öffentlichen Verkehrsmittel in Wien – oder auch in anderen europäischen Städten – vorkommen wie leicht grindige Massentransportmittel irgendwo in der Dritten Welt. Denn in Singapurs Metro ist selbst der Boden so makellos, dass man jederzeit darauf essen könnte; kein Mensch verzehrt übel riechende Gerichte oder nimmt einen Schluck aus der Bierdose – hier ist alles klinisch sauber.
Der Grund dafür ist simpel: In Singapur ist im öffentlichen Raum so ziemlich alles verboten, was andere Menschen stören könnte, seien es auch nur Gerüche, seien es unschöne Anblicke oder andere Irritationen. Diese Verbote werden von der Polizei auch ziemlich rigoros durchgesetzt.
Dagegen erscheint die Wiener U-Bahn, aber auch deren Umfeld mit den herumgammelnden Gratiszeitungen, Dönerausdünstungen und anderen Zumutungen für Augen, Ohren und Nasen ihrer Kunden gelegentlich eher leicht grindig. Nicht nur hoffnungslos reaktionären Zeitgenossen könnte da schon manchmal der politisch völlig unkorrekte Gedanke kommen, ein kleines bisschen mehr fernöstlicher Mentalität die öffentliche Ordnung betreffend würde europäischen Städten gar nicht so schlecht zu Gesichte stehen.
Dabei geht es ja nicht nur um die öffentlichen Verkehrsmittel, sondern insgesamt um den Umgang der Bürger – einschließlich der hier lebenden Migranten – mit dem öffentlichen Raum der Stadt. Die herzige Debatte über das Alkoholverbot am Wiener Praterstern, wo eine Mischung von autochthonen Pennern, deren aus Südosteuropa angereisten Kollegen und Eckenstehern afghanischer Herkunft für Diversität, Buntheit und gelegentlich einen Messerstich im Bauch sorgt, ist ja nur ein Teilaspekt eines größeren Problems.
Eines Problems, das aus einem Mangel an Sicherheitsgefühl auf manchen Plätzen oder in manchen U-Bahnen Wiens, aus einer gewissen Verwahrlo- sung öffentlicher Räume vom Schwedenplatz, von Teilen Favoritens bis hinein in die Innenstadt und vor allem aus einem eher nonchalant-laschen Umgang der Stadtpolitik mit alldem besteht. Es geht also im Grunde um Ordnung, einen ziemlich aus der Mode gekommenen Begriff der bürgerlichen Welt von gestern.
Die Frage, die wirklich gestellt gehört, ist nicht bloß die über Alkoholkonsum oder die zum Praterstern. Sondern: Wollen wir den ganzen öffentlichen Raum in unseren Städten nicht wieder in einem so makellosen, sicheren und erbaulichen Zustand haben, wie es reichen Metropolen des 21. Jahrhunderts angemessen wäre? Dass dies geht, auch ohne einen Polizeistaat zu errichten, wie er für Singapur und die meisten anderen asiatischen Staaten charakteristisch, hierzulande aber nicht wünschenswert ist, zeigt das Beispiel New York, wo in den 1990er-Jahren eine „Null-Toleranz-Politik“die einstens verkommene Metropole zu einem sauberen, sicheren und angenehmen Platz transformiert hat.
Demokratie kann offenbar durchaus Ordnung schaffen, ohne Menschenrechte zu beschädigen oder in einem Aufwaschen auch gleich politisch Missliebige ins Gefängnis zu stecken. Man muss das nur wollen.
Nicht nur in Wien steht dem freilich die Mentalität der gerade in den Ruhestand retirierenden Generation der Alt68er in der Politik entgegen, für die jedes Verbot oder Gebot Ausweis einer reaktionären Gesinnung darstellt (außer natürlich, es kommt von den Grünen). Zu untersagen, seine Mitmenschen in öffentlichen Verkehrsmitteln mit den Ausdünstungen seines Fast Food zu behelligen, gilt in diesem Milieu als menschenverachtend und nahezu faschistoid.
Solang dieser Ungeist, in der jetzigen Wiener Stadtregierung tief verwurzelt, nicht beseitigt ist, werden sich nicht nur Touristen aus Singapur in Wiens Massenverkehrsmitteln gelegentlich ein wenig an die Dritte Welt erinnert fühlen.