Ärztekammerchef: Absage an Ludwig
Interview. Der Präsident der Wiener und Österreichischen Ärztekammer, Thomas Szekeres, fordert eine gemeinsame Finanzierung des ambulanten Bereichs. Stadtrat will er nicht werden.
Die Presse: Wer harte Kontaktlinsen trägt, zahlt in Wien einen Selbstbehalt von 100 Euro, in Tirol sind es rund 250 Euro. Können Sie mir das bitte erklären? Thomas Szekeres: Nein, das hat sich historisch so ergeben. Hier braucht es eine Harmonisierung. Der Hauptverband bemüht sich, diese Harmonisierungen durchzuführen, etwa bei Zuzahlungen für Rollstühle. Umso weniger ist es notwendig, alle Krankenkassen zusammenzulegen. Die Verhandlungen darüber, wo welcher Arzt einen Kassenvertrag bekommt und wie die Vertragskonditionen in den einzelnen Tälern vereinbart werden, sollten lokal geführt werden, weil man von Wien aus vieles nicht beurteilen kann.
Was meinen Sie mit „historisch ergeben“? Warum zahlt man in einem Bundesland 250 Euro und in einem anderen 100? Die Kassen in den Ländern verhandeln in ihrem Wirkungsbereich die Konditionen, da kann es passieren, dass sie sich mit den Optikern auf unterschiedliche Preise und Zuzahlungen geeinigt haben. Damit hat die Ärztekammer nichts zu tun.
Das heißt, die Wiener Kasse hat besser verhandelt als die Tiroler? Das gibt es auch bei Arzthonoraren, die von Bundesland zu Bundesland und von Kasse zu Kasse unterschiedlich sind. Auch hier können wir uns eine Harmonisierung vorstellen. Aber sie soll sich bitte nicht am niedrigsten Tarif orientieren. Ein Absenken der Tarife kann nicht akzeptiert werden.
Spricht das alles nicht für eine Zusammenlegung der Kassen? Das spricht für eine Harmonisierung der Honorare für Ärzte und Zuzahlungen der Patienten. Der Nachteil einer kompletten Zusammenlegung wäre in erster Linie, dass Verhandlungen nicht mehr vor Ort geführt werden könnten. Wobei die übergeordnete Frage ja lautet: Will ich ein System mit einer Selbstverwaltung im Sozialversicherungsbereich oder ein rein staatliches System wie in Großbritannien – mit dem Nachteil, dass man nur an einer Schraube zu drehen braucht, um enorme Einsparungen zu machen. Hier will die FPÖ mehr Einfluss haben, weil sie in den Kammern nicht gewählt wurde und keine oder nur wenige Vertreter in der Verwaltung hat.
Die lokalen Verhandlungen haben dazu geführt, dass Ärzte für ein EKG in jedem Bundesland andere Honorare bekommen. Mit lokalen Begebenheiten wird ein EKG schwer zu erklären sein Aber von Wien aus ist es schwer zu beurteilen, wie viele Ärzte es im Zillertal braucht.
Wirklich? Schwerer als von Innsbruck aus? Die Zusammenlegungen sind eine prinzipielle Frage. Lokale Vereinbarungen haben ihre Vorteile. In Wien versuchen wir gerade eine Vereinbarung zu treffen, Spitalsambulanzen herunterzufahren bzw. zu schließen und dafür in der Nähe zusätzliche Kassenärzte zu installieren. Diese sollen sowohl von der Stadt als auch von den Kassen finanziert werden. Das hätte den Vorteil, dass sich die Stadt bei den Ambulanzen Geld spart und Patienten die qualitativ gleiche Versorgung zu einem volkswirtschaftlich günstigeren Preis bekommen.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Ärztekammer lieber mit regionalen Krankenkassen verhandelt als mit einer mächtigen bundesweiten Kasse. Wahrscheinlich wäre es für die Ärztekammer sogar einfacher, mit einer bundesweiten Kasse zu verhandeln. Aber um Macht geht es überhaupt nicht. Es ist pragmatischer und einfacher, vor Ort zu verhandeln. Warum etwas ändern, was bisher gut funktioniert hat?
Wir reden die ganze Zeit über Dinge, die nicht gut funktionieren. Und das Einsparungspotenzial haben wir noch gar nicht angesprochen. Ein bisschen Einsparungspotenzial gibt es sicher in der Verwaltung, aber nicht so viel, wie sich das manche erhoffen. Wichtig sind die Patientenversorgung und der niederschwellige Zugang. Je weniger Kassenärzte es gibt, desto schwieriger wird dieser Zugang. Daher wollen wir zusätzliche Kassenärzte, die es auch zu finanzie- ren gilt. Was wir außerdem fordern, ist die Finanzierung des ambulanten Spitals- und des niedergelassenen Bereichs aus einer Hand. Denn hier kommt es dazu, dass die Patienten hin und her geschickt werden. Das sollte verhindert werden, indem man den Ort identifiziert, an dem sie am besten aufgehoben sind, und die Leistungen dort anbietet.
Sandra Frauenberger wird ja nicht mehr lange Gesundheitsstadträtin sein. Würden Sie ihr Amt übernehmen? Ich bin vor einem Jahr wiedergewählt worden und übe meine Tätigkeit als Präsident der Wiener und Österreichischen Ärztekammer sehr gern aus. Ich würde viele Kollegen mehr als enttäuschen, wenn ich gehe, das will ich nicht.
Also ein definitives Nein? Ja.
Obwohl Sie alles umsetzen könnten, was Sie seit Jahren fordern? Könnte ich das? Der Schlüssel ist das Geld. Man kann schon weiterhin einsparen, darf sich dann aber nicht wundern, wenn die Fenster aus dem Rahmen fallen, wie beispielsweise im Wilhelminenspital.