Die Presse

Die Angst der Taxis vor der Innovation

Wien. Einst galten Taxis als Verspreche­n der Moderne. Diese Position hat die Branche eingebüßt – und das nicht erst seit dem Kampf gegen Uber. Widerstand gegen Neuerungen gab es immer wieder. Eine Kulturgesc­hichte des Taxis in Wien.

- VON ERICH KOCINA

Leopold ist außer sich. Franz, sein bester Freund, hat den ehrenhafte­n Berufsstan­d der beiden verraten – und sich ein Taxi zugelegt. Leopold, der alte Wiener Fiaker, will diesen Schritt in die neue Zeit nicht machen. Es war 1958, als Hans Moser in „Hallo Taxi“den griesgrämi­gen Modernisie­rungsverwe­igerer gab. Und Paul Hörbiger den Neo-Taxiuntern­ehmer, der die Zeichen der Zeit erkannt hat. Das Taxi stand damals für so etwas wie Modernität und Aufbruchst­immung. Ein Image, das den Wiener Taxis heute eher nicht mehr anhaftet.

Es war um die Jahrhunder­twende, als die Zahl der Automobilf­iaker, wie Taxis ursprüngli­ch genannt wurden, in Wien stark nach oben ging. 409 motorisier­te Taxis waren es 1909, 1913 waren es bereits 1619. Endgültig durchsetze­n konnte es sich nach dem Ersten Weltkrieg, als 1926 die ersten Autorufsäu­len errichtet wurden. Gebremst durch den Zweiten Weltkrieg, als Ende 1945 nur mehr rund 400 Taxis in der Stadt unterwegs waren, ging es danach schnell wieder aufwärts. Und Mitte der 1960er-Jahre waren schon wieder rund 1600 Wagen in Wien unterwegs – ausgestatt­et mit Funk. Wobei die erste Taxifunkze­ntrale 1960 wegen enormen Widerstand­s bald wieder eingestell­t werden musste. Erst Mitte der 1970er-Jahre begann der Siegeszug der Taxifunkze­ntralen.

Es waren gute Jahre für Wiens Taxler. Die U-Bahn war gerade erst im Entstehen. Und der öffentlich­e Verkehr legte noch eine umfangreic­he Nachtruhe ein. „Ruaf ma a Taxi, weu i hob no an Termin, red ma ned ei, es is kans frei, weu es gibt so vü Taxi in Wien uma drei in der Nochd“, sang Georg Danzer 1976. Von lästiger Konkurrenz war man verschont – was in der öffentlich­en Wahrnehmun­g allerdings durchaus auch seine Spuren hinterließ. „I steh’ in der Kält’n und wart auf a Taxi, aber es kummt ned“von DÖF ver- packte 1983 das Lebensgefü­hl Wiener Taxi musikalisc­h. Der Kunde als Bittstelle­r, die Taxis als unflexible Monopolist­en, dieses Bild fand damit Eingang in die Populärkul­tur.

Innovation­en gab es im Lauf der Jahrzehnte natürlich. Die Einführung von Computern, die das Bestellen einfacher machten. Die (zumindest temporäre) Einführung der „freien Zufahrt“, dass der Taxameter also erst vor dem Haustor eingeschal­tet wird, oder die GPS-Positionie­rung. Doch auf der anderen Seite gab es aus der Branche laufend Widerstand gegen Neuerungen (mit der Einführung der Nachtbusse am Wochenende 1986 und der Ausweitung auf täglichen Verkehr 1996 war man etwa nicht rasend glücklich) – und manch skurrile Regelung. Dass Wiener Taxis etwa zum Flughafen fahren dürfen, den Rückweg jedoch ohne Passagiere bestreiten müssen. Bei Schwechate­r Taxis ist es umgekehrt. Und dann war da auch noch die Einführung der Registrier- kassenpfli­cht Anfang 2016, die die Zahl der Autos dann doch ziemlich zurückgehe­n ließ.

Das Duopol zweier Funkzentra­len stand bei Taxlern auch immer wieder in der Kritik. Von „Knebelvert­rägen“war die Rede, mit denen man Fahrer an sich binde. Und weitere Teilnehmer im Wettbewerb aus dem Geschäft heraushalt­en wolle. Sei das nun die App myTaxi, die das Bestellen ohne Zentrale möglich machte – oder den US-Fahrtdiens­tleister Uber, der 2014 nach Wien kam. Und der die Taxibranch­e schnell wie den alten Fiaker Leopold aussehen ließ.

Den Wagen per App bestellen, im Vorhinein den ungefähren Preis wissen, jede Fahrt mit Navi nachvollzi­ehen können – technologi­sch hängte Uber die Taxis ab. Auch preislich lag man deutlich darunter. Auf der anderen Seite stand allerdings der Vorwurf, dass Uber-Fahrer ausgebeute­t werden, so- zial nicht abgesicher­t sind und bei Problemen selbst haften müssen.

In der Stadt bildeten sich zwei Gruppen – die Uber-Fahrer und die Uber-Hasser, beide mit teils stark emotional vorgebrach­ten Argumenten („Uber-Fahrer sind freundlich­er, quatschen Fahrgäste nicht zu“, „Uber-Fahrer können nicht einmal Deutsch“, . . . etwa in dieser Tonart.) Und die Emotionen gingen noch stärker hoch, als die Taxifunkze­ntrale 40100 am Mittwoch vor Gericht eine einstweili­ge Verfügung erwirkte – und Uber seinen Dienst vorläufig einstellen musste. Weil die Autos der Uber-Flotte als Mietwagen firmieren und laut Mietwageng­esetz Gäste nur beim Unternehme­nsstandort aufnehmen dürften. Ob die Taxibranch­e damit einen Konkurrenz­en losgeworde­n ist? Am Freitag hieß es von Uber jedenfalls zu Meldungen, dass der Betrieb wieder aufgenomme­n werden solle, man arbeite „mit Hochdruck“daran.

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