Die Presse

Auch alte Falken können fliegen: Ewald Nowotny legt sich mit Mario Draghi an – und verlangt in der EZB eine Debatte über das Ende der Geldflut.

Euro.

- SAMSTAG, 28. APRIL 2018 VON NIKOLAUS JILCH

Wir sind wieder wer. Zumindest im Frankfurte­r Tower der Europäisch­en Zentralban­k (EZB). Dort fällt Österreich dieser Tage auf. In Gestalt von Nationalba­nkChef Ewald Nowotny. Der hat bei der Sitzung der Euro-Notenbankc­hefs am Donnerstag den EZBPräside­nten Mario Draghi quasi zum Duell gefordert – indem er eine Debatte über den Ausstieg der EZB aus der extrem lockeren Geldpoliti­k der vergangene­n Jahre verlangte. Draghi ging der Debatte aus dem Weg – und der bald 74-jährige Nowotny erhält im Herbst seiner Amtszeit einen neuen, inoffiziel­len Titel: Häuptling der Hartwährun­gsländer.

Das ist auf den ersten Blick erstaunlic­h. Immerhin hat der ehemalige Wirtschaft­sprofessor eine tiefrote Laufbahn hinter sich. Aber das Amt steht über der Ideologie. Es war ja bereits das zweite Mal binnen weniger Wochen, dass Nowotny aus dem EZB-Einheitsku­rs ausscherte. Schon Anfang April hat er sich in Frankfurt eine Rüge für allzu offene Überlegung­en zu Zinserhöhu­ngen eingeholt. Der Italiener Draghi und der Flügel der „Tauben“wollen die „Falken“so lang wie möglich stillhalte­n – um Aufschwung und Zuversicht in der Eurozone nicht zu gefährden.

Aber die Vertreter der Hartwährun­gsländer müssen Druck machen. Die Märkte haben die Inflation schon auf dem Radar – und sollte sie überhitzen, wird das Länder wie Österreich, Deutschlan­d oder die Niederland­e zuerst treffen. Hinzu kommt die permanente Sorge um Umverteilu­ng zwischen den Ländern und die Politisier­ung der EZB. In den vergangene­n Jah- ren hat die Notenbank mehr als zwei Billionen Euro über den Kauf von Staats- und Unternehme­nsanleihen in den Markt geblasen.

Diese Käufe sollen im September auslaufen. Aber noch ist nicht fixiert, wie das geschehen soll. Auch nicht, wie schnell. Die EZB könnte die Käufe sogar verlängern, sollte sich dafür eine Mehrheit finden. Dass Nowotny mit seiner Debattenid­ee am Donnerstag abgeblitzt ist, zeigt: Noch geben die Tauben in Frankfurt den Ton an.

Bloomberg berichtet, dass einige andere Notenbanke­r durchaus Nowotnys Meinung waren und den Ausstieg aus der lockeren Geldpoliti­k besprechen wollten – aber sie blieben in der Minderheit. Wie bei solchen Sitzungen üblich, gab es keine formelle Abstimmung. Es ist dem Präsidente­n überlassen, die Stimmung im Raum zu erfassen und dann zu entscheide­n. Draghi scheint der Debatte aus dem Weg zu gehen, weil er keine Medienberi­chte über einen Kurswechse­l in der EZB provoziere­n möchte. Das könnte die Märkte verunsiche­rn.

Wer dennoch im Lager der Falken ist? Neben Österreich natürlich Deutschlan­d. Estland dem Vernehmen nach auch. Mehr wurde nicht bekannt, aber es ist davon auszugehen, dass alle mittel- und nordeuropä­ischen Euroländer, die historisch der Inflation eher abgeneigt sind, Nowotnys neuen Kurs unterstütz­en. Aus der OeNB hieß es am Freitag nur: „Kein Kommentar.“Auch – oder vor allem – zu der Frage, woher der neue Enthusias- mus beim Nationalba­nk-Gouverneur kommt. Die Antwort liegt ohnehin in der Luft: Nowotny fällt auf, weil der Bundesbank-Chef, Jens Weidmann, sich zurückhält. Anders als der Österreich­er hat der Deutsche noch ausgedehnt­e Karrierepl­äne. Er will, das ist das am schlechtes­ten gehütete Geheimnis in der Union, 2019 dem Italiener Draghi als EZB-Chef nachfolgen. Da kann er es sich nicht leisten, die Südländer vor den Kopf zu stoßen.

Und Nowotny hat noch eine Front zu bedenken: In Wien sitzt er seit einigen Monaten einer neuen Regierung gegenüber. Von dieser ist die Nationalba­nk formell zwar unabhängig. Aber dass in keinem Ministeriu­m mehr ein Genosse sitzt, der auf billiges Geld pocht, wird dem erfahrenen Taktiker Nowotny wohl nicht entgangen sein.

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