Zu viel Kunststoffabfall in Europa
Abfall. China importiert keinen Kunststoffmüll mehr, das bringt Europa Probleme: Der Preis für Recycle-Material ist um die Hälfte gefallen. Bei der Verbrennung wird es eng.
Es war ein Schritt, der viele westliche Nationen auf dem falschen Fuß erwischte. So gestand etwa der britische Umweltminister, Michael Gove, bereits im Jänner ein, dass die Regierung in London zu langsam realisiert habe, welche Probleme auf das Land zukämen. Denn mit Jahresanfang erließ die chinesische Führung überraschend ein vollständiges Importverbot für Kunststoffabfälle. Da manche europäische Länder wie Großbritannien oder Deutschland bis dahin gut die Hälfte ihres Plastikmülls nach China verschifft haben, ein großer Schock.
Auch Österreich ist von diesem Importstopp betroffen, wenn auch in geringerem Maß. „In Österreich fallen jährlich 230.000 Tonnen Kunststoffabfälle an. Etwa 35.000 Tonnen davon wurden nach China exportiert“, sagt Hans Roth, Gründer von Saubermacher und Präsident des Verbands der österreichischen Entsorgungsbetriebe. Dennoch spürt auch die heimische Wirtschaft die Auswirkungen – in Form eines drastischen Preisverfalls für Recycle-Material.
„Die Preise auf dem Markt sind in wenigen Wochen um mehr als 50 Prozent gefallen“, so Roth weiter. Erhielt man vor einem Jahr für transparente Folien – die höchste Qualität bei Kunststoffabfällen – noch 600 Euro je Tonne, sind es inzwischen nur mehr 200 Euro. Bei bunten Folien waren es vor einem Jahr noch 250 Euro. „Heute bekommt man dafür gar nichts mehr.“
Die Leidtragenden sind in erster Linie jene Industriebetriebe, bei denen der Kunststoffabfall anfällt. Denn diese konnten ihn bis vor Kurzem noch um gutes Geld an die Entsorger verkaufen. Nun bricht dieses Geschäft weg. Aber auch die Entsorger kommen zunehmend unter Druck, während die Recyclingfirmen bislang profitieren. Denn noch können sie für ihre Produkte gute Preise verlangen, während sie für ihre Rohstoffe fast nichts mehr bezahlen müssen.
Mittelfristig wird sich der Preisverfall jedoch allgemein durchsetzen. Und das dürfte dann dazu führen, dass das Geschäft mit dem Müll grundsätzlich nicht mehr so lukrativ ist. Da der Abfall dennoch weggebracht werden muss, sind Gebührenerhöhungen die logische Folge. „Bei den Haushalten steht das derzeit noch nicht an, könnte heuer aber noch kommen“, so Roth.
Aber auch abseits der Preisfrage sorgt die Kunststoffmüllflut zunehmend für Probleme. Um sich des Abfalls zu entledigen, wird heute in Europa wesentlich mehr verbrannt als noch vor wenigen Monaten. Die Lage habe sich in den vergangenen Jahren vollständig gewandelt, so Roth. „Vor nicht einmal zehn Jahren hatten wir das Problem, genügend Brennstoff zu bekommen. Jetzt haben wir das Problem, dass es nicht genügend Verbrennungsanlagen gibt.“
Eine Situation, die sich aufgrund von EU-Gesetzen in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird. Denn während in Österreich das Deponieren von Müll bereits seit Jahren verboten ist, wird es in 23 von 28 Ländern immer noch gemacht. Bis 2025 soll diese Zahl auf fünf sinken. Ganz Mitteleuropa wird dann ohne Deponien sein.
Diese zusätzlichen Müllberge müssten dann ebenfalls verbrannt, oder – was vorteilhafter wäre – rezykliert werden. Damit dies auch geschieht, müssten laut Roth die Hersteller stärker in die Pflicht genommen werden. Sie sollten beim Produktdesign stärker auf die Wiederverwertbarkeit achten und sich auch bei der Rücknahme noch stärker einbringen müssen.