Ein klingender Ruf ins All
Die internationalen Barocktage Stift Melk feiern 40 Jahre ihres Bestehens und präsentieren internationale Größen der barocken Musik. Das heurige Motto: „Il Suono dell’Universo: Die Schöpfung und ihre Naturgewalten“.
Vivaldi, Händel oder Telemann – sie alle vertonten Stürme, Winde, Wellen der Liebe und des Aufbegehrens. Oft waren die Komponisten selbst auf Reisen und erlebten die Naturgewalten, die Musik des Universums, am eigenen Leib. Man könnte das heurige Motto der Barocktage aber auch als Reise durch die Zeit, die inneren Gefühlen und den Ursprung des Lebens sehen. Pfingsten als Zeit der Reflexion inspirierte schon seit jeher, sich den essenziellen Fragen des Lebens zu stellen. Über das Motto des heurigen Festivals sagt der künstlerische Leiter, Michael Schade: „Man macht sich bewusst, wie klein unsere Welt und wie groß unser Universum ist. Der Klang des Universums ist wie ein einladendes Lied, unser ,Ich‘ zu reflektieren.“Wo könne das, so Schade, besser geschehen als im Stift selbst, seit Jahrhunderten Sitz der Benediktiner und damit zentraler Ort des Denkens, des Wissens und des Studierens.
Nächtliche musikalische Spaziergänge, Matineen, Streitgespräche, Konzerte für die Kleinen sowie ein Mix aus Moderne und Barock stehen auch heuer wieder auf dem Programm der Internationalen Barocktage, die heuer 40 Jahre Pfingstkonzerte feiern.
Als festlichen Rahmen wird der Concentus Musicus Wien unter Stefan Gottfried sowohl das Eröffnungskonzert am 18. Mai als auch das Abschlusskonzert am Pfingstmontag gestalten. Das Residenzorchester der Internationalen Barocktage wird als Auftakt Joseph Haydns „Die Schöpfung“präsentieren. Als Solisten wird Michael Schade selbst gemeinsam mit Florian Bösch, Anna Lucia Richter und dem Salzburger Bachchor zu erleben sein. Ein ungewöhnlicher Auftakt für ein Barockfestival? Schade ist es ein persönliches Anliegen, das Erbe Harnoncourts, des Gründers des Concentus Musicus, weiterzutragen: „Harnoncourt hat uns gelehrt, dass jedes Stück, egal ob Klassik oder Romantik, seine Wiege im Barock hat.“
Heuer ist das Stift vor allem Ort des Austausches – Haydns monumentalem Oratorium folgt ein wissenschaftlich-theologischer Diskurs nach der Frage zum Ursprung des Lebens (siehe Artikel unten). Stürme von Vivaldi, Locke und Händel kommen vom kroatischen Barockensemble unter der Leitung der Geigerin Laura Vadjon. „Sie werden diese wahnsinnigen Stürme spielen, die wir brauchen, um überhaupt in das neue Land zu kommen“, sagt Schade.
Das neue Land ist Argentinien. Aus Argentinien nämlich stammen zahlreiche Barockmusiken und Weltstar Mezzosopran Bernarda Fink, die erstmals in Melk zu erleben ist. Gemeinsam mit dem Bach Consort Wien unter Ruben´ Dubrovsky lädt sie zu einer musikalischen Spurensuche: Durch die Alte Welt im Lateinamerika des 16. Jahrhunderts, beeinflusst von afrikanischen Sklaven und spanischen Eroberern, hin zur neuen Welt, in der viele der barocken Melodien noch in den Volksmusiken enthalten sind.
Zu Gast sind heuer auch Musiker von William Christies weltbedeutenden Les Arts Florissants. Barockgeiger Hiro Kurosaki, der dem Ensemble viele Jahre als Kon- zertmeister vorstand, wird in einer Matinee das barocke Frankreich des Sonnenkönigs wieder aufleben lassen und gemeinsam mit Clement´ Geoffroy am Cello Werke von Couperin, Lambert und Clerambault´ präsentieren.
Wichtig ist Schade, bei der Programmierung seines Festivals nicht museal zu denken: „Das Geniale ist, wenn man Musik nimmt und sie so sprechen lässt, als wäre sie gerade erst komponiert worden. Man muss dieses Feuer immer wieder anzünden.“
Seit 2016 fester Programmpunkt bei den Barocktagen ist daher OffRoad Barock, eine Crossover-Schiene, die zeitgenössische Interpretationen alter Musik ins Zentrum rückt. Echo-Preisträger und Jazzbassist Dieter Ilg wird seine Bearbeitungen von Werken Bachs und Händels am Pfingstmontag zum Besten geben.
Im Rahmen von Barocktage für Kinder wird das junge Publikum mit „Mäuschen Max“in Berührung kommen.
Ein Anliegen, das Schade besonders wichtig ist, ist die Förderung junger Künstler.
Das Preisträgerkonzert Stella Juventutis wird dieses Jahr der Gewinner des Johann-HeinrichSchmelzer-Wettbewerbs 2017, Blockflötist Maximilian Volbers, gestalten. Er wird sich gemeinsam mit Christoph Urbanetz an der Viola da Gamba und Andreas Gilger am Cembalo mit dem Weltbild des 18. Jahrhunderts auseinandersetzen. „Ich möchte junge, interessante Menschen fördern. Das Feuer muss schließlich weitergetragen werden“, so Schade.
Bleibt eine Frage: Wohin wird die Reise als Nächstes gehen?
Geht es nach dem Intendanten, so soll das Festival noch größer und noch internationaler werden: „Nur weil wir heuer 40 Jahre Barocktage feiern und groß denken, heißt das nicht, dass wir uns nächstes Jahr zurücklehnen.“Michael Schade, der von sich selbst behauptet, er sei ein begeisterter Kulturmitdenker, erklärt: „Es gibt ja nix Faderes als Gemütlichkeit, außer man sitzt im Wirtshaus.“