Mahnwache für Chico: Ihr habt Christus durch den Hund ersetzt
Fragen an unsere Meinungsführer, die die Verhöhnung und Ausgrenzung der angestammten Religion vorantreiben.
I ch sitze in Moldawien und starre ein Foto aus Deutschland an. Es zeigt 80 aufgebrachte Demonstranten, die in Hannover für Chico demonstrieren. Chico war ein Staffordshire-Terrier-Mischling, der seinen Besitzer und dessen im Rollstuhl sitzende Mutter zerfleischt hat. 300.000 haben online gegen Chicos Einschläferung unterschrieben, für die 80 Protestierer war „Chico unser Held, unser Freiheitskämpfer“. Es ist ein unsicherer Trost, dass die „Mahnwache für Chico“etwas Randständiges ausstrahlt. Die volltätowierten Arme, Hälse und Köpfe auf dem Foto, gehören die nicht auch schon in die Mitte der Gesellschaft?
Wenig deutet darauf hin, dass Österreich viel besser dran ist. Laut der heurigen Glaubensstudie von Beutelmeyer-Market glauben 64 Prozent der Österreicher, dass „auch Tiere eine Seele haben“. Parallel dazu ist katholische Gläubigkeit signifikant eingebrochen: Inzwischen glauben mehr wahlberechtigte Österreicher an Schamanen (22 Prozent) und Zauberer (15 Prozent) als daran, dass „Priester und Bischöfe eine besondere Beziehung zu Gott herstellen können“(zwölf Prozent).
Ein Außerirdischer, der von Österreich nur diese Studie kennt, müsste zum Schluss kommen, dass der typische Österreicher heidnischen Kulten anhängt, dass sonst Hinduismus und Buddhismus dominieren und dass Katholiken eine kleine Minderheit bilden. Die populärsten Versatzstücke des zusammengeklaubten Neuglaubens haben gemein, dass sie keine Bindung einfordern: Karma, Wünschelruten, Homöopathie, energetische Reinigung.
Meine Kirche hingegen hält nicht einmal mit der Zahl der Landsleute mit, die meinen, nach dem Tod als anderes Lebewesen wiedergeboren zu werden. Dabei gibt sie es eh schon so billig. Manche Predigt stellt Gott als Inhaber einer Tankstelle zum kostenlosen „Auftanken“vor, und mancher Firmlehrer findet es ausreichend, wenn sich seine Firmlinge ein paar von den Zehn Geboten zum Lernen aussuchen. E s liegt mir fern, brave Hundehalter zu kränken, darum geht es nicht, die Achtung aller Geschöpfe ist urchristlich. Neurotische, in Menschenhass gewendete Tierliebe halte ich jedoch für den interessantesten Bestandteil der konfusen, technisch-paganistischen Zivilreligion unserer Tage. Die Verehrung des Tieres tritt in jenen Ländern am markantesten auf, die üblicherweise an der Spitze von Fortschritt und Vereinzelung stehen, in Ländern wie Holland. Im kinderlosen Italien (61 Millionen Italiener, 60 Millionen Haustiere) wurde erstmals Pflegeurlaub für einen Hund bewilligt.
Ich sitze derweil in Moldawien und erfreue mich daran, dass es selbst im orthodoxesten Land der Welt eine kleine katholische Kirche gibt. Ein bronzener Johannes Paul II. sitzt davor, spitzbübisch von der Parkbank lächelnd. In der Messe stimmt der Priester „Gloria in excelsis Deo“an, und zwei Dutzend Gläubige stimmen auf Russisch ein, ohne Liederbuch, erhebend. Ich kriege es nicht in den Kopf, wie man diese Schönheit für die Bestie Chico aufgeben kann.
Mir ist schon klar, Aberglaube hat auch früher den Glauben überlagert. Doch will ich unsere Meinungsführer, die die Verhöhnung und Ausgrenzung der angestammten Religion vorantreiben, fragen: Seid ihr mit dem Erreichten zufrieden? Gefällt euch die Vorstellung, dass dieses Gulasch im Großhirn die Macht übernimmt? Glaubt ihr, dass eine solche Zivilisation überlebt?