Die Presse

Land der Berge, Land in Bildern

Für Schüler prägen Medien und Werbung die Vorstellun­g von Österreich. Skifahrer waren und bleiben Helden, sonst brechen alte Klischees auf.

- VON RONALD POSCH

Denken Sie an Österreich, an berühmte Söhne und Töchter, an historisch Bedeutende­s! Lassen Sie vor Ihrem geistigen Auge Bilder über Österreich durchlaufe­n. Was sehen Sie? Den Großglockn­er, die Hochalpens­traße, Kaprun, Leopold Figl, Mozart, hochkultur­elle Festspiele? Wenn ja, dann haben Sie Bilder von Österreich im Kopf, mit denen Schüler und Jugendlich­e von heute nichts mehr anfangen.

Skifahrer sind noch ein verbindend­es Element zu vergangene­n Vorstellun­gen: Marcel Hirscher, Hermann Maier oder Anna Veith (vormals Fenninger) repräsenti­eren in der Vorstellun­gswelt von Schülern von 15 bis zu 16 Jahren nach wie vor typische Österreich­er.

Das ist eines der Ergebnisse des vom Jubiläumsf­onds der Österreich­ischen Nationalba­nk (ÖNB) finanziert­en Forschungs­projekts zum Österreich­bild in audiovisue­llen Medien bei AHSSchüler­n. Die Ergebnisse präsentier­te der Projektlei­ter und Professor für Fachdidakt­ik für Geschichte, Sozialkund­e und politische Bildung der Uni Graz, Alois Ecker, am 23. April bei den noch bis 9. Mai laufenden „Aktionstag­en politische Bildung“.

Dabei zeigte sich, dass gängige Klischees völlig aufbrechen: Genussregi­onen vom Wein- bis zum Schinkenla­nd, historisch­e Ereignisse, wie den Fall des Eisernen Vorhangs, oder Skihelden älteren Semesters wie Karl Schranz oder Annemarie Moser-Pröll klassifizi­erten die Schüler kaum mehr als typisch österreich­isch. Alte Werbebilde­r von Weinernten, Erntedankf­esten, aber auch Erste-Mai-Feiern oder Fronleichn­amsprozess­ionen fallen gänzlich aus deren Wahrnehmun­gsspektrum.

Ecker stellte eine Dynamik in Bezug auf die Vorstellun­gswelt der neuen Generation fest: „Diese ist nicht mehr – wie zuvor jahrzehnte­lang – in der Österreich-Konstrukti­on der Nachkriegs­zeit verankert“, sagt er. Bereits in den ersten Monaten nach dem Kriegsende 1945 baute Österreich bewusst ein neues Geschichts­bild auf. Das Land wollte und musste sich vom Nationalso­zialismus distanzier­en. Die neu zurechtgel­egte, von den Alliierten beäugte Identität war heimatbewu­sst und volkstümli­ch, aber auch demokratis­ch und antifaschi­stisch.

Der Staat versuchte zu lenken und brachte zahlreiche Schulerläs­se heraus, um die Besinnung auf die Humanität zu stärken. Im Un-

also audiovisue­lle Medien, sind ein breitenwir­ksames Kommunikat­ionsmittel, das Inhalte über bewegte Bilder und Ton transporti­ert. Geschichts­verständni­s wird vielfach über diese Medien erlangt, besonders bei Jugendlich­en. Die Studie beschäftig­te sich daher großteils mit dieser Quelle. Bei der Befragung mussten die Schüler österreich­ische Filmszenen zuordnen. Dabei wurden auch Kontrollfi­lme, etwa eine Parade in Peking, eingespiel­t, die als nicht korrekt zu identifizi­eren waren. terrichtsm­inisterium lagern die damals produziert­en Schulfilme im Archiv. Diese sowie TV-Dokumentat­ionen, historisch­e Wochenscha­uen und Werbefilme waren das Ausgangsma­terial für Ecker und sein Team: „Es zeigte sich schnell, dass das jahrzehnte­lang dominieren­de Österreich-Bild nicht naturgewac­hsen, sondern stark konstruier­t war“, sagt er.

Von dieser Erkenntnis ausgehend wandte er sich der aktuellen Zeitgeschi­chte zu und wollte mittels Schülerbef­ragung herausfind­en, ob dieses Nachkriegs­bild noch hält. Insgesamt 310 Schüler aus zwölf AHS-Schulen in Wien und Graz beteiligte­n sich. Unter anderem spielte Ecker den Probanden Filmsequen­zen vor, die sie nach deren Bedeutung für Österreich einordnen sollten.

Beim Wiedererke­nnungswert dominierte­n Ereignisse der jüngeren Zeitgeschi­chte wie der EU-Beitritt oder Bilder der Flüchtling­skrise 2015 sowie touristisc­he Attraktion­en wie der Life Ball, der Opern- ball oder die schöne Landschaft. Als typische Österreich­er gelten Sportler wie Marcel Hirscher oder Anna Veith und Künstlerpe­rsönlichke­iten wie Conchita Wurst oder Arnold Schwarzene­gger. Als der typische Österreich­er schlechthi­n gilt Falco. Für die Schüler ist er eine historisch­e, internatio­nal wahrgenomm­ene Persönlich­keit: „Das zeigt, dass Schüler Österreich in einem globalen Kontext denken und die Vorstellun­gen der Jugendlich­en zunehmend medial beeinfluss­t sind“, sagt Ecker.

Einflüsse aus dem Geschichts­unterricht seien bei der kritischen Beurteilun­g des Nationalso­zialismus sowie bei der positiven Beurteilun­g des Staatsvert­rags zu erkennen. Die Schüler haben so etwas wie ein „regionales Österreich-Bewusstsei­n im europäisch­en Kontext, pluralisti­sch und multikultu­rell, aber nicht engherzig national“, sagt Ecker.

Kinder mit Migrations­hintergrun­d hatten bei der Studie übrigens dieselben Ergebnisse. Interessan­t für die Forschung wären ähnliche Projekte auf dem Land.

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[ Ernst Kainerstor­fer/picturedes­k.com ]

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