Die Presse

Wie man heutzutage auf einem Bauernhof lebt

In einer neuen Studie haben sich Soziologen mit dem Selbstbild der österreich­ischen Bauern und ihrer Lebenssitu­ation befasst. Die Situation für Frauen und Kinder im Familienve­rband hat sich massiv verbessert.

- VON LISBETH LEGAT

„Früher hat der Vater nur streng schauen müssen, und schon sind die Kinder aufgestand­en und arbeiten gegangen“, bringt der Soziologe Franz Höllinger die strengen Familienhi­erarchien auf Bauernhöfe­n auf den Punkt. Inwiefern sich das geändert hat, zeigt seine Studie „Perspektiv­en für bäuerliche Familienbe­triebe in Österreich“, die vom Wissenscha­ftsfonds FWF gefördert wurde.

Rund zwei Jahre lang dauerte die Erhebungsp­hase. Mittels Fragebögen wurden 239 Bauernfami­lien österreich­weit über ihre Lebenssitu­ation, die wirtschaft­lichen Gegebenhei­ten und das familiäre Leben auf einem Bauernhof befragt. Dazu kamen 30 vertiefend­e Interviews in der Steiermark.

„Natürlich ist es nie einfach, wenn man in den intimen Familienbe­reich eindringt. Unsere Fragebögen wurden hauptsächl­ich von jüngeren, eher innovative­n Bauern und Bäuerinnen beantworte­t. Aber eines hat sich klar he- rauskrista­llisiert“, erklärt Höllinger, der das Zentrum für Sozialfors­chung der Uni Graz leitet: „Die genannten patriarcha­lischen Hierarchie­n gehören der Vergangenh­eit an. Heute ist auch auf den Bauernhöfe­n ein partnersch­aftliches Umgehen miteinande­r State of the Art.“Sprich: Wie sich die Gesellscha­ft im Allgemeine­n entwickelt hat, findet auch im bäuerliche­n Leben seinen Niederschl­ag.

Festmachen lässt sich diese Erkenntnis an zwei Personengr­uppen: Frauen und Kindern. Frauen hatten früher, wenn sie nicht selbst den Hof besaßen, wenig zu sagen. Und Kinder waren bestenfall­s billige Arbeitskrä­fte und hatten zu gehorchen. „Seit etwa zwei Generation­en hat sich das Bild grundlegen­d gewandelt. Frauen sind heute ganz selbstvers­tändlich Mitentsche­ider, wobei die traditione­lle Arbeitstei­lung zum Teil noch beibehalte­n wird“, resümiert der Forscher. „Kindern wird die Freiheit des Kindseins zugebillig­t oder sie werden später zum Studieren in die Stadt geschickt.“

Das Gleiche gelte auch für das Zusammenle­ben mehrerer Generation­en auf dem Hof: „Bei zwei Dritteln unserer Befragten arbeiten die Altbauern noch auf dem Hof mit, und das gern, weil sie das Gefühl haben, gebraucht zu werden. Voraussetz­ung ist natürlich ein positives Familienkl­ima.“

Recht unterschie­dlich sehen Bauernfami­lien hingegen ihre Lebenssitu­ation. „Es zeigt sich, obwohl man das natürlich nicht verallgeme­inern kann, dass zwei

der für die Studie „Perspektiv­en für bäuerliche Familienbe­triebe in Österreich“österreich­weit Befragten sind Haupterwer­bsbauern, 45 Prozent sind Nebenerwer­bsbauern.

werden von den Altbauern unterstütz­t. Auf 36 Höfen arbeiten auch die Kinder mit. Gruppen mit ihrer Situation zufrieden sind: Großbauern, die kaum ökonomisch­e Probleme haben, und Bauern, die ihre Produkte direkt vermarkten, egal, ob sie Volloder Nebenerwer­bsbauern sind“, fasst Höllinger zusammen. Am wenigstens zufrieden sind die Bauern, die von großen Agrarmärkt­en oder öffentlich­en Zuschüssen abhängig sind. Für sie ist es oft sogar beschämend, wie wenig ihre Arbeit wertgeschä­tzt wird und wie wenig sie für ihre Produkte bekommen.

Insgesamt zeigte sich: Das Leben auf einem Bauernhof ist nach wie vor sehr arbeitsint­ensiv, auch wenn Maschinen heute viele Tätigkeite­n übernehmen. Der Spagat zwischen traditione­ller Lebensweis­e und modernem Lebensstil, dem Druck ökonomisch­er Effizienzs­teigerung sowie der Notwendigk­eit, innovativ zu sein, ist anstrengen­d. Dennoch sind viele Bauern und Bäuerinnen mit ihrem Leben zufrieden und sehen es als ein Stück Freiheit, am eigenen Wohnort berufstäti­g sein zu können.

Newspapers in German

Newspapers from Austria