Von der Lotosblume zum Kfz-Motor
Der in der Natur beobachtete wasserabweisende Effekt kann auch in der Technik eingesetzt werden – etwa bei der Oberflächengestaltung von Kupplungssystemen.
Sie sind zwar Wasserpflanzen, ihre Blätter nehmen aber kein Wasser auf. Die Lotosblumen werden in Teilen Asiens symbolisch als Zeichen der Reinheit und Frische gesehen, weil die Blätter nicht nur Wassertropfen abperlen lassen, sondern auch Schmutz abweisen – wie dies auch in der Bezeichnung „Lotoseffekt“zum Ausdruck kommt. Der Physiker und Systemwissenschaftler Alexander Diem möchte bei seinen Konstruktionsarbeiten zur Oberflächengestaltung eben „ähnliche Effekte erzielen, wie diese bei Lotosblüten und deren hydrophoben Eigenschaften auftreten“.
Alexander Diem leitet die Forschungsabteilung Tribo-Design bei V-Research GmbH in Dornbirn (Vorarlberg). Er ist mit seinem Team wissenschaftlicher Partner in dem seit 2009 bestehenden, von Technologie- und Wissenschaftsministerium im Cometprogramm geförderten K2-Zentrum Excellence Center of Tribology. In einer Forschungskooperation mit dem in Dornbirn ansässigen Autozulieferer Henn wird ein neues Verbindungselement für den automativen Bereich entwickelt, das im Speziellen bei Kupplungssystemen eingesetzt werden soll.
Die von der Firma Henn – laut Diem ein „stark wachsender Hidden Champion“– entwickelten Konnektoren werden weltweit in der Kfz-Industrie eingesetzt. Diese Verbindungselemente müssen Anschlüsse im Kfz-Motor zuverlässig sicherstellen, etwa zwischen Turbolader und dem Zu- und Abführungsluftschlauch oder zwischen dem Wasserkühler und dem Wasserschlauch. Im Prinzip wird derzeit die Verbindung mit Schellen und Verschraubungen hergestellt. Der Anschluss wird besser, je stärker die Dichtung auf die Dichtfläche drückt. Zudem erfolgt die Verbindung zwischen unterschiedlichen Werkstoffen, etwa zwischen Silikonen und Edelstahl.
Allerdings: Der Anpressdruck kann nicht beliebig erhöht werden, da mit diesem auch die Reibkraft steigt, also die Kraft, die notwendig ist, um die Dichtung bei der Montage zusammenzustecken. Die Anpresskraft muss daher so hoch wie möglich, die Steckkraft aber so niedrig wie möglich gestaltet werden. „Im automotiven Bereich kommen noch weitere Anforderungen wie hohe Temperaturen, chemische Beständigkeit, Vibrationen und die Ausfallssicherheit dazu“, sagt Alexander Diem.
Der Lotuseffekt hat den 46-jährigen Techniker angehalten, die Oberflächenstrukturierung der
die Reibungslehre, befasst sich mit den Reibungskräften zwischen zwei Oberflächen. Werden diese reduziert, können Einsparungen beim Energieeinsatz erzielt werden.
in Dornbirn, Teil des Forschungsnetzwerks ACR, entwickelt im Projekt Tribo-Design die Optimierung von Verbindungselementen in Kfz-Motoren. Dabei geht es um die Oberflächenstrukturierung der neuen Dichtungen. Verbindungselemente unter die Lupe zu nehmen. Es gebe, so Diem, enorm viele Möglichkeiten, die Oberflächen der Dichtfläche – einem Gummiteil – zu strukturieren bzw. in geeigneter Weise zu beschichten. In den Versuchsreihen wurden die verschiedenen Varianten bis hin zum Lösungsmodell des Oberflächendesigns reduziert. Mit der neu gestalteten Werkzeugform fällt auch der zusätzliche Fertigungsschritt der Beschichtung weg. Dieses Design darf natürlich die Funktionalität der Dichtung nicht beeinträchtigen.
Die Gummiteile benötigen nun nicht mehr die derzeit noch verwendeten zusätzlichen Gleitlacke. Das Verbindungselement kann – mit der neuen Oberflächenstrukturierung – in einem Spritzgussverfahren hergestellt werden. Das Verfahren will der Automobilzulieferer Henn (nach allen erforderlichen Prüfungen) durchgängig einsetzen.
Für Alexander Diem stehen tribologische Systeme bzw. die (Aus-) Wirkung der Reibung auf Oberflächen seit mehr als zehn Jahren im Fokus seiner Forschung. Vor zwei Jahren war er im Forscherteam von V-Research, das einen riesigen schattenspendenden Schirm mit einer Höhe von 30 Metern und einer Spannweite von 53 Metern für die große Moschee in Mekka entwickelt hat. Dabei ging es darum, die Bewegungen der acht Teleskoparme ohne Schmiermittel zu gewährleisten. Übliche Schmieröle würden bei einem Sonnenschirm dieser Dimension unweigerlich zu einer Verschmutzung der Gleitflächen führen.