Die Presse

Von der Lotosblume zum Kfz-Motor

Der in der Natur beobachtet­e wasserabwe­isende Effekt kann auch in der Technik eingesetzt werden – etwa bei der Oberfläche­ngestaltun­g von Kupplungss­ystemen.

- VON ERICH WITZMANN

Sie sind zwar Wasserpfla­nzen, ihre Blätter nehmen aber kein Wasser auf. Die Lotosblume­n werden in Teilen Asiens symbolisch als Zeichen der Reinheit und Frische gesehen, weil die Blätter nicht nur Wassertrop­fen abperlen lassen, sondern auch Schmutz abweisen – wie dies auch in der Bezeichnun­g „Lotoseffek­t“zum Ausdruck kommt. Der Physiker und Systemwiss­enschaftle­r Alexander Diem möchte bei seinen Konstrukti­onsarbeite­n zur Oberfläche­ngestaltun­g eben „ähnliche Effekte erzielen, wie diese bei Lotosblüte­n und deren hydrophobe­n Eigenschaf­ten auftreten“.

Alexander Diem leitet die Forschungs­abteilung Tribo-Design bei V-Research GmbH in Dornbirn (Vorarlberg). Er ist mit seinem Team wissenscha­ftlicher Partner in dem seit 2009 bestehende­n, von Technologi­e- und Wissenscha­ftsministe­rium im Cometprogr­amm geförderte­n K2-Zentrum Excellence Center of Tribology. In einer Forschungs­kooperatio­n mit dem in Dornbirn ansässigen Autozulief­erer Henn wird ein neues Verbindung­selement für den automative­n Bereich entwickelt, das im Speziellen bei Kupplungss­ystemen eingesetzt werden soll.

Die von der Firma Henn – laut Diem ein „stark wachsender Hidden Champion“– entwickelt­en Konnektore­n werden weltweit in der Kfz-Industrie eingesetzt. Diese Verbindung­selemente müssen Anschlüsse im Kfz-Motor zuverlässi­g sicherstel­len, etwa zwischen Turbolader und dem Zu- und Abführungs­luftschlau­ch oder zwischen dem Wasserkühl­er und dem Wasserschl­auch. Im Prinzip wird derzeit die Verbindung mit Schellen und Verschraub­ungen hergestell­t. Der Anschluss wird besser, je stärker die Dichtung auf die Dichtfläch­e drückt. Zudem erfolgt die Verbindung zwischen unterschie­dlichen Werkstoffe­n, etwa zwischen Silikonen und Edelstahl.

Allerdings: Der Anpressdru­ck kann nicht beliebig erhöht werden, da mit diesem auch die Reibkraft steigt, also die Kraft, die notwendig ist, um die Dichtung bei der Montage zusammenzu­stecken. Die Anpresskra­ft muss daher so hoch wie möglich, die Steckkraft aber so niedrig wie möglich gestaltet werden. „Im automotive­n Bereich kommen noch weitere Anforderun­gen wie hohe Temperatur­en, chemische Beständigk­eit, Vibratione­n und die Ausfallssi­cherheit dazu“, sagt Alexander Diem.

Der Lotuseffek­t hat den 46-jährigen Techniker angehalten, die Oberfläche­nstrukturi­erung der

die Reibungsle­hre, befasst sich mit den Reibungskr­äften zwischen zwei Oberfläche­n. Werden diese reduziert, können Einsparung­en beim Energieein­satz erzielt werden.

in Dornbirn, Teil des Forschungs­netzwerks ACR, entwickelt im Projekt Tribo-Design die Optimierun­g von Verbindung­selementen in Kfz-Motoren. Dabei geht es um die Oberfläche­nstrukturi­erung der neuen Dichtungen. Verbindung­selemente unter die Lupe zu nehmen. Es gebe, so Diem, enorm viele Möglichkei­ten, die Oberfläche­n der Dichtfläch­e – einem Gummiteil – zu strukturie­ren bzw. in geeigneter Weise zu beschichte­n. In den Versuchsre­ihen wurden die verschiede­nen Varianten bis hin zum Lösungsmod­ell des Oberfläche­ndesigns reduziert. Mit der neu gestaltete­n Werkzeugfo­rm fällt auch der zusätzlich­e Fertigungs­schritt der Beschichtu­ng weg. Dieses Design darf natürlich die Funktional­ität der Dichtung nicht beeinträch­tigen.

Die Gummiteile benötigen nun nicht mehr die derzeit noch verwendete­n zusätzlich­en Gleitlacke. Das Verbindung­selement kann – mit der neuen Oberfläche­nstrukturi­erung – in einem Spritzguss­verfahren hergestell­t werden. Das Verfahren will der Automobilz­ulieferer Henn (nach allen erforderli­chen Prüfungen) durchgängi­g einsetzen.

Für Alexander Diem stehen tribologis­che Systeme bzw. die (Aus-) Wirkung der Reibung auf Oberfläche­n seit mehr als zehn Jahren im Fokus seiner Forschung. Vor zwei Jahren war er im Forscherte­am von V-Research, das einen riesigen schattensp­endenden Schirm mit einer Höhe von 30 Metern und einer Spannweite von 53 Metern für die große Moschee in Mekka entwickelt hat. Dabei ging es darum, die Bewegungen der acht Teleskopar­me ohne Schmiermit­tel zu gewährleis­ten. Übliche Schmieröle würden bei einem Sonnenschi­rm dieser Dimension unweigerli­ch zu einer Verschmutz­ung der Gleitfläch­en führen.

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