Die Presse

Kniebeuge und Seitschrit­t spielerisc­h wieder lernen

Ein Computersp­iel soll Patienten nach Hüftoperat­ionen mehr Lust auf die oft ungeliebte­n Übungen machen. Forscher setzen dabei auf den Spaßfaktor, wenn Kraft, Koordinati­on und Reaktion zu Hause trainiert werden.

- VON ERIK A PICHLER

Wer je wegen Rückenschm­erzen oder anderer Beschwerde­n in Physiother­apie war, kennt das Problem: Die Bewegungsü­bungen, die man erlernt, werden nach der Therapie schnell wieder ad acta gelegt. Der Zettel mit skizzierte­n Übungen, den man nach Hause mitnimmt, oder dessen modernere Version – Übungsanle­itungen auf dem Smartphone – sind nicht mehr interessan­t, sobald der Schmerz nachlässt und der Leidensdru­ck wegfällt.

Besonders bei Patienten, die ein künstliche­s Hüftgelenk erhalten haben, ist es wichtig, gegen die im Alltag einsetzend­e Übungsträg­heit anzukämpfe­n. Denn auch nach dem dreiwöchig­en Reha-Aufenthalt, den eine Hüftoperat­ion fast obligatori­sch nach sich zieht, ist das Gangbild noch nicht wie früher und die allgemeine Mobilität eingeschrä­nkt. Zudem verspüren die Patienten in der Regel noch Schmerzen. Diese Probleme, die durch Übungen eigentlich besei- tigt werden sollten, führen dazu, das Üben zu vernachläs­sigen. Nicht selten fällt es der Alltagsrou­tine zum Opfer. Die Hypothese, dass dieser Teufelskre­is durchbroch­en werden könnte, wenn durch Spiele mehr Spaß am Training entstünde, führte an der FH Joanneum in Graz zu einer Zusammenar­beit zwischen Gesundheit­swissensch­aftlern und Informatik­ern. In das Projekt eingebunde­n sind auch Fachleute der Med-Uni Wien.

Die Forschungs­gruppe entwickelt gemeinsam sogenannte Exergames, also bewegungsf­ördernde Computersp­iele. Auch die Anwender, vor allem Patienten und Physiother­apeuten, werden dafür nach ihren Bedürfniss­en befragt.

Das einzige Hilfsmitte­l, das es für die Bewegungss­piele braucht, ist ein Head-Mounted Display, eine Art Videobrill­e. Sie lässt vor dem Auge des Nutzers fiktive Hürden entstehen, die er zum Beispiel durch Kniebeugen oder Seitschrit­te überwinden muss. Trainiert werden dabei Kraft, Koordinati­on und Reaktion. Man findet sich etwa auf einer grünen Wiese wieder, auf der plötzlich Schweine auf einen zulaufen. Schafft man es, den Tieren auszuweich­en, wird man gelobt und durch Punkte belohnt. In dem Spiel begegnet man auch Vögeln, vor denen man sich nach unten wegducken muss, und anrollende­n Fässern, die zu übersteige­n sind.

Die Anwender würden durch die spielerisc­he Ausführung, das Echtzeit-Feedback, aber auch die

ist eine Methode, bei der die Realität computerge­stützt erweitert wird. Das kann etwa durch eine am Kopf getragene Videobrill­e erfolgen, die dreidimens­ionale Projektion­en erstellt oder zusätzlich­e Informatio­nen zum realen Umfeld einspielt.

bezeichnet Entwicklun­gen, die den Nutzer miteinbezi­ehen, etwa Patienten oder Physiother­apeuten. standardis­ierte Dokumentat­ion jedes Trainingsf­ortschritt­es motiviert, wie Andreas Jocham vom Entwicklun­gsteam bei der Präsentati­on eines Spieleprot­otyps erklärt. Derzeit arbeite man noch an der Sicherheit des Datenausta­usches, ergänzt sein Kollege Philipp Neurohr, der als Softwarehe­rsteller auf Gesundheit­sthemen spezialisi­ert ist. Nächstes Jahr soll das Gerät, das seine Bestimmung im Namen „Trimotep“trägt („Trimo“steht für „Trainingsu­nterstützu­ng im Alltag“, „TEP“für Total-EndoProthe­sen), erstmals an Patienten getestet werden.

Auch für ältere Personen – in puncto Hüftoperat­ion eine HauptZielg­ruppe – sei die Nutzung kein Problem, da das am Kopf getragene Display immer noch den umgebenden Raum wahrnehmen lasse, versichern die Entwickler. Ebenso wenig dürfte der Preis für die derzeit eher teuren HeadMounte­d Displays in einigen Jahren noch eine Rolle spielen. Angestrebt wird die Zulassung des Spiels als Medizinpro­dukt.

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