Kniebeuge und Seitschritt spielerisch wieder lernen
Ein Computerspiel soll Patienten nach Hüftoperationen mehr Lust auf die oft ungeliebten Übungen machen. Forscher setzen dabei auf den Spaßfaktor, wenn Kraft, Koordination und Reaktion zu Hause trainiert werden.
Wer je wegen Rückenschmerzen oder anderer Beschwerden in Physiotherapie war, kennt das Problem: Die Bewegungsübungen, die man erlernt, werden nach der Therapie schnell wieder ad acta gelegt. Der Zettel mit skizzierten Übungen, den man nach Hause mitnimmt, oder dessen modernere Version – Übungsanleitungen auf dem Smartphone – sind nicht mehr interessant, sobald der Schmerz nachlässt und der Leidensdruck wegfällt.
Besonders bei Patienten, die ein künstliches Hüftgelenk erhalten haben, ist es wichtig, gegen die im Alltag einsetzende Übungsträgheit anzukämpfen. Denn auch nach dem dreiwöchigen Reha-Aufenthalt, den eine Hüftoperation fast obligatorisch nach sich zieht, ist das Gangbild noch nicht wie früher und die allgemeine Mobilität eingeschränkt. Zudem verspüren die Patienten in der Regel noch Schmerzen. Diese Probleme, die durch Übungen eigentlich besei- tigt werden sollten, führen dazu, das Üben zu vernachlässigen. Nicht selten fällt es der Alltagsroutine zum Opfer. Die Hypothese, dass dieser Teufelskreis durchbrochen werden könnte, wenn durch Spiele mehr Spaß am Training entstünde, führte an der FH Joanneum in Graz zu einer Zusammenarbeit zwischen Gesundheitswissenschaftlern und Informatikern. In das Projekt eingebunden sind auch Fachleute der Med-Uni Wien.
Die Forschungsgruppe entwickelt gemeinsam sogenannte Exergames, also bewegungsfördernde Computerspiele. Auch die Anwender, vor allem Patienten und Physiotherapeuten, werden dafür nach ihren Bedürfnissen befragt.
Das einzige Hilfsmittel, das es für die Bewegungsspiele braucht, ist ein Head-Mounted Display, eine Art Videobrille. Sie lässt vor dem Auge des Nutzers fiktive Hürden entstehen, die er zum Beispiel durch Kniebeugen oder Seitschritte überwinden muss. Trainiert werden dabei Kraft, Koordination und Reaktion. Man findet sich etwa auf einer grünen Wiese wieder, auf der plötzlich Schweine auf einen zulaufen. Schafft man es, den Tieren auszuweichen, wird man gelobt und durch Punkte belohnt. In dem Spiel begegnet man auch Vögeln, vor denen man sich nach unten wegducken muss, und anrollenden Fässern, die zu übersteigen sind.
Die Anwender würden durch die spielerische Ausführung, das Echtzeit-Feedback, aber auch die
ist eine Methode, bei der die Realität computergestützt erweitert wird. Das kann etwa durch eine am Kopf getragene Videobrille erfolgen, die dreidimensionale Projektionen erstellt oder zusätzliche Informationen zum realen Umfeld einspielt.
bezeichnet Entwicklungen, die den Nutzer miteinbeziehen, etwa Patienten oder Physiotherapeuten. standardisierte Dokumentation jedes Trainingsfortschrittes motiviert, wie Andreas Jocham vom Entwicklungsteam bei der Präsentation eines Spieleprototyps erklärt. Derzeit arbeite man noch an der Sicherheit des Datenaustausches, ergänzt sein Kollege Philipp Neurohr, der als Softwarehersteller auf Gesundheitsthemen spezialisiert ist. Nächstes Jahr soll das Gerät, das seine Bestimmung im Namen „Trimotep“trägt („Trimo“steht für „Trainingsunterstützung im Alltag“, „TEP“für Total-EndoProthesen), erstmals an Patienten getestet werden.
Auch für ältere Personen – in puncto Hüftoperation eine HauptZielgruppe – sei die Nutzung kein Problem, da das am Kopf getragene Display immer noch den umgebenden Raum wahrnehmen lasse, versichern die Entwickler. Ebenso wenig dürfte der Preis für die derzeit eher teuren HeadMounted Displays in einigen Jahren noch eine Rolle spielen. Angestrebt wird die Zulassung des Spiels als Medizinprodukt.