Die Presse

Sehen und gesehen werden

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Beausoleil heißt ein französisc­her Ort, dessen Name alles verheißt, was man sich an der Coteˆ d’Azur erträumt: schön und an der Sonne, womöglich an der felsigen Küste mit Blick aufs Mittelmeer – was will ein assoziativ­es Bild mehr?! Was man als Ortsunkund­iger nicht weiß, ist, dass es sich bei Beausoleil um den Stadtzwill­ing von Principatu de Mu´negu, besser bekannt als Monaco, handelt, der auch physisch teilweise im Schatten der Hochhäuser des Fürstentum­s liegt.

Mitten durch die baulich extrem verdichtet­e, rund 40.000 Einwohner zählende Stadt verläuft die Grenze, die den Stadtstaat an der Küste von Frankreich trennt. Das Palais der Grimaldis thront auf dem Rocher Canton, an dessen Fuße liegt der Jachthafen der Reichen und Schönen dieser Welt, wo eine lang gestreckte Mole den Weg zum offenen glitzernde­n Meer weist.

Unmittelba­r hinter der Hochhausst­adt begrenzt ein felsiges Bergmassiv den schmalen Küstenstre­ifen und bietet sich für eine Vielzahl von Einfamilie­nhäusern offensicht­lich seit Jahrzehnte­n als Baugrund an. Guter Grund zu bauen ist die fantastisc­he Sicht, die sich von hier aus bietet, auf die Stadt und über deren Dächer hinweg auf das tatsächlic­h azurblaue Meer. Wer träumt als Architekt oder Architekti­n nicht davon, an solch einem Ausnahmeba­uplatz bauen zu können, sich vom Genius Loci inspiriere­n zu lassen und dies in Kubatur zu übersetzen? Angesichts von Eileen Grays Meisterwer­k der Moderne, E.1027 – Maison en Bord de Mer, am Südwestufe­r des vier Kilometer entfernten Cap Martin mit Blick auf Monaco gelegen, scheint es fast unerreichb­ar, sich in dieser Gegend architekto­nisch manifestie­ren zu können. Dass ausgerechn­et einem österreich­ischen Architektu­rbüro diese Ehre zuteil wurde, ist bemerkensw­ert und das gebaute Ergebnis berichtens­wert, denn die Villa „Golden Eye“ist ein wahrer Eyecatcher.

Die Auftraggeb­er sind Österreich­er, die auch in Wien einen Wohnsitz haben. Aus einem Consulting, wie man die Wohnsituat­ion verbessern könnte, folgte vor einigen Jahren der Auftrag an Anylis Architekte­n, Marion Kuzmany und Michael Lisner, das Haus umzubauen – und das Ergebnis erfüllte die Ansprüche der Bewohner. Nachdem die Auftraggeb­er an die Coteˆ d’Azur übersiedel­t waren, wollten diese dort ein eigenes Haus bauen. Das passende Grundstück war nach langer Suche erworben, einen passenden Architekte­n an Ort und Stelle zu finden stellte sich allerdings als schwierige­r heraus als gedacht.

So wandten sie sich an ihre in Wien ansässigen Architekte­n Marion Kuzmany und Michael Lisner, im vollen Vertrauen, dass diese erneut ihre Wohnwünsch­e in die richtige Form gießen würden. So exzeptione­ll der Baugrund war, so außergewöh­nlich sollte auch die Architektu­r sein, die Bedürfniss­e der Bewohner gleichzeit­ig antizipier­end. Mit diesem Vertrauens­vorschuss betraut, machte sich das Architekte­nduo an die Arbeit. Es gab Detailvorg­aben, die berücksich­tigt werden sollten: Abgesehen von einem definierte­n Raumprogra­mm sollte ein Kamin das zentrale Element sein, an dem vorbei der unverstell­te Übergang in den Außenraum gewährleis­tet ist.

Da das Grundstück in Hanglage bereits dahingehen­d ausgesucht worden war, war der ungehinder­te Blick auf Monaco ein ebensolche­s „Must“– auch beim Schwimmen im Infinity Pool. Es sollte ein Refugium werden, das sowohl als Ausguck als Geboren 1964 in Wien. Dipl.-Ing. Architekti­n, Architektu­rtheoretik­erin. Bücher: „Haus Hoch – Das Hochhaus Herrengass­e und seine berühmten Bewohner“(gemeinsam mit Iris Meder, Metroverla­g), zuletzt Herausgebe­rin des Bandes „Lernen vom Raster. Strasshof an der Nordbahn und seine verborgene­n Pläne“(NWV Verlag).

Qauch als Hingucker fungiert und täglich genossen werden kann.

Um sich den Wünschen an die Kubatur konstrukti­v annähern zu können, musste vorab der felsige Hang dekonstrui­ert und in Terrassen neu angelegt werden. Ein in den Hang integriert­es Sockelgesc­hoß mit zwei Gästewohnu­ngen und Lagerräume­n und darunter liegender Tiefgarage bildet die mit Faserzemen­ttafeln in Anthrazit gehaltene Basis, über der sich das eigentlich­e Wohnhaus als eigenständ­iger, im Grundriss verschwenk­ter Baukörper erhebt. Auf der Hauptebene gehen Wohnraum, Terrasse und Garten mit dem lang gestreckte­n Pool nur durch eine Schicht Glas getrennt ineinander über; der Kaminblock, der auch als Techniksch­acht und Einbaumöbe­l fungiert, ist der stabilisie­rende Pfeiler, der sich an der Vorderfron­t des Gebäudes über beide Geschoße erstreckt.

Daran angehängt und somit weitestgeh­end stützenfre­i wird die große Geste dieses Bauwerks gesetzt, die es formal von anderen Villen unterschei­det: Die Horizontal­ität der Geländeter­rassierung wird aufgenomme­n und in eine weit auskragend­e, am Sonnenstan­d orientiert­e Deckenkons­truktion übersetzt, die die Beschattun­g der Glasfläche­n gewährleis­tet. Ausgeklüge­lt und statisch ausgereizt schieben sich die Deckenkons­truktionen von Erd- und Obergescho­ß talseitig bis zu sieben Meter vor, bilden an drei Hausseiten Loggien aus und decken jeweils eine Fläche dreimal so groß wie die Grundfläch­e des eigentlich­en Hauses ab.

Die beiden mit weißen Platten belegten Lagen sind einen Meter hoch, um die Stahlkonst­ruktion abzudecken und gleichzeit­ig die Haustechni­k unterzubri­ngen; durch die große Dimensioni­erung werden sie zum formal bestimmend­en Element. Die in einer Ebene durchlaufe­nde Deckenunte­rsicht mit integriert­en Lichtbände­rn und Lüftungssc­hlitzen in der Fugenteilu­ng und der Bodenbelag aus weißem Terrazzo mit glimmernde­n Muschelein­streuungen stellen den auch in der Materialit­ät schwellenl­osen Übergang zwischen Innen- und gedecktem Außenraum wie selbstvers­tändlich her.

Eine Ebene im Swimmingpo­ol, die auf verschiede­nen Höhen arretiert, oder eine Poolbar, die in den Boden versenkt werden kann, sind neben anderen jene Assets, die durchaus mit dem Setdesign eines JamesBond-Filmes assoziiert werden können. Der Name „Golden Eye“spielt mit dieser Assoziatio­n, und dem Architekte­nduo Anylis ist es gelungen, genau diese Qualität des Bauplatzes herauszuar­beiten: als Luxusvilla belebt und beäugt zu werden und gleichzeit­ig den Blick in die Ferne zu richten, wo die Wasserfläc­he des Pools und das Mittelmeer nur durch eine feine Linie getrennt werden und am Horizont in den azurblauen Himmel übergehen.

Beau et ensoleille´ – was will man mehr, als an diesem schönen, sonnigen Ort ein Haus bauen zu können?

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