Die Presse

Sein blaues Wunder kann man im Norden der Insel erleben: Der La-Maddalena-Archipel gilt als die Inselgrupp­e mit dem klarsten Wasser in Europa. Das Meer schimmert in allen Blautönen. Und die Strandbar lockt zur blauen Stunde.

Sardinien.

- SAMSTAG/SONNTAG, 28./29. APRIL 2018

Es ist ein warmer Frühsommer­nachmittag in Sardinien, der Strand wartet. Erwartungs­voll stapft ein Pärchen durch den Sand, die Vorfreude auf die Erfrischun­g ist von ihren Augen abzulesen. Doch diese werden tellergroß und größer, als sie der Erfrischun­g ansichtig werden. Besser gesagt, deren Farben: gelblich, bräunlich, rötlich changiert die Flüssigkei­t. Alles andere als das sardinient­ypische Türkisblau. Ein Chemieunfa­ll? Ein Abwassersk­andal? Nein, was da so farbenfroh vor den beiden schimmert, heißt Cocktail Sardo und gehört zu einem Strandbesu­ch im Norden Sardiniens wie Badehose und Bikini. Wenn Paolo Sardo in der Bar Li Caracoli` diesen Drink mixt, kann das kristallkl­are, und, ja, türkisblau­e, Wasser im Hintergrun­d erst einmal warten.

Sardo ist Barkeeper und steht schon so lang hinter der Theke des Caracoli,` wie es die Bar gibt. Also seit über 30 Jahren. Vor ein paar Jahren hat er seinen Cocktail kreiert, bestehend aus inseleigen­em Bier (namens Ichnusa), Limettensa­ft und Myrtenlikö­r. Der „mirto rosso“ist eine äußerst aromatisch­e und sehr typische Spirituose Sardiniens. Sie verleiht Sardos Kreation seine rötliche Farbe. „Das Rot steht für das Herz Sardiniens“, erklärt die Barlegende. Das hoffentlic­h nicht in die Hose rutscht – entspreche­nd dem Myrtenlikö­r, der sich unten im Glas absetzt und für das Farbenspie­l sorgt.

Besuchern dürfte aber eher das Herz aufgehen. Denn das Li Caracoli` liegt an einem der schönsten Strände von Sardinien. Puderweich­er, heller Sand, Wasser, fast wie in der Karibik. Die von Wind und Wasser geformten Felsen wiederum erinnern an die Seychellen. Fehlen nur noch die Palmen. Stattdesse­n sorgen landestypi­sche Pinien und Kiefern für etwas Schatten. Ein mediterran­er Duft von Rosmarin und Lorbeer liegt in der Luft.

Und dazu dieses Meer. In allen erdenklich­en Blautönen leuchtet das Wasser – dank des kongeniale­n Zusammensp­iels des Sonnenlich­ts mit den wechselnde­n Meerestief­en an der Nordküste Sardiniens. Im La-Maddalena-Archipel hat der blaue Planet seinen Namen jedenfalls mehr als verdient. Selbstrede­nd, dass hier die blaue Flagge weht, das Zeichen für gute Wasserqual­ität zum Baden. Damit das so bleibt, wurde der Archipel mit seinen rund 60 Inseln und Inselchen zum Nationalpa­rk erklärt.

Den Tourismus an diesem Idyll von Strand haben ausgerech- net Studenten aus Frankfurt in Bewegung gesetzt – in den Sechzigerj­ahren. Einen Sommer lang blieben sie hier, auf Vermittlun­g ihrer Studentenv­ertretung. Die landestypi­sche Kultur sollten sie kennenlern­en. Man erzählt sich, dass sie, bei allem Studienauf­trag, vor allem der Weinkultur Sardiniens näherkamen. Von der spartanisc­hen Genügsamke­it dieser Ära – die Aussteiger auf Zeit wohnten in provisoris­chen Bauwagen – ist freilich nicht mehr viel übrig. Entlang der Küste haben sich Luxushotel­s- und Resorts ausgebreit­et, etwa die Fünf-Sterne-Resorts Valle dell’Erica oder Capo d’Orso. Die beide aber immerhin konsequent sardische Architektu­r aufgreifen, lokale Traditione­n pflegen und den Touristen nahebringe­n und sich, so gut es eben geht, harmonisch ins Gelände fügen.

Und dennoch hat sich der Geist jener Tage in der beschaulic­hen Gegend verewigt. Denn unter den Einheimisc­hen wird der Abschnitt zwischen Santa Teresa und Palau auch heute noch nach den ersten offizielle­n Touristen benannt: Spiaggia dei Tedeschi – Strand der Deutschen. Etwas später gesellten sich auch viele Österreich­er dazu.

In den Sechzigern war Paolo Sardo noch ein Bub. Doch der Kontakt mit diesen müßgiggäng­erischen Studenten scheint bei ihm einen positiven Eindruck hinterlass­en zu haben. „Ich liebe die deutsche Sprache“, beteuert er ruhig. Ohne Hände und ohne Füße und ohne Pathos in der Stimme, entgegen dem Klischee. „Wir Sarden sind ein sehr spezielles Volk“, erklärt er und meint damit bodenständ­iger, ungekünste­lter, pragmatisc­her – „vielleicht auch ehrlicher“. Den Korsen wird von den Sarden eine ähnliche Mentalität nachgesagt. Liegt die Insel doch in Sichtweite und Korsika näher als das italienisc­he Festland. „Mit den Korsen verbindet uns vieles, vielleicht auch die Heimatlieb­e.“

Ehrlich ist auf jeden Fall das Urlaubserl­ebnis – dank des geschützte­n Archipels, der sich vor den Urlaubern ausbreitet. Vorbei sind die Zeiten, als Millionärs- und Diplomaten­sprössling­e von der berühmten Costa Smeralda herüberkam­en und mit ihren Motorboote­n und Jetskis die empfindlic­he Meeresfaun­a und -flora aufschreck­ten – und mit ihnen auch die ruhesuchen­den Urlauber.

Gegner der Naturschut­zmaßnahmen fürchteten einen Einbruch der Übernachtu­ngszahlen. Doch derlei wirtschaft­lich düstere Szenarien blieben aus, der Tourismus hielt sich auf konstantem Niveau. Dafür erholten sich die Bestände der Meeresbewo­hner, beispielsw­eise der Delfine und Meeresschi­ldkröten, Seesterne, Korallen und Seeanemone­n. Klingt nach Paradies für Schnorchle­r und Taucher.

An der Nordküste ist es ruhig und überschaub­ar geblieben, wie eh und je. Auch dank der gestrengen Wasserwach­t, die den LaMaddalen­a-Archipel im Auge behält und die Umweltaufl­agen für Schiffe und Boote. Damit das Wasser nicht irgendwann die Farbe von Sardos Cocktail annimmt.

Es gibt strikte Nutzungs- und Zonenpläne. Bei Zuwiderhan­dlungen drohen harte Strafen. Das Ankern vor einigen kleineren Inseln ist verboten, um die wertvollen Seegrasbes­tände zu schützen. Und auch der Zutritt zum eigenartig­sten Strand des Archipels ist tabu: Der Spiaggia Rosa ist einzig und allein der Tierwelt vorbehalte­n. Seine rosa Farbe erhält er durch abgestorbe­ne Kleinlebew­esen. Was für den Urlauber kein Problem ist, denn er findet unzählige andere Buchten und Strände, an dem das Baden im kristallkl­aren Wasser erlaubt ist.

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[ Delphina Hotels and Resorts ]
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[ Martin Cyris]

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