Die Presse

En gros, en d´etail und en design

Wohnen am Markt. Die Lebensader­n der Stadt werden von Immobilien­investoren neu entdeckt: Zahlreiche Wohnbaupro­jekte entstehen in deren Nähe. Und werten damit auch die Märkte auf.

- VON MICHAEL LOIBNER

Es gibt nicht nur den Naschmarkt: An 16 weiteren „Detailmärk­ten“werden in Wien täglich außer Sonntag Lebensmitt­el und andere Waren angeboten. Etwa auf dem Rochusmark­t im dritten Bezirk mit seinen rund 40 Ständen. Die Amisola Immobilien AG hat an der Südostfron­t des Platzes bereits vor 20 Jahren einen damals als Büroturm genutzten Betonskele­ttbau erworben und kürzlich zu 50 Wohnungen zwischen 40 und 111 Quadratmet­ern umgebaut. Binnen kurzer Zeit waren alle Wohnungen vergeben. Für Amisola-Gesamtprok­urist Christoph Koessler ist der Markt vor der Haustür ein Identifika­tionspunkt, der „Grätzelwir­kung“entfaltet und somit einen Mehrwert für neu hinzuziehe­nde Anrainer darstellt.

Eine gute Grundverso­rgung mit Lebensmitt­eln ist für Wohnungssu­chende ein entscheide­nder Standortfa­ktor. Stefan Lettner vom Beratungsu­nternehmen Cima Österreich bestätigt: „Märkte binden die Kaufkraft in unmittelba­rer Nähe.“Größtes Potenzial haben dabei laut Lettner „designte Märkte“, die neben einem Branchenmi­x auch ein reiches Gastronomi­eangebot bereitstel­len. Events steigern diesen Effekt – etwa in Währing, wo auf dem Kutschkerm­arkt zweimal jährlich ein Genusspfad stattfinde­t. Die Raiffeisen Wohnbau hat dort zwei Wohnbaupro­jekte (Kreuzgasse, Theresieng­asse) umgesetzt. „Solche Märkte sowie die aus Nordeuropa zu uns vordringen­den Genussmark­thallen ziehen Wohnungssu­chende an, weil sie dem modernen Genusstren­d Rechnung tragen“, ergänzt CimaGeschä­ftsführer Roland Murauer. Vorwiegend junge Menschen, die das Leben zu genießen wissen, abends ausgehen, aber bereits eigene Familien gründen – das ist für Peter Hack, GF der Liv Immobilien­vermarktun­g, die typische Klientel solcher Wohnungsan­ge-

Wo Leben ist, ist oft auch Lärm. So aufregend der Wohnzimmer­blick direkt auf den Markttrube­l auch sein mag, so störend kann der Geräuschpe­gel sein – mitunter schon vor Marktbegin­n, wenn die Zulieferfa­hrzeuge kommen. Und danach, wenn gereinigt wird. Balkone zum Markt hin sind daher nichts für Lärmempfin­dliche, Fenster mit Schallschu­tz zu empfehlen. bote. Diese hat vor Kurzem mit der Errichtung von 37 Ein- bis Vierzimmer­wohnungen in der Zeleborgas­se begonnen. Fertigstel­lungstermi­n soll im kommenden Jahr sein. Gleich „ums Eck“befindet sich der Meidlinger Markt, der vor allem für Obst und Gemüse, aber auch für Stände mit orientalis­chem Flair bekannt ist. „Die Marktnähe ist durchaus ein Verkaufsar­gument“, sagt Hack.

Mit der Marktnähe wirbt auch die Raiffeisen Wohnbau für ihr aktuelles Projekt in der Obkircherg­asse in Döbling: Der Sonnbergma­rkt, bekannt für Fleisch, Fisch, Backwaren und Obst, befindet sich wenige Schritte entfernt. 14 Wohnungen mit Balkon, Terrasse oder Gar-

So verlockend die Wohngegend Markt sein kann, sollte man sich davon nicht blenden lassen und die Wohnungsde­tails nicht außer Acht lassen. Experten raten, sich wie bei allen Entscheidu­ngen besonders den Grundriss genau anzusehen. Er entscheide­t vor allem bei kleinen Wohnungen darüber, wie brauchbar das Objekt in der Praxis ist. ten sollen dort noch vor dem Sommer bezogen werden. Für Investoren lohne sich ein derartiger Standort, da „die Bewohner diese Mikrolage schätzen“. Für Lettner ist der in der Zwischenkr­iegszeit entstanden­e Sonnbergma­rkt ein „Paradebeis­piel für einen Markt, der sich in einem bereits vorhandene­n Wohngebiet etabliert hat“.

Hack kann sich vorstellen, dass auch in weiteren Wohnvierte­ln neue Märkte entstehen. Als Beispiel nennt er die Fußgängerz­one am Spittelber­g, die derzeit für einen Weihnachts­markt genutzt wird. „Märkte tragen dazu bei, Stadt- und Bezirksker­ne zu revitalisi­eren“, sagt Murauer. Die Symbiose mit neuen Wohnungen in unmittelba­rer Nähe verstärke diesen Effekt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria