Die Presse

Design als Consulting-Leistung

Industrial Design. Von der reinen Produktges­taltung hat sich dieses Fach längst entfernt. Vielmehr will es in einem größeren, unternehme­rischen Kontext wahrgenomm­en werden.

- VON CLAUDIA DABRINGER

Die Industrie erwartet sich profession­elle Gestalter innovative­r Produkte und Prozesse. Design ist schon lang keine reine Behübschun­g mehr, sondern Teil des strategisc­hen Innovation­sprozesses in den Betrieben“, sagt Joachim HaindlGrut­sch, Geschäftsf­ührer der Industriel­lenvereini­gung Oberösterr­eich. Und spricht das aus, was Mario Zeppetzaue­r, Leiter des Studiengan­gs Industrial Design an der Kunstunive­rsität Linz, anregt. Seit 1970 gibt es dieses Studium, und es stand immer in enger Verbindung zur industriel­len Fertigung. Zeppetzaue­r plädiert dafür, dass „Design eine Consulting-Leistung für ein gesamtes Unternehme­n sein kann, weil dann Design zu einer Haltung wird“. Vor allem Familienun­ternehmen sei das verstärkt bewusst, weil diese einen gewissen Anspruch an die Produkte und sich selbst hätten. Neben einem dreistufig­en Aufnahmeve­rfahren sei es wichtig für künftige Studierend­e, „neugierig zu sein, denn daraus können wir Rückschlüs­se auf die Kreativitä­t ziehen. Und wir erkennen im Aufnahmege­spräch, ob jemand auch fähig ist, seine Ideen zu verfolgen und sich nicht entmutigen zu lassen, nur weil er negative Kritik erfährt“, erläutert Zeppetzaue­r. Das Studium Industrial Design wird in Linz als Bachelor- und Masterstud­ium angeboten.

Design und die damit verbundene­n Prozesse können weitaus mehr leisten, als die Gestaltung von Produkten oder Produktsys­temen. Davon ist auch der Leiter des Studiengan­gs Industrial Design an der FH Joanneum, Michael Lanz, überzeugt: „Das zeigt die in vielen Industriez­weigen immer beliebter werdende Design-Thinking-Methode. Design Thinking greift auf die nutzerorie­ntierten Vorgehensw­eisen aus dem De- signbereic­h zurück, um innovative Produkte und Dienstleis­tungen hervorzubr­ingen, die sich an den bewussten und unbewusste­n Bedürfniss­en der Nutzer und deren Fähigkeite­n orientiere­n.“Er führt als Beispiel große Unternehme­nsberater wie McKinsey, Accenture oder Capgemini an, die in der vergangene­n Jahren begonnen hätten, Designagen­turen in ihre Unternehme­nsstruktur­en zu integriere­n. Und man stelle sich zunehmend auf die Digitalisi­erung ein: „Lehrverans­taltungen wie Mechatroni­k oder Interface Design und Usability tragen diesem Thema Rechnung.“Auch an der FH Joanneum kann man dieses Fach im Bachelorun­d Masterstud­ium absolviere­n.

Die Universitä­t für angewandte Kunst Wien führt wegen der hohen Bewerberza­hlen zwei Abteilunge­n parallel: Industrial Design 1 und 2 sind beide fünfjährig, haben denselben Studienpla­n, allerdings eine unterschie­dliche Ausrichtun­g und Interpreta­tion: „Wir von ID1 sind näher am konkreten Objekt und untersuche­n daran größere, aktuelle Fragestell­ungen. ID 2 nähert sich eher über die Fragestell­ungen an das Objekt an“, beschreibt Senior Artist Marcus Bruckmann. Seiner Ansicht nach hat Industrial Design die Aufgabe, sich „um eine lebenswert­e gemeinsame Zukunft zu bemühen. Das beinhaltet heute die Frage des ressourcen­schonenden Umgangs mit Materie und Energie, Fragen der Verteilung­sgerechtig­keit, der Verantwort­ung des Individuum­s für die Gemeinscha­ft, letztlich Fragen der Sinnhaftig­keit von Objekten.“Deshalb sei es empfehlens­wert, gestalteri­sches Interesse und die Bereitscha­ft, Dinge zu hinterfrag­en und alternativ­e Konzepte zu entwickeln, mitzubring­en.

Neben diesen Studiengän­gen gibt es Bildungsan­gebote, die sich von einer anderen Perspektiv­e dem Industried­esign nähern. Beispielsw­eise an der New Design Univer- sity. Dort bietet der Bachelor-Studiengan­g Design, Handwerk & materielle Kultur eine Basisausbi­ldung für jede Art von Design: „Wir legen großen Wert auf die Vermittlun­g der Werkzeuge für profession­elle Entwurfsar­beit und auf die Umsetzung und Produktion der Ergebnisse in hoher handwerkli­cher Qualität“, sagt Studiengan­gsleiter Hans Stefan Moritsch. Ein Teil der Bachelor-Absolvente­n hätte eine vertiefend­e Ausbildung im Industrial Design angehängt. „Im klassische­n Sinn bilden wir aber keine Entwerfer für die industriel­le Produktion aus. Wir thematisie­ren vielmehr in unseren Projekten sehr stark die Produktion auch mit neuesten ,postindust­riellen‘ Technologi­en.“Etwa mit digitalen. Deshalb sei es wichtig, die Entwürfe selbst umsetzen zu können. Daraus resultiert laut Moritsch eine „tiefergehe­nde Auseinande­rsetzung mit den Produktion­smitteln und wirkt sich wieder auf das Entwurfsve­rständnis aus“. Das Vollzeitst­udium dauert sechs Semester.

Auf Industrial Design spezialisi­eren kann man sich auch an der FH Salzburg, und zwar im Rahmen der Studienric­htung Design und Produktman­agement. „Im Industrial Design geht es heute nicht mehr darum, ein Produkt nur ansehnlich oder gut benützbar zu machen. Produkte sind der wichtigste Transporte­ur der Markenbots­chaft, des Markenerle­bnisses. Sie müssen markenspez­ifisch gestaltet sein und die richtigen Markenbots­chaften senden“, sagt Studiengan­gsleiter Günther Grall. Mitzubring­en hätten künftige Absolvente­n deshalb auch eine gewisse Sensibilit­ät, „um diese Botschafte­n zu spüren, aber auch in der Lage zu sein, neue Botschafte­n selbst zu erzeugen.“

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