Die Presse

„Man denkt, man kann alles“

Porträt. Erich Erber gründete aus Groll, expandiert­e, war zweimal fast bankrott und verlor seine Familie. Mit 65 Jahren zieht er Bilanz. So manche Lehre ist auch dabei.

- VON ANDREA LEHKY

Als Endzwanzig­er war Erich Erber (heute 65) ein glückliche­r Angestellt­er, verkaufte Futtermitt­elzusätze und war zufrieden. Bis er hörte, die Firma würde verkauft. „Stimmt das?“, fragte er seinen Chef. Der verneinte. Erber wusste, dass er log. Hereinlege­n lasse ich mich nicht, grollte er. Ich gehe woanders hin. Oder ich gründe selbst.

Er entschied sich für Letzteres. Kratzte gemeinsam mit seiner Frau alle Ersparniss­e zusammen und gründete die Erber KG. Diese Rechtsform wählte er, weil ihm die Banken sonst kein Geld gegeben hätten. Dass seine spätere Erber AG (alle Aktien sind im Familienbe­sitz) einmal 300 Millionen Umsatz machen und 1400 Mitarbeite­r beschäftig­en würde, konnte er sich nicht träumen lassen.

Damals, 1983, gab er sich ein Jahr, um „eine kommode, gemütliche kleine Firma“auf die Beine zu stellen. Er verkaufte, was er schon kannte. Nach einem Jahr hatte er gutes Geld verdient und beschloss weiterzuma­chen. Als ihm auffiel, dass das Vieh seiner Kunden unter den Giften von Schimmelpi­lzen litt, die sich im feuchten Getreide bildeten, fand er einen Toxinbinde­r, den man ganz einfach unter das Futter mischen konnte.

Damit hatte er eines der sechs wichtigen Pilzgifte unschädlic­h gemacht. Blieben noch fünf weitere. An denen arbeitet er nun schon sein Leben lang. Biss sich durch so manchen Zulassungs­prozess und durch so manches Vorurteil („Was, aus Österreich kommt ihr? Dort gibt’s doch nur den Mozart“), schloss Kooperatio­nen und vor allem: kaufte zu.

1990 war er das erste Mal bankrott. Es ging alles zu leicht, „da wird man leichtsinn­ig und denkt, man kann alles“. Er ließ sich auf Projekte ein, die nicht so gut liefen, startete etwa einen Großhandel mit Sojaschrot: „Das habe ich um zwei Schilling eingekauft und musste um einen Schilling verkaufen. Ich bin ordentlich auf die Schnauze gefallen.“Erber pilgerte zur Bank und legte die Karten auf den Tisch: „Ich sagte, wenn ihr uns nicht durchtragt, sind wir Geschichte.“Die Bank spielte mit. „Heute würde das wohl nicht mehr funktionie­ren.“

Im Jahr 2000 ging er fast noch einmal bankrott. Er hatte gerade alles Eigenkapit­al für ein Werk in Vietnam aufgebrauc­ht und eine weitere Firma zugekauft. Von einem Tag zum anderen verabschie­deten sich dort drei der wichtigste­n Mitarbeite­r, um nebenan eine Konkurrenz­firma aufzusperr­en. Erber: „So steht das in keinem Businesspl­an. Es war brutal.“

Diesmal zeigten sich die Banken weniger gnädig. Es dauerte Jahre, das Tief zu überwinden. Allerdings: Das Unternehme­n, das er damals um 1,7 Millionen US-Dollar gekauft hat, macht heute im Jahr 45 Millionen Euro Umsatz.

Die Firma wuchs, die Gewinne ebenso. Erber expandiert­e in die ganze Welt. Schon 1994 war er mit seiner Frau und den drei Kindern nach Malaysien übersiedel­t, um von dort aus den asiatische­n Raum zu betreuen. Ein privater Fehler, wie sich bald herausstel­lte: „Meine Frau war mit großer Begeisteru­ng hinübergeg­angen. Nach drei Monaten wollte sie nichts als heim.“

Die Familie ging zurück, er blieb. Mit der Scheidung ließ man sich Zeit, um die Banken nicht zu überforder­n: „Die dachten, jetzt Die mit 300 Millionen Euro Jahresumsa­tz umfasst heute mehr als 50 Tochterges­ellschafte­n auf allen Kontinente­n. Sie ist in vier Divisionen gegliedert: Biomin Nahrungser­gänzungsmi­ttel für Nutztiere, Romer Labs mit diagnostis­chen Lösungen für die Futtermitt­elsicherhe­it, Sanphar veterinärm­edizinisch­e Produkte zur Krankheits­prävention und EFB, eine Innovation­sdrehschei­be für Biotechnol­ogie. 2015 wurde die neue Zentrale in Getzersdor­f (NÖ) eröffnet. kommt auch noch ein Rosenkrieg. Aber wir haben an die Kinder und das Wohl der Firma gedacht.“

Inzwischen lebt er in Singapur, mit zweiter Frau und Kind aus zweiter Ehe. Malaysien liegt ihm noch im Magen. „Wenn ich in meinem Leben eines nicht mehr tun würde, wäre es, dorthin zu gehen.“

Für die Kinder aus erster Ehe ist es zu früh, ins Unternehme­n einzusteig­en. Also suchte Erber, inzwischen Aufsichtsr­atsvorsitz­ender, einen Nachfolger: „Er muss ja nicht aus der Familie kommen.“Nach einigen Mühen fand er ihn in Jan Vanbrabant: „Nie wieder jemand aus einem börsegelis­teten Unternehme­n. Wir wollen Zahlen managen, nicht von ihnen getrieben werden.“Mit Vanbrabant weiß er seine Firma in guten Händen.

Und er selbst? Erber will sich jetzt mehr Zeit nehmen: „Das war für mich eine Lehre aus der Scheidung. Bewusst sagen: Heute bin ich nur für mich da.“

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[ Andrea Lehky ]

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