Neuer Markt für faule Kredite
Richtlinienentwurf. Für Investoren soll es leichter werden, Banken notleidende Kredite abzukaufen. Kunden mit Zahlungsproblemen müssen sich dann auf neue Gläubiger einstellen.
Für Investoren in der EU soll es leichter werden, Banken notleidende Kredite abzukaufen. Schuldner bekommen neue Gläubiger
VON CHRISTINE KARY
Wien. Wie es ausgehen kann, wenn Massen von Kreditnehmern ihre Schulden nicht zahlen können, wissen wir spätestens seit 2007. Was damals mit dem Platzen der Immobilienblase in den USA begann, wuchs sich zu einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise aus.
In Europa ist der Anteil fauler Kredite zwar rückläufig, wie kürzlich die EU-Kommission berichtete: Laut Zahlen aus dem dritten Quartal des Vorjahres sank die Quote im EU-Schnitt auf 4,4 Prozent und damit auf den tiefsten Stand seit Ende 2014. Kommission und europäische Bankenaufsicht haben sich dennoch darauf eingeschworen, den Abbau fauler Kredite in den Bankbilanzen weiter zu beschleunigen. Denn länderspezifisch sind die Unterschiede groß und die Risken zum Teil beträchtlich. Dazu kommt, dass Problemkredite ganz generell die Bankbilanzen belasten und Neukreditvergaben, etwa an mittelständische Unternehmen, schmälern.
Aber wie soll der raschere Abbau funktionieren? Dazu gibt es eine (nicht rechtsverbindliche) Guideline der EZB – und seit Kurzem auch einen Richtlinienvorschlag der EU-Kommission. Damit Banken solche Kreditengagements rascher loswerden, soll unter anderem die Verwertung von Sicherheiten erleichtert werden: Bei Unternehmenskrediten soll es künftig verpflichtend zumindest eine außergerichtliche Form der Verwertung geben. (In Österreich besteht diese Möglichkeit bereits, zwar nur auf Basis einer Vereinbarung, aber sowohl bei Unternehmens- als auch Konsumentenkrediten.) Vor allem aber soll der sogenannte Sekundärmarkt stimuliert werden. Anders gesagt: Banken sollen notleidende Kredite vermehrt an Investoren verkaufen.
Keine Banklizenz nötig
Konkret geht es um Kredite, mit deren Rückzahlung der Schuldner über 90 Tage im Verzug ist oder bei denen schon zu einem früheren Zeitpunkt feststeht, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht getilgt werden. Interessenten gebe es durchaus, sagt Rechtsanwalt Florian Klimscha, Partner bei Freshfields in Wien. Wenn für diesen Markt ein Rechtsrahmen geschaffen werde, „bedeutet das mehr Sicherheit, und das stimuliert den Wettbewerb“. Unter anderem soll der Erwerb solcher Forderungen recht einfach gestaltet werden und ohne Banklizenz möglich sein – in Österreich wird das derzeit zum Teil anders gesehen. Künftig soll es dafür eine eigene Berechtigung als „Kreditdienstleister“(„credit servicer“) geben. Diese können dann sowohl auf eigene Rechnung tätig werden als auch für Investoren, die selbst keine solche Lizenz besitzen. Geregelt wird auch, welche standardisierten Informationen die Banken potenziellen Käufern zur Verfügung stellen müssen. Zudem soll ein „passport“eingeführt werden, damit die Dienstleister EU-weit tätig werden können.
Muss man sich fürchten?
Aber was heißt das für Kreditnehmer? Kommen sie in Zahlungsprobleme, werden sie es häufiger als bisher mit einem neuen Gläubiger zu tun bekommen. Ein Szenario zum Fürchten? Klimscha beruhigt: Zwar bleibe die Rolle eines Schuldners, der nicht zahlen kann, unangenehm – egal, wer der Gläubiger ist. „Das Gespenst des Investors, der Schuldner ausquetscht, entspricht aber nicht der Realität.“Zudem seien Kontrollmechanismen und ein Beschwerdesystem vorgesehen, ebenso wie klare Regeln für den Marktzugang, die z. B. Personen mit krimineller Vergangenheit ausschließen.
Denkbar sei sogar, dass sich in Einzelfällen neue Lösungsansätze eröffnen: Denn der Investor hat die Forderung mit Abschlag gekauft. Kann man ihm – etwa mittels Umschuldung – zwar nicht den vollen Kreditbetrag anbieten, aber mehr als das, was der Investor bezahlt hat, lässt er vielleicht sogar eher als die Bank den Rest der Schulden nach. Für Verbraucherkredite soll es zudem ein eigenes Regulativ geben: „Der Käufer unterliegt dann ebenfalls den Regeln des Verbraucherkreditgesetzes“, sagt Klimscha. Wobei es fraglich sei, wie attraktiv solche Kreditportfolios dann noch für Investoren sein werden, „außer vielleicht für Spezialisten“.
Noch ist all das Zukunftsmusik – und auch wenn es so weit ist, werden österreichische Kreditnehmer nicht allzu oft betroffen sein. Die Bestände der Banken an notleidenden Krediten halten sich hierzulande im Rahmen. Aber: Verkäufe gibt es bereits – auch bei heimischen Instituten. Der Anteil der Problemkredite in den konsolidierten Bilanzen österreichischer Banken (inklusive Osttöchter) sei im dritten Quartal 2017 auf 3,8 Prozent gesenkt worden, heißt es in einer Aussendung der Österreichischen Nationalbank. Und weiter: „Neben der Abschreibung und Verwertung hatten auch Verkäufe von Portfolios notleidender Kredite einen wesentlichen Anteil an dieser Reduktion.“Vor allem in den Tochterbanken in Osteuropa habe der Anteil notleidender Haushalts- und Unternehmenskredite dadurch stark abgenommen (von 13,9 auf 7,5 Prozent). In Österreich selbst sei er von 4,7 auf 3,2 Prozent gesunken.