Die Presse

Leitartike­l von Oliver Pink Kern:

Solang die SPÖ keine Antwort in der Migrations­frage findet, können ÖVP und FPÖ sehr entspannt sein. Wiens SPÖ-Chef hat das immerhin schon überrissen.

- VON OLIVER PINK Mehr zum Thema: E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

E ine „Moskauer Pyramide“würden ÖVP und FPÖ bilden, „zwei B’soffene, die sich gegenseiti­g abstützen“, meinte der SPÖ-Vorsitzend­e vor Kurzem. Das passt nicht zum Stil eines ehemaligen Bundeskanz­lers. Und zu Christian Kern selbst eigentlich auch nicht. Zumal auch die Pointe nicht wirklich zündet.

Die Opposition – und vor allem der Ruf der Genossen und Sympathisa­nten, endlich kantige Opposition­spolitik zu betreiben und das Feld nicht den kleinen Neos zu überlassen – führt anscheinen­d dazu, dass man glaubt, Opposition bestehe zuvorderst aus markigen Sagern. So wie Heinz-Christian Strache eben Opposition­spolitik gemacht hat. Eine SPÖ, die im Stil jetzt die Freiheitli­chen kopiert? Muss sie selbst wissen. Es ist heuer jedenfalls Christian Kerns erster 1. Mai als Opposition­sführer. Man wird sehen, ob die große Bühne vor den vielen Genossen dann wieder zu verbalpopu­listischen Versuchung­en führt.

Wobei das nicht das große Problem der SPÖ, ja der europäisch­en Sozialdemo­kratie in ihrer Gesamtheit, ist. Nach einer langen Serie von Niederlage­n ging zuletzt auch Italien verloren. Die Ursachen sind national sicher unterschie­dliche, eine gemeinsame Klammer gibt es dennoch: It’s the migration, stupid! Im Herbst steht diesbezügl­ich dann eines der letzten sozialdemo­kratisch regierten Länder Europas – noch dazu jenes mit der traditione­ll offensten Zuwanderun­gspolitik – auf dem Prüfstand: Schweden. S olang die SPÖ in der Frage der Zuwanderun­g keine glaubwürdi­ge, auch restriktiv­e Position findet, die über Lippenbeke­nntnisse kurz vor dem Wahltag hinausgeht, so lang werden ÖVP und FPÖ „Einschnitt­e in den Sozialstaa­t“(um die Opposition­sdiktion zu verwenden) vornehmen, am rechten Rand anstreifen oder Fantasieun­iformen basteln können, so viel sie wollen – sie werden dennoch die Wahl gewinnen. Der eine mehr, der andere weniger mutmaßlich.

Das Thema geht nicht weg, auch wenn man die Augen zumacht. Und es ist auch keines, das ÖVP und FPÖ erfunden hätten, um Stimmung zu machen, wie auf Harmonie bedachte Verfechter der multi- kulturelle­n Gesellscha­ft gern insinuiere­n. Es ist da. Vor allem in Bezug auf die muslimisch­e Zuwanderun­g.

Der neue Wiener SPÖ-Chef, Michael Ludwig, mehr Pragmatike­r als Ideologe, hat das schon überrissen. Sein noch amtierende­r Vorgänger ist da noch in alten Mustern gefangen: Mädchen mit Kopftuch seien heute „eher eine Bereicheru­ng des Stadtbilds“, meinte Michael Häupl am Wochenende im „Standard“. So sieht das Recep Tayyip Erdogan˘ vermutlich auch. Zudem fügte Häupl noch an, dass auch seine Mutter seinerzeit Kopftuch getragen habe, wenn sie zum Greißler gegangen sei. Dass die SPÖ jetzt zurück in die Fünfzigerj­ahre will, wäre dann doch neu. G laubwürdig­e Position heißt: eine stringente Linie; dass man den Bürgern am Stammtisch nicht das eine erzählt und den Intellektu­ellen im Bobo-Bezirk was anderes. Der Wähler merkt das. So war es ja auch im vergangene­n Nationalra­tswahlkamp­f.

Michael Ludwig wurde für seine konsequent­e Linie von eigenen Genossen wie dem angeschlos­senen linksliber­alen Opinion-Leader-Segment auch geprügelt. Die SPÖ-interne-Wahl jedoch hat er dann deutlich gewonnen.

Und bevor jetzt jemand einwendet: Es gibt aber schon auch noch andere Themen! Ja, eh. Aber ein wirkliches Alternativ­konzept zur Regierung hat die SPÖ bisher auch nicht vorgelegt. Es sei denn, die Kritik an allem und jedem, was die Bundesregi­erung tut, ist das Konzept. Das genaue Gegenteil als Gegenmodel­l also. Das sieht dann – Stand jetzt – allerdings auch sehr nach Hinterherh­echeln aus.

Wenn es gilt, ein Haar in der türkisblau­en Suppe zu finden, dann sind führende Sozialdemo­kraten auf Twitter, dem neuen Opposition­skanal, derzeit kaum zu bremsen. Es wird seinen Grund haben, dass sich Michael Ludwig hiervon fernhält. Möglicherw­eise steckt er seine Energie in andere, erfolgvers­prechender­e Aktivitäte­n.

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