Die Angst vor der Inflation ist wieder da
Umfrage. Goldman Sachs befragt jedes Jahr die 300 größten Versicherungen, was sie mit ihren Billionen machen. Heuer befürchten sie eine neue Krise in den USA. Die Inflationsängste nehmen stark zu. Kryptowährungen sind kein Thema.
Wir Kleinanleger glauben ja, die großen Fische hätten es leicht. Weil sie mehr Ressourcen und bessere Informationen haben. Einfach einen Vorsprung. Und das stimmt auch. Aber die institutionellen Anleger haben ein Problem, das die Kleinen nicht kennen: Sie müssen irgendwo rein mit ihrem Geld. Die Flucht in Cash ist nur sehr, sehr eingeschränkt möglich. Erst recht, da diese Anleger ja unter Erfolgsdruck stehen, ihr Geld zu vermehren. In Zeiten von Null- oder sogar Negativzinsen ist das nicht einfach. Kaum jemand weiß das besser als die Finanzvorstände und Geldmanager der großen Versicherungen. Sie müssen jahraus, jahrein das Geld ihrer Kunden gewinnbringend veranlagen, ohne dabei ein allzu großes Risiko einzugehen. Ein genauer Blick auf die Märkte, auf Chancen und Gefahren ist da unabdingbar. Jedes Jahr fragt Goldman Sachs die Geldmanager der 300 wichtigsten Versicherungen nach ihren Sorgen. Was sie heuer umtreibt: Angst vor der Inflation – und vor einer Krise in Amerika.
„Man könnte von der Rückkehr der Skepsis sprechen“, sagt Volker Anger, Managing Director bei Goldman Sachs Asset Management in Frankfurt, zur „Presse“: „Die Versicherer machen sich viele Gedanken, wie sie sich langfristig konservativ aufstellen können und dabei vernünftige Renditen erzielen.“Die für das jährliche „Insurance Survey“befragten CIOs und CFOs der Versicherungen repräsentieren gemeinsam die Summe von zehn Billionen Dollar an Assets. Das sind 1000 Milliarden.
Wenn sich dieses Geld bewegt, spüren das auch die Kleinanleger. Deswegen sollten diese genau hinhören, was die Big Boys zu sagen haben. Anders als im vergangenen Jahr haben die Versicherungsma- nager aktuell keine große Angst vor politischen Überraschungen. Die großen Wahlen in Europa sind geschlagen, der Rechtsruck ist ausgeblieben, Europa befindet sich im Aufwind.
Daher gilt die Aufmerksamkeit dem großen Tanker USA, wo immer noch ein gewisser Donald Trump das Kommando hat. „Viele befürchten eine Verlangsamung des Wachstums in Amerika – oder sogar eine Rezession“, sagt Anger. Schuld daran ist weniger Trump als die Zeit. Die Kredit- und Wachstumszyklen sind in den USA einfach schon weiter vorangeschritten als etwa in Europa.
Hinzu kommt die neue Angst vor plötzlichen Kursbewegungen. „Das Niedrigzinsumfeld der vergangenen Jahre ging einher mit einer Phase der niedrigen Volatilität. Deswegen wurde in den USA zunehmend in höher verzinste Unternehmensanleihen investiert, die natürlich auch riskanter sind. Auch europäische Versicherer haben das getan“, sagt Anger.
Jetzt, da es nach Jahren wieder überraschende Abstürze auf den Märkten gibt, etwa bei den TechStocks, ist die Volatilität wieder Thema. Der Cocktail aus Sorgen um den Kreditzyklus und die Volatilität drückt die Stimmung: „Die Versicherer glauben generell, dass wir uns dem Ende der niedrigen Zinsen und der niedrigen Volatilität nähern“, heißt es im Report von Goldman Sachs: „50 Prozent der Befragten glauben, dass sich die Investmentgelegenheiten verschlechtern werden. 2017 waren es nur 36 Prozent.“
Rund 17 Prozent der befragten Geldmanager wollen das Risiko im Portfolio abbauen, 16 Prozent wollen es erhöhen. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wollten noch 26 Prozent mehr ins Risiko gehen; und nur zehn Prozent wollten sich zurücknehmen. Im internationalen Vergleich fällt auf, dass die Asiaten am ehesten zu mehr Risiko neigen. Sie sind es aber auch, die am meisten Angst vor steigenden Zinsen haben. In Europa ist die Stimmung vergleichsweise noch am besten. Während 20 Prozent der asiatischen Versicherer und 15 Prozent der amerikanischen einen Anstieg der Volatilität fürchten, haben nur sechs Prozent der europäischen Versicherer diese Sorge. „Gleichzeitig sind die europäischen Versicherer im Vergleich zu den amerikanischen noch wesentlich opti- 56 mistischer, was das erwartete volkswirtschaftliche Wachstum in den USA anbelangt. Da ist die Wahrnehmung sehr unterschiedlich“, sagt Volker Anger.
Das könnte aber auch daran liegen, dass viele sich wegen des wachsenden Währungsrisikos aus Investments in den USA wieder zu- rückgezogen hätten, so Anger: „Die Kosten des Hedging sind wieder deutlich angestiegen, das macht bestimmte Investitionen unattraktiver und solche in der EU wieder attraktiver.“
Deutlich gewachsen sind weltweit die Sorgen vor der Inflation. „In den vergangenen Jahren hat die Angst vor einer Deflation dominiert“, so der Report. „Das hat sich total umgedreht. Als Reaktion auf eine Verbesserung der weltweiten Wirtschaftsdaten nennt inzwischen ein Viertel der Versicherungen die Inflation als ein mittelfristiges Problem. Im vergangenen Jahr waren es nur zwei Prozent.“
Und sogar drei Viertel der Befragten glauben, dass die Inflation in ihren Heimatmärkten binnen drei Jahren zum Thema wird. Auch hier ist Amerika am weitesten fortgeschritten. Die Hälfte der dort sitzenden Versicherungsmanager erwartet ein Ansteigen der Inflationssorgen binnen zwei Jahren.
Für die Portfolios der Versicherungen bedeutet das: Sie erwarten in den kommenden zwölf Monaten die besten Ergebnisse für Aktien in Schwellenländern und Private Equity Investments. Vor allem hier wollen viele Manager ihre Positionen auch erhöhen. Auch US- und europäische Aktien sollten weiterhin gut performen, glauben die Geldmanager. Rohstoffe landen in der Hitparade immerhin auf Platz fünf – sind wegen der dort meistens herrschenden Volatilität für Versicherungen kaum ein Thema.
Am wenigsten zu erwarten sei in den kommenden zwölf Monaten von Staatsanleihen, Bargeld, hoch verzinsten Anleihen und US-Unternehmensanleihen, so der Report.
Ach – und wie könnte es anders sein: Auch Kryptowährungen wurden erstmals abgefragt. Das Ergebnis sollte kaum verwundern. „Versicherungen sind ja bei volatilen Assetklassen eher zurückhaltend“, sagt Anger. Und Kryptos sind megavolatil. Also: 65 Prozent sehen für Kryptos keinen Platz in ihrem Portfolio. 32 Prozent wollen abwarten. Und immerhin drei Prozent sagen: Ja, her damit.