„Geld hatte ich noch nie“
Interview. Erich Scheiblhofer hätte als Junger gerne ein neues Moped gehabt. Die Eltern investierten das Geld lieber in den nächsten Weingarten. Mit der „Presse“sprach er über brettlebene Hänge, gefährliche Markttrends und einen späten Luxus.
Die Presse: Wovor fürchtet sich der Winzer am meisten? Hagel? Das Rauchverbot? Erich Scheiblhofer: Prinzipiell vor Naturkatastrophen und Wetterkapriolen. Wie wir 2016 gesehen haben: Ein kleiner Spätfrost und 60 Prozent der Ernte sind weg. Das ist immer schwierig, weil wir mit Kundenstöcken arbeiten und fixe Märkte bedienen müssen.
Was machen Sie, wenn zwei Drittel der Ernte ausfallen? Unsere Weingärten sind alle gegen Ertragsausfälle versichert. Aber was nützt das Geld, wenn ich keine Trauben habe? Wir agieren heute burgenlandweit – wir sind in Andau daheim, aber unsere Weinberge sind auch über das Leithagebirge und das Mittelburgenland verstreut. Damit streuen wir auch das Ausfallrisiko und können andererseits mehrere Stile anbieten. Wie ist Ihr Betriebe auf die heutige Größe angewachsen? Meine Eltern haben Pionierarbeit geleistet. Sie haben das Weingut als Landwirtschaft mit 20 Hektar Ackerbau und einem halben Hektar Weingarten übernommen. Mein Vater war erst 14, als mein Großvater starb. Er ist früh ins kalte Wasser gestoßen worden und hat den Weinbau auf 35 Hektar ausgebaut. 1982 – kurz vor dem Weinskandal – hat er angefangen, Weingärten gegen die damals sehr lukrative Landwirtschaft einzutauschen. Viele Kollegen haben gemeint, dass er verrückt ist.
Wieso? Rotwein und das Burgenland, das passt doch aus heutiger Sicht gut zusammen. Ja, aber der Rotwein kam aus anderen Teilen. Bei uns in Andau ist es brettleben. In der Weinbaufachschule haben sie zu mir gesagt, wir sollen in unserer ungarischen Tiefebene lieber Zuckerrüben anbauen. Aber er war überzeugt und hatte ein Händchen für Wein. Das Wichtigste, das ich von ihm gelernt habe: Wenn man hinter der Entscheidung steht, wird es funktionieren. Egal, wo die Reise hingeht.
Ihre ging in den Familienbetrieb. Ich war davor je sechs Monate in Kalifornien und Australien und bin 2000 eingestiegen. Meine Eltern hatten diese Chance nie. Mein Bruder und ich haben die beste Ausbildung genossen, wir konnten uns international orientieren. 2000 lag der Fokus unseres Hofs aber noch auf Süßwein. Durch Verglei- che mit dem kalifornischen Nappa Valley kamen wir auf den Roten. In der alten Welt – Frankreich, Italien – ist die Traube immer gut, der Jahrgang variiert. In der neuen Welt – Kalifornien, Australien – habe ich ein Ziel und frage: Wie komme ich hin? Welche Traube, welchen Keller brauche ich?
Ich nehme an, Sie zählen sich zur kalifornischen Seite? Ja, die Jahrgänge variieren, aber wir müssen eine Vision haben. Es liegt an mir, dass der Wein eine durchgehend gute Qualität hat.
Ihr Aushängeschild ist Ihr Cuvee´ Big John. Das war 2000, als ich von meiner Auslandserfahrung zurückgekommen bin. Der Name war höchst umstritten, heute ist er Marke. Langjährige Kunden kamen, kosteten, gratulierten – und wollten den Namen nicht kommentieren. Andere hatten Assoziationen zur Erotikbranche. Für mich war er klar: Der Papa heißt Johann, und es ist der beste Wein seiner Linie.
War der Übergang von ihm auf Sie reibungslos? Im Großen und Ganzen war es eine Bilderbuchübergabe, auch weil wir viel Zeit hatten. Fest stand aber: Am Ende des Tages kann es nur einen geben. Ich bemühe mich heute, das Weingut nicht hierarchisch zu führen. Aber einer muss entscheiden.
Den Big John haben Sie bereits gemeinsam kreiert? Die Cuveetierung´ haben wir zusammen vorgenommen. Im folgenden Rotwein-Boom hätten wir dann einige Fehler machen können. Vielen wird heute ihr Preis zum Verhängnis. Markenweine wie der Big John haben vor 15 Jahren zwölf Euro gekostet, mittlerweile kosten viele einiges mehr.
Weil die Kunden bereitwillig immer mehr gezahlt haben? Es war extrem verführerisch. Hätten wir jedes Jahr einen Euro mehr für den Big John verlangt, wäre es lang gut gegangen. Bis vor wenigen Jahren.
Ist der Markt gesättigt? Die Palette an sehr guten Weinen ist mittlerweile sehr groß geworden. Der Patriotismus beim Weintrinken ist zwar ungebrochen, aber man probiert auch gerne einen günstigen Chilenen oder Italiener, wenn der burgenländische Rote im Regal daneben das Doppelte kostet. Sie sind sehr breitenwirksam im Supermarkt vertreten. Ja, mit unserer günstigeren Linie. Die teureren Weine, die ich später dazu entwickelt habe, platzieren wir stark in der Gastronomie und in Vinotheken. Das ist ein bisschen ein Spagat. Aber der Markt hat sich reformiert. Im Ausland ist es gang und gäbe, dass du Weine für Hunderte Euros im Supermarkt kaufen kannst. In Österreich ist es dem Wein&Co vorbehalten – gewesen.
Ist es gut für den Ruf, im Supermarktregal zu stehen? Supermärkte werden immer hochwertiger. Dinge wie Glyphosat und Palmöl bewegen momentan die Kunden. Ich habe als Winzer selbst den Überblick bei den Anbaumög-
(40) leitet das gleichnamige Weingut im burgenländischen Andau, knapp an der Grenze zu Ungarn. In der Weinbaufachschule zogen ihn die Mitschüler auf: Er solle in seiner Tiefebene Rüben ziehen. Tat er nicht. 2000 kreierte er mit Vater und Gründer Johann Scheiblhofer ihr Markenzeichen, den Cuvee´ Big John. Heute ist er mit 75 ha Eigenfläche einer der größten Winzer des Burgenlands und füllt im Jahr eine Million Flaschen ab. lichkeiten von „biodynamisch“bis „Demeter“verloren.
Produzieren Sie Bioweine? Nein. Ich bemühe mich zwar, hoch biologisch zu sein. Aber den Qualitätsstandard können wir nicht mit Bio halten. Ich komme lieber in witterungsfreundlichen Jahrgängen mit wenig Pflanzenschutz durch, als in Bio-Bewirtschaftung zusätzliche Zeit und CO2 einzusetzen. Für mich ist die Nachhaltigkeit der Punkt, nicht eine starre Klassifizierung in eine Richtung.
Finden Sie genug Mitarbeiter? Wir bekommen zum Glück seit Jahren Mitarbeiter über Blindbewerbungen. Ich binde sie stark ein und frage meine leitenden Angestellten bei neuen Projekten – aktuell in der Gastronomie oder Hotellerie – um ihre Meinung.
Das nötige Geld ist da? Wir können die Projekte umsetzen, weil wir eine gewisse Bonität haben. Geld hatte ich noch nie. Meine Eltern hatten kein Geld, alles wurde für das nächste Ackerstück veranlagt. Wir waren keine arme Familie, aber wir haben uns nicht viel geleistet. Ich war 16, meine Puch Maxi war 18. Ich hätte gerne eine moderne Rennmaschine gehabt wie die anderen. Aber die Notwendigkeit war meinen Eltern nicht klar.
Welche Devise haben sie Ihnen mitgegeben? Sie haben immer mit Krediten gearbeitet, aber nie eine Liegenschaft eingesetzt. Das ist „Bauerndenken“– im positiven Sinn: „Mein Grund gehört nur mir. Kommt es hart auf hart, kann ich ihn verkaufen.“Da gab es Konfliktpotenzial in der homogenen Betriebsübergabe. Ich bin nämlich komplett anders. Ich sichere alle Investments auch mit Liegenschaften ab – nur nicht mit Boden, das ist der Kompromiss. Bei der Bank stehe ich als Privatperson Erich Scheiblhofer mit meinem – quasi inexistenten, weil betrieblich gebundenen – Vermögen ein. Anders wäre es nicht authentisch.
Diese All-in-Einstellung klingt mehr nach Kalifornien als nach dem Burgenland. Ich bin für 50 Mitarbeiter verantwortlich. Damit spielt man nicht.
Und wofür geben Sie selbst gern Geld aus – abseits der Firma? Das Geldausgeben musste ich erst lernen. Ich habe meine Anzüge 15 Jahre lang bei H&M gekauft. Jetzt leiste ich mir aus Überzeugung welche vom Schneider. Die zwei Anzüge, die ich brauche, müssen einfach sitzen. Und mein Alltagsgewand besteht sowieso aus Jeans und T-Shirt.