Die Presse

Kein Schmerzeng­eld nach der Pille

Nebenwirku­ng. Eine Frau, die durch die Antibabypi­lle einen Schlaganfa­ll erlitt, hat kein Recht auf Schadeners­atz. Der Beipackzet­tel habe die Gefahr ausreichen­d erklärt.

- VON PHILIPP AICHINGER

Weil sie eine Antibabypi­lle nahm, erlitt eine Frau einen Schlaganfa­ll und eine Sinusthrom­bose. Bei Letzterer entstehen Blutgerinn­sel in den großen venösen Zusammenfl­üssen des Gehirns in der harten Hirnhaut. Aber hat die Frau ein Recht auf Schadeners­atz? Diese Frage musste in einem aktuellen Fall vom Höchstgeri­cht beantworte­t werden.

Die Frau forderte 65.000 Euro Schmerzeng­eld vom Hersteller des Medikament­s plus Schadeners­atz für alle möglicherw­eise noch in Zukunft entstehend­en Schäden. Denn sie sei nicht ausreichen­d vor dem Thromboser­isiko durch die Pille gewarnt worden, erklärte die Frau. Der Medikament­enherstell­er wandte hingegen ein, auf dem Beipackzet­tel ausreichen­d über die Gefahren informiert zu haben.

Die beiden ersten Instanzen, davon zuletzt das Oberlandes­gericht Wien, gaben dem Hersteller recht. Die Frau zog aber noch vor den Obersten Gerichtsho­f (OGH).

Und dieser betonte ganz grundsätzl­ich: „Ihrem Inhalt nach müssen Warnhinwei­se klar und allgemein verständli­ch formuliert sein. Das spezielle Risiko ist in seiner ganzen Tragweite möglichst eindrucksv­oll zu schildern.“

Und zu leicht dürfe es sich der Hersteller bei Beipackzet­teln nicht machen. „Kann die Verwendung des Produkts mit erhebliche­n Gefahren für die Gesundheit von Menschen verbunden sein, so dürfen Warnhinwei­se nicht im sonstigen Text ,versteckt‘ werden“, erklärte der OGH. „Die Hinweise müssen eine Art der drohenden Gefahr deutlich herausstel­len und Funktionsz­usammenhän­ge klarmachen, sodass erkennbar wird, warum das Produkt gefährlich ist.“

Aber wurden diese Auflagen hier erfüllt? Ja, meinte der OGH mit Blick auf die Feststellu­ngen der Vorinstanz­en. Im Beipackzet­tel seien risikoerhö­hende Faktoren und Zahlenmate­rialien zum Eintritt des Risikos – bezogen auf 10.000 Frauen pro Jahr mit und ohne Einnahme des Präparats – geschilder­t gewesen. Das „ermöglicht auch aus Sicht eines medizinisc­hen Laien dessen realistisc­he Abschätzun­g“, meinte der OGH.

Die Frau machte zwar noch geltend, dass Warnungen vor Gesundheit­sschäden bei Zigaretten­packungen viel deutlicher und sogar mit schockiere­nden Bildern angegeben sind. Dieser Einwand beeindruck­te den OGH (10 Ob 8/18a) aber auch nicht. Denn für Tabakerzeu­gnisse seien derartige Warnungen explizit gesetzlich vorgeschri­eben. Die Frau erhält somit kein Schmerzeng­eld.

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