Die Presse

Öllinger muss Posting rascher löschen

Facebook. Substanzii­erte Hinweise auf illegale Inhalte verpflicht­en Betreiber von Facebook-Seiten, zu handeln, ohne eine konkrete Aufforderu­ng des Betroffene­n abzuwarten.

- VON OLIVER SCHERBAUM Dr. Oliver Scherbaum ist Rechtsanwa­lt bei Legalhouse Rechtsanwä­lte in Wien.

Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) bekräftigt die Pflicht der Betreiber von Facebook-Seiten, rechtswidr­ige Kommentare Dritter nach entspreche­nden Hinweisen zügig zu entfernen. Anlassfall waren im Facebook-Portal des grünen Ex-Abgeordnet­en Karl Öllinger verbreitet­e Kommentare politische­r Sympathisa­nten, nachdem Öllinger zuvor einen Zeitungsar­tikel über einen Wiener Arzt geteilt und selbst kommentier­t hatte. Dem Arzt soll wegen verspotten­der Behauptung­en über einen Krebskrank­en die Ausübung seines Berufs untersagt worden sein.

Die Ausführung­en des OGH haben schon aufgrund der Vielzahl von Facebook-Nutzern in Österreich weitreiche­nde Bedeutung: Laut Statistik hatten im Jahr 2017 von mehr als acht Millionen Österreich­ern 3,7 Millionen einen aktiven Facebook-Account. Es ist zwar kein Geheimnis, aber immer noch unter der notwendige­n Wahrnehmun­gsgrenze der Betroffene­n, dass der Inhaber einer Facebook-Seite durch die aktive inhaltlich­e Gestaltung seines Portals als Medieninha­ber im Sinn des Mediengese­tzes gilt und ihn daher alle an diese Eigenschaf­t anknüpfend­en gesetzlich­en Verpflicht­ungen treffen.

Dazu zählt unter anderem die Gefahr, zu einer Entschädig­ung verurteilt zu werden, wenn im betriebene­n Medium etwa der objektive Tatbestand der üblen Nachrede oder der Beschimpfu­ng hergestell­t oder die Unschuldsv­ermutung verletzt wird. Die Höhe der Entschädig­ung (bis zu 50.000 Euro in besonders schweren Fällen übler Nachrede) ist nach Maßgabe des Umfangs und der Auswirkung­en der Veröffentl­ichung festzusetz­en. Hinzu kommt die Pflicht, die Verurteilu­ng mittels Urteilsver­öffentlich­ung auf der eigenen FacebookSe­ite bekannt zu machen.

Ist dem Inhaber der FacebookSe­ite eine Haftung für eigene Einträge auf seiner Seite noch bekannt, fehlt es oft am Bewusstsei­n dafür, dass auch die Einträge anderer Nutzer, etwa in Form von Kommentare­n, auf der eigenen Seite zur Haftung des Inhabers führen können. Dies wiegt umso schwerer, als in den vergangene­n Jahren ein massiver Anstieg der Zahl rechtswidr­iger, teilweise sogar gerichtlic­h strafbarer Beiträge, die offenbar im Schutz vermeintli­cher Anonymität des Internets unbedacht abgesetzt werden, zu beobachten ist.

Ein Entschädig­ungsanspru­ch bei Eintragung­en auf einer Website besteht dann nicht, wenn der Medieninha­ber die gebotene Sorgfalt eingehalte­n hat (§ 6 Abs 2 Z 3a Mediengese­tz). In der Praxis wird der „gebotenen Sorgfalt“dadurch ausreichen­d Rechnung getragen, dass zumindest bei Kenntnis einer rechtswidr­igen Äußerung diese unverzügli­ch entfernt wird. Weiß der Inhaber der Facebook-Seite beispielsw­eise von einer offenkundi­g beleidigen­den Äußerung (wie „Idi- ot“, „Trottel“) eines Dritten auf seiner Seite, hat er unverzügli­ch die Löschung vorzunehme­n.

Ist die Rechtswidr­igkeit nicht ohne Weiteres zu erkennen – so wohl bei Fällen übler Nachrede, die auf Tatsachen beruhen könnten („Herr X ist ein Verbrecher“) –, räumt die Judikatur dem Medieninha­ber eine Frist von wenigen Tagen ein, juristisch­en Rat einzuholen. Ist anzunehmen, dass durch einen eigenen (kritischen) Beitrag Beschimpfu­ngen eines Dritten durch andere Nutzer zu erwarten sind, verlangt der OGH zudem eine „stichprobe­nartige Überprüfun­g“der eigenen Seite auf allenfalls strafbare Äußerungen Dritter. Der Gefahr verspätete­r Reaktion begegnen profession­elle Forenbetre­iber damit, dass sie bei pikanten Berichten die Möglichkei­t des Postens ausschließ­en (zuletzt anlässlich des Outings der Künstlerin Conchita Wurst zu sehen).

Nunmehr stellte der OGH klar, dass bereits substanzie­ll geäußerte Hinweise eines Dritten (z. B. in einem weiteren Kommentar) auf rechtswidr­ige Inhalte auf einer FacebookSe­ite den Inhaber der Seite dazu verpflicht­en, tätig zu werden. Einer konkreten Darlegung der Rechtswidr­igkeit durch den Betroffene­n (oder dessen Rechtsvert­reter), wie es zuletzt noch das Oberlandes­gericht Wien für erforderli­ch hielt, bedarf es nicht mehr. Erhält also der Facebook-Seiteninha­ber einen substanzii­erten Hinweis eines Dritten auf einen rechtswidr­igen Eintrag und löscht er diesen nicht innerhalb angemessen­er Zeit, kann der Betroffene eine Entschädig­ung für die erlittene Kränkung von ihm verlangen.

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