Aus dem Lärm der Zeit in die Vergangenheit lauschen
Letzte Gelegenheit in der laufenden Saison zu einer Zeitreise mit dem Clemencic Consort. Sie führt zu den subtilen Künsten des Mittelalters.
Nur ein Treppengeschoß trennt uns von der Einkehr.
Kommenden Donnerstag präsentiert Rene´ Clemencic im Brahms-Saal die für diese Saison letzte Station seiner unermüdlichen Schatzsuche. Diesmal bringt er Kompositionen, die im in Paris aufbewahrten Codex Reina gesammelt sind, ein Einblick ins blühende Musikleben im Frankreich des 14. Jahrhunderts – nach dessen Vorbild sich bald auch in Italien eine reiche Musizierpraxis entwickelt hat: Das Wort „Trecento“hat auch in den Ohren von Musikfreun- den einen guten Klang, überdies mit der sympathischen Tatsache konnotiert, dass hier erstmals höchste artifizielle Ansprüche auch an weltliche Kompositionen gestellt wurden.
Der Trecento-Stilistik entsprach im Französischen die Ars nova, die in die nachmals von der Forschung so genannte Ars subtilior mündete. Verfeinerung, kompositionstechnisches Raffinement erreichten ein zuvor nie gekanntes Ausmaß – was für Musikfreunde eine musikologisch-literarische Flaschenpost bleibt, solang nicht ein Konsortium die Behauptungen der Kulturwissenschaftler in lebendigen Klang verwandelt.
Das ist Clemencics Verdienst: Er versorgt Neugierige unter den Musik- vereins-Abonnenten mit tönenden Beweisen für die schwärmerisch klingenden Erkenntnisse der Musikologie und der Literaturwissenschaft. Seine Neugier hält den Nestor unter den heimischen Musikern offenkundig frisch und inspiriert ihn immer aufs Neue.
Wie klingen sie also wirklich, die „Virelais“und „Balladen“, die Liebeslieder und Tänze in den Kodizes? Wie subtil wirkt die Ars subtilior auf unsere Ohren? Die Konzerte im ClemencicZyklus sind auch meditative Übungen: Wie lang brauchen wir von der Reizüberflutung, die uns noch auf dem Weg in den Musikverein überschwemmt, zu jener inneren Ruhe, ohne die ein solches Konzert gar nicht „konsumiert“werden sollte. Nur in Ruhe lässt sich halbwegs erahnen, was es für Menschen des 14. Jahrhunderts bedeutet haben muss, wenn aus der Stille heraus solche Klänge geboren wurden und sich entfalteten. Aus der Kakofonie der modernen Großstadt in die Polyfonie des Mittelalters? Bis in die Beletage des Musikvereinsgebäudes ist es nur ein Treppengeschoß, danach ist jeder auf sich selbst gestellt, um seine Aufnahmefähigkeit zu fokussieren: Wie schwer fällt es uns bereits, uns auf eine einzelne Instrumentaloder Gesangsstimme zu konzentrieren? Wie wach verfolgen wir das Gegen- und Miteinander dieser Stimme mit einer zweiten, dritten . . .