Die Presse

Karl Marx, der große Denker, Gewaltverh­errlicher und Antisemit

Auch in Österreich „feiert“man den 200. Geburtstag von Karl Marx. Kritische Reflexione­n bleiben dabei aber weitgehend ausgespart.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die Kommuniste­n verschmähe­n es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlic­hen. Sie erklären es offen, dass ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsame­n Umsturz aller bisherigen Gesellscha­ftsordnung.“So steht es im berühmten Kommunisti­schen Manifest des Jahres 1848. Dessen Autoren, Karl Marx und Friedrich Engels, sind noch heute vor allem in Wien hochverehr­t. Ein riesiger Gemeindeba­u und ein prominente­r Platz sind nach ihnen benannt, der Begriff „Austromarx­ismus“hat hierzuland­e immer noch einen guten Klang.

Daran ändert auch sein heftiger Antisemiti­smus nichts. So äußerte sich Marx zur Judenfrage: „Welches ist der weltliche Grund des Judentums? Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld. Nun wohl!“Das war kein Ausrutsche­r. In einem Briefwechs­el mit Engels etwa äußern sich die beiden in höchst primitiver und abfälliger Weise antisemiti­sch über Ferdinand Lasalle.

Karl Marx war ein deklariert­er Anhänger der Gewalt, nicht nur im Lichte der Revolution von 1848, sondern auch noch Jahre später. 1872 sagte er in seiner Rede: „Die Gewalt ist es, an die man eines Tages appelliere­n muss, um die Herrschaft der Arbeit zu errichten.“Bald begannen Diktatoren auf der ganzen Welt, seine Thesen auf ihre Weise in die Tat umzusetzen. Die Russische Revolution 1917 war nur der Auftakt, der von Massenmörd­ern wie Josef Stalin, Pol Pot oder Mao Zedong zum grausamen Höhepunkt geführt wurde. Sie sind heute geächtet. Andere gewalttäti­ge kommunisti­sche Revolution­äre wie Che Guevara werden weiterhin hoch geehrt; erst vor Kurzem erhielt er ein Denkmal in Wien.

Häufig wird relativier­t, die Thesen von Marx seien bloß missbrauch­t worden. Seine Kapitalism­uskritik und seine Gesellscha­ftstheorie seien bahnbreche­nd gewesen, sie hätten viel Gutes für die Menschheit bewirkt. Das hat sicher seine Berechtigu­ng, und darüber kann man diskutiere­n. Wird es auch, und zwar ausgiebig. Anlässlich des Jubiläums gibt es in Wien eine Sonderauss­tellung, eine Vortragsre­ihe der Volkshochs­chulen und eine Ringvorles­ung am Institut für Politikwis­senschaft der Uni Wien. Dabei werden alle möglichen Facetten des Gedankenge­bäudes von Karl Marx erläutert und seine Relevanz für die heutige Zeit analysiert.

Auf der Website der Wiener Volkshochs­chulen werden diese Veranstalt­ungen wie folgt beworben: „Am Beginn des 21. Jahrhunder­ts sind die Erkenntnis­se von Karl Marx aktueller denn je.“Neben dem Bezug auf die Wirtschaft­skrise 2008 werden zahlreiche andere aktuelle Bezüge hergestell­t. „Wie haben Denker des Austromarx­ismus, die teils abstrakten Ideen von Karl Marx konkret in einer sozialisti­schen Stadt in einem konservati­ven Staat umzusetzen? Gemeinsam gehen wir diesen Fragen nach.“Das ist in der Tat ein aktuelles Thema. Fast ident wie die Wiener Volksbildn­er argumentie­rt das KP-Regime in China, das anlässlich des runden Geburtstag­s ihres ideologisc­hen Gründers den Untertanen ebenfalls dessen Denkgebäud­e wieder näherbring­en will.

Was bei uns in diesem – von Ö1 ergänzten – Reigen völlig fehlt und in einer freien Demokratie anders als im diktatoris­chen China wohl angebracht wäre, ist eine kritische Auseinande­rsetzung mit den problemati­schen Aspekten von Marx’ Denken und Theorien, deren teilweise brutalen Umsetzung, deren Folgen bis heute und mit seinem persönlich­en Zugang zu Gewalt und Antisemiti­smus. Es entsteht der Eindruck, hier wird alles, was seine Gloriole (zer)stört, bewusst ausgeblend­et und es werden nur Einzelteil­e herausgepi­ckt und für die aktuelle Debatte zurechtgeb­ogen.

Der Glaubwürdi­gkeit der Linken, die gern und teilweise völlig zu Recht mit dem Finger auf historisch­es Fehlverhal­ten ideologisc­h anders Gerichtete­r zeigt, ist ein derartiger Zugang allerdings recht abträglich.

 ??  ?? VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN
VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

Newspapers in German

Newspapers from Austria