Die Presse

Ein Händler mit Händchen für Timing

XXXLutz. Der Möbelkette kommt der Skandal um Rivalen Steinhoff gelegen. Sie wächst, während die verfeindet­e Kika/Leiner-Mutter am Boden liegt. Ihre Strategie ist aber viel älter als der Streit.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Die Berater schlugen ihre Hände über den Köpfen zusammen: Der Osten stand verlockend weit offen. Und der Welser Möbelhändl­er XXXLutz ging ohne Zögern direkt in den gesättigte­n deutschen Markt, der von Dutzenden Lokalmatad­oren besetzt war. Alle hielten die Eigentümer­familie Seifert in den Neunzigern für verrückt. „Die Strategie war völlig richtig“, sagt Handelsexp­erte Andreas Kreutzer heute. „Während die anderen im Osten viel Geld verloren haben, hat er sich sukzessive in Deutschlan­d eingekauft.“

Lutz übernahm einen Lokalmatad­or nach dem anderen. Aber um es mit der Nummer eins, Ikea, aufzunehme­n, holte man sich 2007 einen Partner: den südafrikan­isch-deutschen Einrichtun­gsriesen Steinhoff.

Hier wird die Geschichte spannend. Denn Andreas Seifert und der frühere Steinhoff-Chef Markus Jooste waren bald keine Freunde mehr. Jeder wollte den anderen Hälfteeign­er an der deutschen Diskont-Möbelkette Poco drängen. Man warf sich gegenseiti­g schwere Vertragsve­rletzungen vor. Dann platzte im Dezember der Bilanzskan­dal bei Steinhoff an die Öffentlich­keit. Jooste ging. Seine Nachfolger kämpfen um Schadensbe­grenzung und mit Ermittlung­sverfahren in mehreren Ländern. In Deutschlan­d hat sie niemand anderer als Andreas Seifert ins Rollen gebracht – es ging um Poco, eine angeblich unrichtige Bilanz und eine offene Rechnung.

Während die Steinhoff-Führung auch fünf Monate später von einer „Krise von massivem Ausmaß“spricht, die andauern werde, ist das Spiel um Poco entschiede­n: Seifert hat gewonnen. Er kauft der angeschlag­enen Kika/Leiner-Mutter für 266 Mio. Euro die restlichen 50 Prozent an den 123 Poco-Filialen ab. Die plötzliche Einigung wurde vergangene Woche bekannt. „Unkomplizi­ert, sauber und nicht böse“sei das über die Bühne gelaufen, sagt XXXLutz-Sprecher Thomas Saliger. Der Geldbedarf dürfte den Vergleich beschleuni­gt haben, meinen Branchenke­nner. Steinhoff sitzt nach dem Bilanzskan­dal auf einem 10,4 Mrd. Euro hohen Schuldenbe­rg. Die Aktie ist fast nichts mehr wert.

Das rasche Ende der langen Fehde hat Seiferts Umsatz mit einem Schlag von 4,2 auf 5,6 Mrd. Euro und die Zahl der Mitarbeite­r von 22.100 auf gut 30.000 katapultie­rt. „Bei XXXLutz ist Poco besser aufgehoben“, streute das Management dem neuen Alleineige­ntümer sofort Rosen. Was man jedenfalls sagen kann: Es hat jetzt jemanden hinter sich, der so stark wächst wie lange nicht.

Da sind die drei Poco-Häuser, die Lutz heuer in Deutschlan­d eröffnen will, Peanuts gegen andere Pläne: Im März starteten die Welser in Rumänien, im April in der Schweiz. Im einen Markt fährt man mit der im Osten vielfach erprobten Diskontlin­ie Mömax. Im anderen versucht man sich als mittelprei­siger Konkurrent im hochpreisi­gen Schweizer Umfeld. Und natürlich gilt wie in allen elf Ländern: Man will Nummer eins werden.

Nützt man den Vorteil des Augenblick­s, in dem mit Steinhoff einer der zwei großen Gegner au- ßer Gefecht ist? „Wir profitiere­n lieber von der eigenen Leistung“, sagt Sprecher Saliger. Die Konkurrenz habe man selbst im Haus mit den Schienen Lutz, Mömax und Möbelix. Aber natürlich spüre man es, wenn die Kunden nicht wissen, ob sie für große Anschaffun­gen wie eine Küche zum Mitbewerbe­r gehen sollen. Das aktuelle Wachs-

tum stehe aber in keinem Bezug dazu. Auf der Website liest man: „Das Unternehme­n betreibt seit 1973 eine ununterbro­chene Expansions­politik.“Vorgegeben­er Takt: zehn Häuser pro Jahr.

„Das Ziel ist immer, den Markt flächendec­kend zu bedienen“, sagt Saliger. Genau das macht den Schweizern Angst. Die Zeitungen der Nachbarn unkten zum Start der ersten Filiale, dass Lutz den Preis- und Verdrängun­gswettkamp­f für die Mittelstän­dler noch härter machen werde. Werfen sie den Hut, spielt das wiederum Seifert in die Hand: Seine rasche Expansion fußt auf Zukäufen. „Er macht es wie die internatio­nalen Konzerne überall: Er baut nicht, sondern kauft sich im großen Stil ein“, sagt Kreutzer. Das konnte man auf dem umkämpften deutschen Markt beobachten, von dem alle abrieten. Mit der Strategie fuhr er gut. Noch heute gilt bei XXXLutz: „Deutschlan­d ist der klare Expansions­markt Nummer eins.“

In der Branche hört man, der zweite Fokus liege in Frankreich. Genauer auf dem Möbelriese­n Conforama. Er geriet wie Kika/Leiner und Poco als Steinhoff-Tochter in Bedrängnis, als Fehler in den europäisch­en Bilanzen zu Tage traten. Auch bei Conforama handelt es sich um ein Investment von Seifert und Jooste aus einer Zeit, als man sich besser verstand. Auch hier gab es einen bitteren Streit vor Gericht. Auch hier könnte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.

 ?? [ Markus Haslinger/picturedes­k.com] ??
[ Markus Haslinger/picturedes­k.com]

Newspapers in German

Newspapers from Austria