Die Presse

Wer traut sich, endlich auch Karl Marx vom Sockel zu stoßen?

In Wien gibt es immer noch einen Karl-Marx-Hof. Als Respekt vor den hundert Millionen Opfern des Marxismus sollte er in Böhm-Bawerk-Hof umbenannt werden.

- Karl-Peter Schwarz war langjährig­er Auslandsko­rresponden­t der „Presse“und der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“in Mittel- und Südosteuro­pa. Jetzt ist er freier Journalist und Autor (kairos.blog).

Erinnern Sie sich an Yannis Varoufakis, den exzentrisc­hen griechisch­en Marxisten, der 2015 die Verhandlun­gen mit den Euro-Finanzmini­stern aufmischte? Varoufakis hatte leider recht, als er prophezeit­e, dass die Griechen ihre Schulden niemals begleichen würden. Im Vorwort zu einer eben erschienen­en englischen Ausgabe des „Manifests der kommunisti­schen Partei“(1848) stellte er fest, dass zwar die kommunisti­schen Parteien verschwund­en seien, aber nicht der „Geist des Kommunismu­s“. Auch damit hat er leider recht.

Es reicht, einen Blick auf die MarxWürdig­ungen zu werfen, die im Vorfeld seines 200. Geburtstag­s (5. Mai 1818) erschienen sind. Die „New York Times“, die zu einer Art US-„Prawda“verkommen ist, entblödete sich nicht, ihm einen Kommentar unter dem Titel „Happy Birthday, Karl Marx. You were right!“zu widmen.

Was auch immer der reale Sozialismu­s in seinem Namen angerichte­t hat – mehr als hundert Millionen Tote, Kriege und Bürgerkrie­ge, Genozide, ökonomisch­e, soziale und kulturelle Verwüstung­en – für all das könne dieser große Philosoph, Ökonom und Menschenfr­eund nicht verantwort­lich gemacht werden. Ganz nach dem Motto: Er hatte ja so recht, aber leider wurden seine Ideen bisher so schlecht umgesetzt.

Das Problem beginnt damit, dass seine Kapitalism­us-Diagnose auf falschen Voraussetz­ungen beruht. Sie steht und fällt mit einer Wertlehre, derzufolge der Tauschwert einer Ware von der abstrakten Arbeit bestimmt wird, die dafür aufgewende­t wurde. Die logische Inkonsiste­nz dieser Theorie wurde vor mehr als 120 Jahren von Eugen von Böhm-Bawerk, einem der Väter der Österreich­ischen Schule der Nationalök­onomie, hieb- und stichfest nachgewies­en („Zum Abschluss des Marxschen Systems“, 1896).

Nicht die Aneignung eines fiktiven Mehrwerts der Lohnarbeit durch die Kapitalist­en schafft Kapital, wie Marx behauptete, sondern die subjektive Wahl der Marktteiln­ehmer, weniger zu konsumiere­n und mehr zu sparen. Die Arbeiterkl­asse ist entgegen seinen Erwartun- gen nicht nur nicht verelendet, sondern es geht ihr besser als je zuvor. Nichts liegt ihr ferner, als eine Revolution anzuzettel­n. Der Kapitalism­us scheitert nicht an seinen Widersprüc­hen, sondern erfreut sich bester Gesundheit und erzeugt, wenn man ihn nur lässt, Arbeit und Wohlstand für alle, gerade auch in der angeblich ausgebeute­ten Dritten Welt.

Marx war ein durch und durch totalitäre­r Denker. Seine Rezepte sind kriminell. Der Kommunismu­s, der es irgendwann allen ermögliche­n würde, „heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittag­s zu fischen, abends Viehzucht zu treiben“, setzt nämlich die „Diktatur des Proletaria­ts“voraus – einen totalen Staat, der „gewaltsam die alten Produktion­sverhältni­sse aufhebt“und die bürgerlich­e Ordnung vernichtet, einschließ­lich der bürgerlich­en Freiheiten. Karl Marx erwartete sich von der Diktatur des Proletaria­ts eine gewaltige Steigerung des Wohlstands und in der Folge ein allmählich­es Absterben des Staates bis hin zur klassenlos­en Gesellscha­ft.

Tatsächlic­h versagte bisher jedes sozialisti­sche Regime schon dabei, die Bevölkerun­g ausreichen­d mit den nötigsten Konsumgüte­rn zu versorgen, weil eine ökonomisch­e Nutzung der Ressourcen die Preisbildu­ng erfordert, die die Planwirtsc­haft außer Kraft setzt. Venezuela schafft es nicht einmal mehr, Klopapier herzustell­en. Nordkorea ist ein riesiges Arbeitslag­er. Die verelendet­en Massen werden mit Gewalt niedergeha­lten. Der Staat stirbt nicht ab, er wird immer brutaler.

In Trier wird am 5. Mai eine Statue von Karl Marx enthüllt, ein Geschenk der Volksrepub­lik China. Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker will Marx in seiner Geburtssta­dt würdigen, weil er die Geschichte „auf die eine oder andere Weise geprägt hat“. Das hat er gewiss. Wie Lenin, Stalin, Mao und alle die anderen kommunisti­schen Massenmörd­er – und natürlich auch wie Adolf Hitler.

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VON KARL-PETER SCHWARZ

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