Djokovi´c’ Tiroler Krisenmanager
Tennis. Um an Erfolge vergangener Tage anzuschließen, holt der ehemalige Weltranglistenerste Novak Djokovi´c seinen langjährigen Fitnesstrainer Gebhard Gritsch zurück ins Betreuerteam.
Ein Cafe´ in Belgrad, Gebhard Gritsch nutzt die kurze Pause zur Entspannung. Der Tiroler ist nicht hier, um den Frühling in Serbiens Hauptstadt zu genießen, auf dem Tagesprogramm steht wieder stundenlanges Schuften. Niemand Geringerer als Novak Djokovic´ beansprucht die Dienste des österreichischen Fitnesstrainers und Ernährungsberaters im Novak-Tenniscenter, einem an der Donau gelegenen Komplex.
Gritsch und Djokovic´ kennen einander schon eine kleine Ewigkeit. Acht Jahre lang waren die beiden ein Team, bis zu 40 Wochen im Jahr begleitete der Tiroler den Serben rund um den Globus. Bis Mai 2017, als sich der krisengebeutelte Djokovic´ überraschend von seinem kompletten Trainerstab trennte, in der Hoffnung, neue Reize würden alte Erfolge hervorbringen. Doch weder sein umstrittener spanischer Mentalcoach Pepe Imaz noch der frühere Superstar Andre Agassi konnte Djokovic´ in die Erfolgsbahn lenken. Es hagelte Niederlagen gegen Spieler, die bis vor zwei Jahre fürchten mussten, vom zwölffachen Grand-SlamChampion nach allen Regeln der Tenniskunst gedemütigt zu werden. Eine langwierige Ellbogenverletzung war einer triumphalen Rückkehr des ehemaligen Branchenprimus ebenfalls nicht dienlich.
Jüngste Auftaktniederlagen in Miami, Indian Wells und Barcelona sowie die Einsicht, keine Fortschritte zu erzielen, haben Djokovic´ nun zu der Erkenntnis gebracht, Grundlegendes ändern zu müssen. Also reaktivierte er vor dem Turnier in Monte Carlo mit Langzeitcoach Marjan Vajda jenen Mann, der von 2006 bis 2017 an seiner Seite gestanden war und für die größten Erfolge mitverantwortlich gezeichnet hatte. Dem nicht genug, bat Djokovic´ nun auch Gritsch um Unterstützung, ließ ihn vergangene Woche zum Turnier in Barcelona einfliegen. Gritsch sollte sich ein Bild vom Zustand des Mannes aus Belgrad machen.
Lang überlegen musste der 61-Jährige nicht, hier geht es nicht um Geld oder Anerkennung, es ist vielmehr ein Freundschaftsdienst. „Novak“, sagt Gritsch im Gespräch mit der „Presse“, ist in einer sehr schwierigen Situation. Wenn ich helfen kann, dann tue ich das gern.“
Also wird dieser Tage an allen möglichen Schrauben gedreht. Gritsch kümmert sich um Biomechanik und Fitness seines langjährigen Wegbegleiters, Vajda um Tennisspezifisches. „Wir waren immer ein sehr gutes Team“, sagt Gritsch, der bereits erste Fortschritte zu erkennen glaubt. „Gefühlsmäßig hilft Novak allein schon die Tatsache weiter, dass wir wieder mit ihm auf dem Platz stehen. Er weiß genau, wie wir arbeiten.“
Djokovic,´ Vajda, Gritsch: Es ist so etwas wie das Treffen alter Bekannter in Belgrad, zum großen Familienglück fehlt eigentlich nur Boris Becker, der den „Djoker“zu sechs Grand-Slam-Titeln geführt hat. Eine Rückkehr des Deutschen ist derzeit aber nicht absehbar, „vielleicht stellt sich die Frage später irgendwann einmal“, sagt Gritsch. „Boris war immer sehr gut in der Analyse und unheimlich wettkampferfahren.“
Bis inklusive der French Open will Gritsch Djokovic´ vorerst betreuen, weitere Details wurden noch nicht besprochen. Um es wieder ganz nach oben zu schaffen, müsse vor allem die Einstellung stimmen, meint Gritsch: „Als Novak die Zusammenarbeit vor einem Jahr beendet hat, wollte er den Sieg nicht genug, hat nicht intensiv genug trainiert. Um aber ganz oben zu stehen, muss alles passen.“