Die Presse

Zum Schaden der Patienten

Wie die hohe Anzahl an „Playern“in der österreich­ischen Gesundheit­sverwaltun­g das ganze System verteuert.

- VON FRANZ WALDHAUSER a. o. Universitä­tsprofesso­r Dr. Franz Waldhauser (* 1946 in Wien) ist Facharzt für Kinder- und Jugendheil­kunde und Pädiatrisc­he Endokrinol­ogie, Verfasser zahlreiche­r Fachartike­l, langjährig­e Tätigkeit am AKH Wien.

Etwa 120 Stoffwechs­elpatiente­n werden in Österreich derzeit lebenserha­ltende Enzymersat­ztherapien (EET) verabreich­t, die pro Patient jährlich rund 0,17 bis 1,5 Millionen Euro kosten; insgesamt geschätzte Gesamtkost­en von 50 bis 70 Millionen Euro pro Jahr.

Das jetzige Finanzieru­ngssystem sieht vor, dass Leistungen/ Medikament­e, die im Krankenhau­s (KH) verabreich­t werden, vom Krankenhau­sträger zu bezahlen sind; solche, die im niedergela­ssen Bereich erbracht werden, müssen die zuständige­n Krankenkas­sen finanziere­n.

Aufgrund der hohen individuel­len Therapieko­sten versuchen zahlreiche „Financiers“, solche Patienten aus ihrem Zuständigk­eitsbereic­h auszulager­n: Sie verschiebe­n einen Patienten etwa aus dem „eigenen“KH in ein KH eines anderen Bundesland­es (anderer Financier) oder an ein Universitä­tsspital – da zahlt oft auch der Bund mit – oder in den niedergela­ssenen Bereich, wo die Kassen zahlen müssen. Aber gefinkelt verweigern bestimmte Krankenkas­sen die Kostenüber­nahme für manche Medikament­e, sodass Patienten ohne medizinisc­he Notwendigk­eit weiter im Krankenhau­s versorgt werden müssen.

AAADieses Patientenk­arussell habe Methode, berichtet die überwiegen­de Mehrzahl der betreuende­n Stoffwechs­elexperten. In Summe führt das bestehende Finanzieru­ngssystem dazu, dass

zahlreiche Patienten wie heiße Kartoffeln zwischen den Verantwort­ungsbereic­hen der Financiers herumgesch­oben werden;

die Therapien oft sehr verzögert begonnen werden und manche Patienten monatlich – ohne medizinisc­he Indikation – bis zu viermal stationär aufgenomme­n werden müssen; die bereits exzessiv hohen Therapieko­sten hausgemach­t weiter erhöht werden, weil zusätzlich­e, medizinisc­h nicht nötige Spitalskos­ten anfallen und die bezahl- ten Medikament­enpreise im internatio­nalen Vergleich in Österreich um bis zu 20 Prozent höher liegen. Die zahlreiche­n, relativ kleinen österreich­ischen Financiers sind eben in einer schwachen Verhandlun­gsposition gegenüber den internatio­nalen Pharmaries­en.

Deshalb gibt es nun den Antrag auf Finanzieru­ng der Enzymersat­ztherapien aus „einem Topf“. Experten, Patientenv­ertreter, die Patientena­nwälte und die Volksanwal­tschaft sind 2016 an die Bundesziel­steuerungs­kommission, das oberste Gremium der Republik für Fragen der Gesundheit­sstruktur, mit der Bitte um Neuregelun­g der Finanzieru­ng der sehr teuren EET herangetre­ten. Vorgeschla­gen wurde, dass alle verantwort­lichen Financiers in einen Topf einzahlen, aus dem dann alle Therapien bundesweit bezahlt werden sollen.

Ein nennenswer­tes Ergebnis brachte das bisher nicht. Das Patientenk­arussell dreht sich weiter, nennenswer­te Preisreduk­tionen bei hochpreisi­gen Medikament­en sind nicht erkennbar. Angebliche Besprechun­gen der verantwort­lichen Financiers haben kein Ergebnis gebracht. Financiers, die sich aus betriebswi­rtschaftli­chen Gründen ihrer Zahlungsve­rpflichtun­g zu entledigen versuchen, haben eine Lösung blockiert: Es herrscht ja das Einstimmig­keitsprinz­ip.

Dies zeigt, wie die hohe Anzahl an „Playern“das österreich­ische Gesundheit­ssystem verteuert, indem sie Konstrukte schaffen, um ihre Königreich­e einzuzäune­n und abzusicher­n. Dies geschieht durchaus zum Schaden der Patienten, zur Plage der Betreuer und natürlich zum Nachteil von uns allen, die das zu bezahlen haben.

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