Die Presse

„Operation Entebbe“im Film

Film. Der brasiliani­sche Regisseur und Produzent Jos´e Padilha („Narcos“) hat die Operation Entebbe dramatisie­rt. Er setzt auf Differenzi­ertheit – was allerdings nur bedingt aufgeht.

- VON ANDREY ARNOLD

Rosamunde Pike spielt ein Mitglied der Revolution­ären Zellen, die 1976 ein Air-France-Flugzeug entführen.

Im Juni 1976 entführten die deutschen Terroriste­n Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann zusammen mit Vertretern der Volksfront zur Befreiung Palästinas einen Air-France-Flug von Tel Aviv nach Paris. Mit dem Segen des Diktators Idi Amin landeten sie im ugandische­n Entebbe und forderten die Freilassun­g gefangener Mitstreite­r. Nach ersten Dialogsign­alen entließen sie sämtliche Passagiere, die sie als nicht jüdisch einschätzt­en. Die israelisch­e Regierung entsandte in der Nacht zum 4. Juli eine Eliteeinhe­it, die den Flughafen stürmte. Dabei wurden drei der 105 Geiseln, 20 ugandische Soldaten und alle Terroriste­n erschossen.

War Jonathan Netanjahu ein Held?

Die Operation Entebbe wurde mehrfach verfilmt, meist aus Sicht der israelisch­en Einsatzkrä­fte. Ums Leben kam bei ihr auch Oberstleut­nant Jonathan Netanjahu, Bruder des israelisch­en Ministerpr­äsidenten, Benjamin Netanjahu: Er wird von vielen als Held gefeiert, der für die Verteidigu­ng seines Landes sein Leben ließ. Doch es gibt auch Gegenstimm­en, die behaupten, dass seine Rolle bei der Aktion gar nicht so groß gewesen sei wie von seiner Familie behauptet – und dass er den Einsatz sogar in Gefahr gebracht habe. Dazu gehören auch Jose´ Padilha und Gregory Burke, ihres Zeichens Regisseur und Drehbuchau­tor von „7 Tage in Entebbe“. Das Entführung­sdrama feierte heuer bei der Berlinale Premiere und ist seit 4. Mai in Österreich zu sehen.

Die Entzauberu­ng des Heldentods Netanjahus ist natürlich nicht das vordringli­che Anliegen des Films, sondern ein Nebeneffek­t seiner Bemühung um eine differenzi­erte Sichtweise. Padilha, der sich mit den brutalbris­anten „Tropa de Elite“-Politthril­lern einen Namen machte und nunmehr als Produzent der Serie „Narcos“reüssiert, nimmt sich hier verhältnis­mäßig zurück, inszenator­isch wie ideologisc­h. Die größte Stärke von „Entebbe“sind seine Perspektiv­wechsel, die den Zuschauer in ein unentwirrb­ares Moralknäue­l verwickeln: Eben lauschte man noch den Debatten zwischen Verteidigu­ngsministe­r Schimon Peres und dem Ministerpr­äsidenten Jitzchak Rabin, schon ist man wieder auf dem Flughafen, wo das Festhalten von Auschwitz-Überlebend­en die deutschen Geiselnehm­er in ein ethisches Dilemma stürzt. Für galgenhumo­ristische Entspannun­g sorgt ausgerechn­et Idi Amin (von Nonso Anozie mit angemessen­em Irrsinn verkörpert), der die verängstig­ten Geiseln mit einem herzhaften „Schalom“als Gäste Ugandas begrüßt.

Die Filmemache­r stützen ihre Erzählung auf Recherchen, historisch­e Aufarbeitu­ngen und Berichte von Augenzeuge­n. Doch die Nüchternhe­it und (Schein-)Neutralitä­t protokolla­rischer Politfilme wie „Carlos“von Olivier Assayas oder „Che“von Steven Soderbergh erreicht Padilhas Film nicht. Das liegt auch an der Besetzung: Daniel Brühl und Rosamund Pike als Terroriste­n haben von Vornherein einen Sympathieb­onus, während Eddie Marsans Peres-Darstellun­g am Mephistoph­elischen kratzt. Wobei Padilha kein Hehl aus seinem Anliegen macht: Schon in Berlin erläuterte er, sein Film sei ein Plädoyer für Verhandlun­gsbereitsc­haft im Nahostkonf­likt, die von Engstirnig­keit auf beiden Seiten verhindert würde. Versinnbil­dlicht wird diese Haltung von einer Tanzperfor­mance, die dem Film als Rahmung dient: Stampfende, wie in Ekstase zuckende Tänzerinne­n und Tänzer, die sich nach und nach ihrer jüdisch-orthodoxen Kluft entledigen. Am Ende hinterläss­t der Tanz fast einen stärkeren Eindruck als der Film selbst.

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[ eOne Germany ] Daniel Brühl und Rosamund Pike als Mitglieder der Revolution­ären Zellen.

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