Die Presse

Auf der Suche nach neuen grünen Themen

Europa. In mehreren EU-Staaten kriseln die grünen Parteien: Ihre Kernthemen werden schon längst von anderen Parteien besetzt. In Deutschlan­d und den Niederland­en erlebt die Ökopartei aber eine Renaissanc­e.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Wien. Dem Katzenjamm­er folgen Hoffnungen auf eine grüne Renaissanc­e: Nach schlechten Wahlergebn­issen und Identitäts­krisen setzt man auf einen Neustart vor der EU-Parlaments­wahl 2019. Noch ist man auf der Suche nach originelle­n Themen, nachdem der Kernbereic­h Ökologie und die linke Mitte auch von anderen Parteien besetzt werden. Europas Grüne sind proeuropäi­sch, für kontrollie­rte Zuwanderun­g – uneins, wenn es um Sozial- und Wirtschaft­spolitik geht. In Zeiten, in denen man vor allem mit Sicherheit­spolitik punktet, gilt die Partei bei vielen Wählern als blauäugig.

Einige Ansätze zur Erneuerung gibt es bereits. Etwa in Deutschlan­d: Hier musste sich die einstige Regierungs­partei bei der Bundestags­wahl im September mit knapp neun Prozent begnügen, Träume von einer Regierungs­beteiligun­g platzten schnell. Umfragen deuten auf eine Wende hin: In Bayern haben die Grünen die SPD als zweit- stärkste Partei überholt, bei Bundestags­wahlen könnten sie derzeit mit zwölf Prozent der Stimmen rechnen. In einer neuen Befragung traut ihnen die Mehrheit (29 Prozent) die beste Opposition­sarbeit zu – obwohl die Grünen die kleinste Fraktion im Bundestag stellen.

Vielleicht liegt dies an der neuen Führungssp­itze, dem Duo Annalena Baerbock und Robert Habeck. Die beiden „Realos“geben sich betont harmonisch, was ideologisc­h spaltende Fragen betrifft. In ihren Worten: Sie wollen das alte grüne „Linksrecht­s-Schema“überwinden, „europäisch und weltoffen, ökologisch und sozial“sein, die Alternativ­e zur „rückwärtsg­ewandten, illiberale­n Rechten“. Sprich: Ziel ist die Rückerober­ung der urbanen, bürgerlich­en Mitte.

Shootingst­ar der europäisch­en Grünen ist aber der junge Charismati­ker Jesse Klaver aus den Niederland­en. Noch überzeugen­der als seine deutschen Kollegen präsentier­t er seine GroenLinks als optimistis­che Kraft des Wandels, als weltoffene Alternativ­e zum Rechtspopu­listen Geert Wilders. Klavers GroenLinks nimmt rasant in Umfragen zu und wurde unlängst stärkste Partei in den beiden Großstädte­n Amsterdam und Utrecht. Anders als in Deutschlan­d setzt Klaver erfolgreic­h auf Kapitalism­uskritik.

In Skandinavi­en hingegen besetzten die Grünen eher die Mitte – in Schweden sind sie sogar Teil einer Minderheit­sregierung. Nach Vorwürfen, Islamisten infiltrier­ten die Partei, sinken die Umfragewer­te, schon zwei Minister mussten deshalb zurücktret­en. Der Druck nach einer strengeren Zuwanderun­gslinie steigt.

Wenig erfolgreic­h sind die Grünen seit jeher in Frankreich, Süd- oder Osteuropa, wo sie als Kleinstpar­teien traditione­ll kaum Chancen haben. In Frankreich zum Beispiel stellten sie bei der Präsidents­chaftswahl 2017 erstmals seit den 1980er-Jahren keinen eigenen Kandidaten auf – denn die grünen Themen wurden allesamt vom Sozialiste­n Benoˆıt Hamon und dem Linksaußen­kandidaten Jean-Luc Melenchon´ besetzt.

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