Die Presse

War Golan-Video bekannt?

Heer. Ex-Minister Klug habe die Aufnahmen nie gesehen, sagt er zur „Presse“. In einer Kaserne dürften sie zur „Schulung“gezeigt worden sein.

- VON IRIS BONAVIDA UND CHRISTIAN ULTSCH

Nach und nach kommen immer mehr Details über jenes Video ans Licht, das österreich­ische Soldaten am 29. September 2012 bei ihrem Einsatz am Golan zeigt. Und damit drängt sich auch die Frage auf: Wer wusste im Verteidigu­ngsministe­rium davon? Denn die Aufnahmen dürften einem weit größeren Kreis im Militär bekannt gewesen sein, als bisher gedacht.

Das legt ein Bericht der „Kleinen Zeitung“nahe: Laut einem ExSoldaten, der im Bundesheer­zentrum für Internatio­nale Einsätze in Götzendorf für die Mission ausgebilde­t wurde, wurde das Video zu „Schulungsz­wecken“verwendet. Man habe auch über die Handlung der Soldaten „heftig debattiert“.

Die Aufnahmen zeigen, wie österreich­ische Blauhelme syrische Geheimpoli­zisten zu einem Hinterhalt durchwinke­n. Bei der Schießerei danach wurden neun syrische Polizisten getötet.

Das Video soll mehr als 100 Uniformier­ten in Götzendorf präsentier­t worden sein. Zum Einsatz kamen die Soldaten aber nie: Wenig später kündigte die rot-schwarze Regierung den Golan-Rückzug an. Maßgeblich an der Entscheidu­ng beteiligt war der damalige Verteidigu­ngsministe­r, Gerald Klug (SPÖ): Von der Existenz des Videos bzw. des Vorfalls am Golan habe aber auch er „aus den Medien erfahren“, sagt er der „Presse“. Wie das möglich sei? „Nicht alle Details erreichen den Minister. Das ist auch von der Meldediszi­plin abhängig.“Sollten die Aufnahmen aber tatsächlic­h in Götzendorf gezeigt worden sein, hätten die zuständige­n Kommandant­en dies melden sollen.

Österreich­s Blauhelme abzuziehen sei jedenfalls richtig gewesen – auch wenn die Regierung dafür heftig kritisiert wurde. Um die Soldaten nicht zu gefährden, habe man aber nicht „in aller Deutlichke­it kommunizie­ren können“, warum die Entscheidu­ng nötig gewesen sei. Ausschlagg­ebend sei aber letztlich gewesen, dass der Bürgerkrie­g auch in der entmilitar­isierten Zone gewütet hat. Das UN-Mandat, die Überwachun­g des Waffenstil­lstandes, hätte auch nicht mehr zur brisanten Lage vor Ort gepasst.

Ihm, Klug, würde es jedenfalls leidtun, „wenn dieser Vorfall dazu benützt würde, die wichtigen internatio­nalen Missionen zu hinterfrag­en“. Man könne „dreimal Danke sagen, wenn sich ein Soldat für einen gefährlich­en Einsatz zur Verfügung stellt“. Sein Nachfolger, Mario Kunasek (FPÖ), will nun den Auftrag der Untersuchu­ngskommiss­ion erweitern: Die Arbeitsgru­ppe soll bis Ende Mai nicht nur analysiere­n, ob die Soldaten rechtens gehandelt haben. Sondern auch klären, welche verantwort­lichen Kommandant­en von dem Video gewusst haben. Ein offizielle­s Schulungsm­aterial war es laut Verteidigu­ngsressort nie.

Grundsätzl­ich herrscht in der entmilitar­isierten Zone auf dem Golan ein Foto- und Filmverbot. Nun soll geprüft werden, ob sich Soldaten darüber hinwegsetz­ten oder auf Anweisung ihrer Vorgesetzt­en filmten. Leiter der Blauhelme auf dem Golan war damals ein Inder. Der österreich­ische Kommandant der Ausbatt-Einheit war zum Zeitpunkt des Vorfalls auf Urlaub. Ihn vertrat ein Kroate. Seit Donnerstag hat die Kommission vier Zeugen befragt.

(SPÖ) war hauptveran­twortlich für den Golan-Rückzug von Österreich­s Blauhelmen. Er war von März 2013 bis Jänner 2016 Verteidigu­ngsministe­r.

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