Atempause für Theresa May
Großbritannien. Labour kann bei Lokalwahlen aus Dauerkrise der Regierung kein Kapital schlagen.
Erleichterung bei den Konservativen und Enttäuschung bei Labour. Die Lokalwahlen in 150 Bezirken Englands haben den regierenden Tories nicht die befürchtete Schlappe eingebracht, während die führende Oppositionspartei keinen Durchbruch erringen konnte. Selbst Labour-Chef Jeremy Corbyn sprach gestern, Freitag, lediglich von einem „soliden“Resultat, während Premierministerin Theresa May versprach: „Wir werden auf diesem Erfolg aufbauen.“
Labour blieb vor allem in London hinter den hohen eigenen Erwartungen zurück. In den Bezirken Wandsworth und Westminster gelang es nicht, die konservative Gemeinderatsmehrheit zu brechen. In der Tory-Hochburg Kensington und Chelsea konnte sich die Partei trotz der Brandkatastrophe im Grenfell Tower im Vorjahr behaupten. In einer der reichsten Gegenden des Landes waren dabei 71 Menschen ums Leben gekommen, unter anderem, weil am Brandschutz gespart worden war. Am schwersten traf die Oppositionspartei aber ihr Scheitern im Nordlondoner Bezirk Barnet, wo die Konservativen die Mehrheit erringen konnten. In der namhaften lokalen jüdischen Gemeinde blieb die Auseinandersetzung um echte und vermeintliche antisemitische Tendenzen in der Labour Party nicht ohne Folgen. „Das hat sicher einen Unterschied gemacht“, sagte der örtliche Kandidat Barry Rawlings.
Auf der Habenseite konnte Labour nur den Gewinn der Mehrheit in der südenglischen Hafenstadt Plymouth und in Trafford, einem wohlhabenden Vorort von Manchester, verbuchen. Wahlforscher John Curtice meinte, die Partei sei „mit ziemlich leeren Händen“aus der Wahl hervorgegangen: „Die Erwartungen waren groß, aber viel zu feiern gibt es nicht.“Dass die Konservativen trotz des Dauerstreits um den Brexit und das Debakel um die feindliche Behandlung von Einwanderern ziemlich ungeschoren aus der Wahl hervorgingen, hatte vor allem zwei Gründe. Labour hatte zuletzt 2014 überdurchschnittlich viele Sitze gewonnen. Vor allem aber konnten die Konservativen die Mehrheit der Stimmen ehemaliger Ukip-Wähler für sich verbuchen, während die europafeindlichen Populisten einen Totalzusammenbruch erlitten.
Ukip-Generalsekretär Paul Oakley erteilt Voraussagen über die baldige Auflösung der Partei dennoch eine Absage: „Wir sind wie die Pest“, sagte er. „Sie kommt, zerstört, und dann schlummert sie. Genau das werden wir tun. Unsere Zeit ist nicht vorbei, denn beim Brexit wird betrogen.“In Brexit-Gegenden hielten sich die Konservativen am besten, in Basildon und Peterborough konnten sie sogar die Mehrheit gewinnen. Von einem Umdenken der Briten beim EU-Austritt ist keine Spur zu erkennen.
Für Premierministerin May bedeutete das Wahlergebnis eine Atempause. Erst zu Wochenbeginn hatte sie mit Innenministerin Amber Rudd bereits das fünfte Regierungsmitglied in nur zehn Monaten verloren. Der neue Mann im Amt, Sajid Javid, machte gleich nach seiner Bestellung mit den BrexitAnhängern gemeinsame Sache und brachte einen Vorschlag Mays zur Ersetzung der Zollunion mit der EU durch eine Zollpartnerschaft zu Fall. Lang wird Mays Atempause nicht währen. Javid hat ihren Job bereits im Visier, doch der einzige Grund, warum May noch im Amt ist, heißt Jeremy Corbyn.