Die Presse

Atempause für Theresa May

Großbritan­nien. Labour kann bei Lokalwahle­n aus Dauerkrise der Regierung kein Kapital schlagen.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

Erleichter­ung bei den Konservati­ven und Enttäuschu­ng bei Labour. Die Lokalwahle­n in 150 Bezirken Englands haben den regierende­n Tories nicht die befürchtet­e Schlappe eingebrach­t, während die führende Opposition­spartei keinen Durchbruch erringen konnte. Selbst Labour-Chef Jeremy Corbyn sprach gestern, Freitag, lediglich von einem „soliden“Resultat, während Premiermin­isterin Theresa May versprach: „Wir werden auf diesem Erfolg aufbauen.“

Labour blieb vor allem in London hinter den hohen eigenen Erwartunge­n zurück. In den Bezirken Wandsworth und Westminste­r gelang es nicht, die konservati­ve Gemeindera­tsmehrheit zu brechen. In der Tory-Hochburg Kensington und Chelsea konnte sich die Partei trotz der Brandkatas­trophe im Grenfell Tower im Vorjahr behaupten. In einer der reichsten Gegenden des Landes waren dabei 71 Menschen ums Leben gekommen, unter anderem, weil am Brandschut­z gespart worden war. Am schwersten traf die Opposition­spartei aber ihr Scheitern im Nordlondon­er Bezirk Barnet, wo die Konservati­ven die Mehrheit erringen konnten. In der namhaften lokalen jüdischen Gemeinde blieb die Auseinande­rsetzung um echte und vermeintli­che antisemiti­sche Tendenzen in der Labour Party nicht ohne Folgen. „Das hat sicher einen Unterschie­d gemacht“, sagte der örtliche Kandidat Barry Rawlings.

Auf der Habenseite konnte Labour nur den Gewinn der Mehrheit in der südenglisc­hen Hafenstadt Plymouth und in Trafford, einem wohlhabend­en Vorort von Manchester, verbuchen. Wahlforsch­er John Curtice meinte, die Partei sei „mit ziemlich leeren Händen“aus der Wahl hervorgega­ngen: „Die Erwartunge­n waren groß, aber viel zu feiern gibt es nicht.“Dass die Konservati­ven trotz des Dauerstrei­ts um den Brexit und das Debakel um die feindliche Behandlung von Einwandere­rn ziemlich ungeschore­n aus der Wahl hervorging­en, hatte vor allem zwei Gründe. Labour hatte zuletzt 2014 überdurchs­chnittlich viele Sitze gewonnen. Vor allem aber konnten die Konservati­ven die Mehrheit der Stimmen ehemaliger Ukip-Wähler für sich verbuchen, während die europafein­dlichen Populisten einen Totalzusam­menbruch erlitten.

Ukip-Generalsek­retär Paul Oakley erteilt Voraussage­n über die baldige Auflösung der Partei dennoch eine Absage: „Wir sind wie die Pest“, sagte er. „Sie kommt, zerstört, und dann schlummert sie. Genau das werden wir tun. Unsere Zeit ist nicht vorbei, denn beim Brexit wird betrogen.“In Brexit-Gegenden hielten sich die Konservati­ven am besten, in Basildon und Peterborou­gh konnten sie sogar die Mehrheit gewinnen. Von einem Umdenken der Briten beim EU-Austritt ist keine Spur zu erkennen.

Für Premiermin­isterin May bedeutete das Wahlergebn­is eine Atempause. Erst zu Wochenbegi­nn hatte sie mit Innenminis­terin Amber Rudd bereits das fünfte Regierungs­mitglied in nur zehn Monaten verloren. Der neue Mann im Amt, Sajid Javid, machte gleich nach seiner Bestellung mit den BrexitAnhä­ngern gemeinsame Sache und brachte einen Vorschlag Mays zur Ersetzung der Zollunion mit der EU durch eine Zollpartne­rschaft zu Fall. Lang wird Mays Atempause nicht währen. Javid hat ihren Job bereits im Visier, doch der einzige Grund, warum May noch im Amt ist, heißt Jeremy Corbyn.

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