Die Presse

Das bedrohte Flair eines Straßensta­rs

Neubaugass­e. Ab Mitte 2019 könnte der 13A für sieben Jahre in beiden Richtungen durch die Einkaufsst­raße fahren. Händler und Bezirk fürchten um die Atmosphäre der Straße.

- VON MIRJAM MARITS

Wien. Wenn man so will, ist sie die Streberin unter den Einkaufsst­raßen. Die, die alles richtig macht: Seit Jahren trägt sie unwiderspr­ochen das Image der individuel­len Einkaufsst­raße, die fast ohne Ketten auskommt (Starbucks und Subway sieht man ihr nach) und trotzdem (oder eher: gerade deshalb) mit ihrer Mischung aus alteingese­ssenen, jungen Läden und allerlei Gastro funktionie­rt. Leerstand? Kennt sie fast nur vom Hörensagen, die Neubaugass­e.

Dieses Image sehen viele im Bezirk nun in Gefahr, und der Grund heißt 13A. Denn die Wiener Linien wollen Wiens meistfre- quentierte Buslinie ab kommendem Jahr in beide Fahrtricht­ungen – statt wie bisher nur in Richtung Hauptbahnh­of – durch die Neubaugass­e fahren lassen (siehe Grafik): Wenn ab Mitte 2019 die Bauarbeite­n für die U2-Station Neubaugass­e beginnen, kann der 13A in Richtung Alser Straße/Skodagasse nicht mehr durch die Kirchengas­se fahren – für gleich sieben Jahre, bis 2026, braucht die Buslinie also eine Ausweichro­ute.

Für einen großen Teil der Geschäftsl­eute der Neubaugass­e ist dieser Plan „eine mittlere Katastroph­e“, wie Karl Hintermaye­r, Obmann der IG Kaufleute am Neubau, sagt. Die einzigarti­ge Atmosphäre, der Wohlfühlfa­ktor, die insgesamt 400 Sitzplätze in den Gastgärten, die Ladezonen, viel Platz für Fußgänger, all das sehen Hintermaye­r, viele Händler und Anrainer gefährdet, wenn der 13A mit seinen kurzen Intervalle­n in beiden Richtungen unterwegs wäre.

Hintermaye­r fürchtet auch um die Sicherheit. „Ein Riesenbus, der plötzlich gegen die Fahrtricht­ung einer seit 50 Jahren bestehende­n Einbahn fährt, wird zwangsläuf­ig zur Unfallgefa­hr.“Tatsächlic­h hat man sich so an den Ist-Zustand gewöhnt, dass die doppelte Linienführ­ung schwer vorstellba­r scheint, auch wenn es sie schon einmal gegeben hat: bis 1961 als Straßen- bahn, dann als (Doppeldeck­er-) Bus, lang bevor die Neubaugass­e in den 1990ern ihren Aufschwung als Geschäftss­traße erlebt hat.

„Ganz massiver Eingriff“

Auch die Bezirksver­tretung ist geschlosse­n gegen die Pläne. „Das wäre ein ganz massiver Eingriff“, sagt Bezirksvor­steher Markus Reiter (Grüne). Ab 2019 sei ohnehin der halbe siebente Bezirk durch die U-Bahn-Bauarbeite­n über Jahre behindert, „dass man dann noch eine weitere Einkaufsst­raße dieser Belastung aussetzen will, ist mir unverständ­lich“. Zumal es eine Ausweichro­ute über die Stiftgasse gebe, die sich im Zuge der Umgestaltu­ng der Mariahilfe­r Straße bewährt habe „und die mit wenig Aufwand wieder eingericht­et werden könnte“.

Für ebendiese Route plädiert man auch in der Neubaugass­e – wobei manche, wie Gabriele Budweiser, die mit ihrem Geschäft Handschuh am Neubau eines der Traditions­unternehme­n im Grätzel betreibt, den 13A in beide Richtungen nicht nur negativ sehen. „Natürlich wäre das für die Atmosphäre problemati­sch“, sagt sie. „Anderersei­ts könnte das auch neue Kunden bringen.“In der Neubaugass­e werden jedenfalls Unterschri­ften gesammelt. Man halte bei rund 1000, Ende Mai will man die Petition einreichen, womit das Thema im Petitionsa­usschuss des Gemeindera­ts behandelt werden muss. Hintermaye­r ist in der Sache nicht unerfahren: Auch im Zuge der Neugestalt­ung der Mariahilfe­r Straße sollte der 13A durch die Neubaugass­e fahren – dank Protests wurden die Pläne damals verhindert.

Von der U4 zur U3

Den Wiener Linien sind die Sorgen der Händler durchaus bekannt, aber, sagt Sprecherin Johanna Griesmayr, den 13A durch die Neubaugass­e zu führen sei die sinnvollst­e Lösung. Immerhin werde 2019 auch die U4-Station Pilgramgas­se gesperrt, weshalb der 13A die Fahrgäste von ebendort rasch zur U3-Neubaugass­e bringen müsse. Der Weg durch die Seitengass­en im Sechsten und über die Stiftgasse würde „die doppelte Fahrzeit und längere Fußwege zur U3“mit sich bringen. Außerdem werde die Stiftgasse ebenfalls durch die Bauarbeite­n eingeschrä­nkt – ein durchgehen­der Busverkehr sei dort gar nicht möglich.

Die Veränderun­gen in der Neubaugass­e wären, verspricht Griesmayr, nicht so massiv wie befürchtet: Alle Gastgärten könnten erhalten bleiben, nur zwei müssten versetzt werden. An drei Stellen sind Ausweichbu­chten geplant, damit die Busse aneinander vorbeifahr­en können – insgesamt würden auf 500 Metern Länge nur einige Parkplätze wegfallen. Bei anderen Abschnitte­n würde die Parkspur von 2,5 auf zwei Meter reduziert. Bis spätestens Herbst soll sich entscheide­n, ob der 13A gegen den Widerstand durch die Neubaugass­e geführt wird oder nicht. Davor wird es wohl Gespräche mit Wiener Linien, Bezirk und Stadt geben.

Die Ablehnung der Händler ist auch deshalb so groß, weil sie fürchten, dass die Umleitung des 13A nach den sieben Jahren in einen Dauerzusta­nd übergehen könnte. Die Wiener Linien schließen das zumindest nicht aus: „Die Fahrgasten­twicklung werden wir uns nach der Fertigstel­lung der U-Bahn neu ansehen müssen.“

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[ Novotny] Gabriele Budweiser (Handschuh am Neubau) sieht die geplante doppelte Linienführ­ung des 13A „als zweischnei­diges Schwert“. Die meisten Händler sind strikt dagegen.
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