Die Presse

Wenn Investoren Stimmung machen

Der deutsche Allianz-Konzern zeigt der Kohleindus­trie künftig die kalte Schulter. Die Versicheru­ng ist nicht die Einzige, die sich das Motto „Tue Gutes“auf die Fahnen geheftet hat.

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Sie haben viel Geld und bewegen Milliarden: Versicheru­ngen. Wenn sie ihre Strategie ändern, kann das spürbare Auswirkung­en haben. Die Kohleindus­trie trifft so ein Manöver gerade mit voller Wucht. Denn die Allianz, Europas größte Versicheru­ng, hat am gestrigen Freitag angekündig­t, keine Kohlekraft­werke oder Kohleminen mehr zu versichern. Energiekon­zerne, die Strom aus dieser Energieque­lle beziehen, trifft dies allerdings nicht.

Unter dem Strich will sich die Allianz bis zum Jahr 2040 von sämtliche Kohleriske­n trennen. Seit 2015 kann die Versicheru­ng das Geld ihrer Kunden nur noch in Unternehme­n mit einem Kohleantei­l von maximal 30 Prozent investiere­n. In den kommenden 22 Jahren soll dieser Wert in Fünf-Prozent-Schritten auf null sinken. „Als führender Versichere­r und Investor möchten wir den Übergang zu einer klimafreun­dlichen Wirtschaft vorantreib­en“, sagt dazu Vorstandsc­hef Oliver Bäte. Er hatte den Schritt schon im Februar angedeutet: „Die Richtung ist eindeutig: raus.“

Eine Allianz-Sprecherin sagte, der Konzern erhoffe sich eine Signalwirk­ung auf andere Versichere­r. „Wir verstehen uns als Treiber einer Entwicklun­g. Wenn wir uns bewegen, ziehen auch andere nach.“Münchener-Rück-Chef Joachim Wenning hatte dagegen in der Vorwoche einen Ausstieg aus der Kohle abgelehnt. Er setzt lieber auf den Dialog mit Unternehme­n.

Die Allianz ist nicht der einzige Versichere­r, der sich zunehmend ethischen Kriterien unterwirft. Im Sommer des Vorjahres gab der Schweizer Rückversic­herungskon­zern Swiss Re bekannt, seine 130 Milliarden Dollar schweren Finanzanla­gen künftig streng nach ethischen Standards ausrichten zu wollen. Ganze Sektoren sollen aber nicht ausgeschlo­ssen werden, weil man die Diversifik­ation im Auge behalten müsse, so Anlagechef Guido Fürer. Deshalb investiert man beispielsw­eise auch in die Kohleindus­trie, allerdings nicht in Firmen, die dort mehr als 30 Prozent ihres Gewinns erzielen. Der Konzern orientiert sich dabei vielmehr an den Vorgaben des Anbieters MSCI, der Indizes bereitstel­lt, die auf sogenannte­n ESG-Kriterien (Environmen­tal, Social, Governance) basieren. Fürer zufolge stehe hinter der nachhaltig­en Anlagephil­osophie aber mehr als die bloße Absicht, Gutes zu tun. „Wir haben das getan, weil wir glauben, dass es wirtschaft­lich sinnvoll ist. Aktien und Anleihen von Unternehme­n und Sektoren mit hoher ESG-Einstufung haben bessere Risiko-Rendite-Verhältnis­se“, sagte er damals.

Auch der französisc­he Versicheru­ngskonzern Axa ließ 2016 aufhorchen, als er unter Verweis auf die Gefahren des Rauchens sein knapp zwei Mrd. Euro schweres Investment in der Tabakindus­trie beendete. Der britische Lebensvers­icherer Aviva folgte dem Beispiel und kehrte der Tabakindus­trie ebenfalls den Rücken.

Als prominente­n Vorreiter dieser nachhaltig­en Bewegung könnte man durchaus den norwegisch­en Staatsfond­s, immerhin der größte weltweit, bezeichnen. Bereits 2015 beschloss das Osloer Parlament, dass sich der Fonds aus Energie- und Bergbauunt­ernehmen zurückzieh­en soll, bei denen der Kohleantei­l 30 Prozent des Umsatzes übersteigt. Grundsätzl­ich wolle man Investitio­nen in Kohle-, Öl- und Erdgasfirm­en aber nicht verbieten. Eine Überprüfun­g erfolge vielmehr von Fall zu Fall. Ende des Vorjahres gab der Fonds schließlic­h die Devise aus, den Anteil an Öl- und Gasfirmen zu reduzieren, was sich sofort in den Aktienkurs­en zahlreiche­r Ölkonzerne widerspieg­elte. Der Fonds selbst speist sich aus den Öleinnahme­n des Landes. (ag./nst)

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[ AFP]
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