Iran hat sich in eine Sackgasse manövriert
Gastkommentar. Destabilisierung des Landes kann die ganze Region aus dem Gleichgewicht bringen und den Weltfrieden ernsthaft gefährden.
Die Ereignisse im und um den Iran haben sich zuletzt zugespitzt. Sowohl innen- wie auch außenpolitisch scheint derzeit die Islamische Republik Iran in eine Sackgasse geraten zu sein.
Die seit Dezember 2017 andauernden Proteste der Bevölkerung gegen die Wirtschaftsmisere im Land, vor allem die hohe Jugendarbeitslosigkeit sowie wachsende Einkommensungleichheit; die landesweiten Arbeiterstreiks; die steigende Abwertung der iranischen Währung (Rial) gegenüber dem US-Dollar; die Verteuerung der Lebensmittel und die Wasserknappheit in den größeren Städten wie Isfahan, die unlängst zu massiven Protesten geführt haben: Dies alles sind eindeutige Anzeichen dafür, dass das gegenwärtige Regime im Iran vor einer ernsthaften Zerreißprobe steht und kaum in der Lage ist, die notwendigen Lösungen vorzunehmen.
Hinzu kommt der Umstand, dass durch weitverbreite Korruption und Machtmissbrauch das Regime in den Augen vieler seiner Anhänger die religiöse und gesellschaftspolitische Legitimität verloren hat und somit kein Ansehen mehr in der Bevölkerung genießt.
Seit 37 Jahren isoliert
Das von Präsident Hassan Rohani eingeleitete und im Jahr 2015 zum Erfolg geführte Atomabkommen mit den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland hat für das Land bis heute keine konkreten wirtschaftlichen und politischen Ergebnisse gebracht. Die iranische Bevölkerung erhoffte sich von diesem Abkommen eine Verbesserung ihrer gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse und vor allem politische Veränderungen.
Viele Menschen hofften, dass das Atomabkommen die einmalige Chance für den Iran bedeuten würde, aus der 37-jährigen Isolation in die internationale Gemein- schaft zurückzukehren und den Wiederanschluss des Landes an die Weltwirtschaft zu ermöglichen. Zum anderen sahen viele Menschen die Möglichkeit, dass sich der Iran mit dem Abkommen mit den USA aussöhnen und sich so Irans Position in der Region verbessern würde. Alle diese Hoffnungen erwiesen sich als große Enttäuschung, zumal US-Präsident Donald Trump damit droht, am 12. Mai die ausgesetzten Sanktionen gegen den Iran wieder in Gang zu setzen.
Außenpolitisch steht die Islamische Republik Iran seit ihrem fast 40-jährigen Bestehen in einer noch nie da gewesenen Bedrängnis. Eine sichtbare Front bestehend aus Saudiarabien, Israel und den USA hat sich gebildet, um nicht nur den militärischen Aktivitäten der Islamischen Republik in Syrien, dem Libanon und dem Jemen Einhalt zu gebieten, sondern das Mullah-Regime langfristig zu Fall zu bringen. Die Reise des neuen US-Außenministers
Mike Pompeo nach Saudiarabien, Israel und Jordanien sowie die Treffen des israelischen Verteidigungsministers, Avigdor Lieberman, mit Pentagon-Chef James Mattis, mit dem nationalen Sicherheitsberater im Weißen Haus, John Bolton, sowie mit den Senatsmitgliedern in Washington, die Ende April stattfanden, hatten Irans Rolle in der Region als Hauptthema.
Die jüngsten Todesopfer unter Revolutionsgardisten, die aufgrund der Bombenangriffe israelischer Kampfjets gegen Stellungen der Pasdaran in Syrien zu beklagen waren, lassen den Schluss zu, dass die Israelis nicht nur eine Festsetzung Irans in Syrien auf lange Sicht militärisch verhindern wollen. Sie sind gleichzeitig auch ein Signal Israels an die Hisbollah im Libanon, dass die iranischen militärischen Aktivitäten in der Region auf Dauer keine Erfolge zeitigen werden. Die Zeichen im Nahen Osten stehen auf Sturm. Khameneis Personalrochaden
In westlichen Medien dominiert das Bild, dass der Iran mit seinem Raketenprogramm die Sicherheit in der Region gefährde und mit seinen Militärstützpunkten in Syrien sowie mithilfe der Hisbollah im Libanon und der Hamas im Gazastreifen den Staat Israel bedrohe. Erst Anfang dieser Woche behauptete der israelische Ministerpräsident, Benjamin Netanjahu, bei einem groß inszenierten Auftritt in Tel Aviv neuerlich, dass die Islamische Republik weiter an einer Atombombe baue und somit gegen die Bestimmungen des Atomabkommens von 2015 verstoße. Das alles lässt vermuten, dass eine militärische Eskalation in der Region schon in absehbarer Zeit bevorstehen könnte.
Die von Revolutionsführer Ayatollah Khamenei vor Kurzem initiierte Umbesetzung von Schlüsselpositionen innerhalb der Revolutionsgarde (Sepah Pasdaran) kann zweierlei bedeuten: Zum einen wird durch einen Coup beziehungsweise durch die mögliche Übernahme der Staatsgeschäf- te durch Revolutionsgardisten versucht, die Regierung von Präsident Rohani zu stürzen. Dadurch könnten die moderaten Kräfte als die Verursacher der Wirtschaftsmisere im Land angeprangert und gleichzeitig den Hardlinern der Rücken gestärkt werden: Der Weg wäre frei für eine radikalere Staatsführung des Iran. Freie Hand für Pasdaran?
Zum anderen sollen bei einer militärischen Eskalation im Nahen Osten die Revolutionsgardisten freie Hand bekommen, um die politischen Ziele der Islamischen Republik in der Region zu erreichen.
Die Militarisierung des Islamischen Staats kann verheerende Folgen für das Land bedeuten. Die Verhärtung der politischen Kräfte im Inland und somit die Polarisierung der iranischen Gesellschaft kann jene Voraussetzungen schaffen, die – wie im Fall von Syrien – zur gewaltsamen Desintegration des Staats führen könnten.
Ein Szenario wie in Syrien könnte sich unter Umständen im Iran wiederholen und die Integrität und Souveränität des Landes ins Wanken bringen. Geschichtlich betrachtet, wäre ein geteilter und geschwächter Iran im Sinne der konkurrierenden Regionalmächte und insbesondere Israels.
Eine Destabilisierung des Iran kann jedoch den Status quo der Region aus dem Gleichgewicht bringen und den Weltfrieden ernsthaft gefährden. Unter den iranischen Intellektuellen und politischen Eliten herrscht deshalb wachsender Konsensus darüber, dass die Umsetzung von radikalen Reformen innerhalb des Systems die einzige Lösung für die anstehenden Probleme des Landes sein kann, um aus der gegenwärtigen politischen Sackgasse wieder herauszukommen. Der Wunsch der Iraner
Ein friedlicher Übergang von einer theokratischen und undemokratischen Politik zur Einführung eines echten Parlamentarismus unter Einhaltung der international anerkannten Menschenrechtsnormen und demokratischen Prinzipien ist der essenzielle Wunsch aller Iraner. Einen blutigen regime change wie in Syrien oder Libyen darf es im Iran nicht geben.
Die Frage ist nur, mit welchen Mitteln man den Iran demokratisieren kann, ohne die Integrität und Souveränität des Landes in Gefahr zu bringen. Fest steht derzeit nur: Der Iran befindet sich an einem Scheideweg und ist sowohl innen- wie auch außenpolitisch mit seiner bisherigen Politik am Ende.