Die Grabungen stehen vor dem Neubeginn
Nach eineinhalb Jahren Zwangspause kehren österreichische Forscher nach Ephesos zurück. Die Grabungen sollen spätestens Mai Ende weitergehen, sagt Sabine Ladstätter, Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts.
Die Presse: Sie mussten im September 2016 Ihre Arbeit in Ephesos auf Anordnung des türkischen Außenministeriums einstellen, Grund waren diplomatische Spannungen zwischen Wien und Ankara. Am kommenden Montag geht es weiter – erleichtert oder angespannt, was Sie vor Ort erwartet? Sabine Ladstätter: In erster Linie bin ich schon erleichtert und natürlich absolut motiviert, die liegen gebliebenen Arbeiten weiterzuführen.
Apropos liegen geblieben: Was ist denn auf der Strecke geblieben, das schon hätte stattfinden sollen? Ein großes Problem ist, dass wir unsere größte Grabung im byzantinischen Stadtviertel gerade nicht abschließen konnten – uns haben etwa zwei bis drei Wochen gefehlt, aber das waren ganz wichtige Wochen: Da wollten wir Brunnen in einem Haus ausgraben. In Brunnen ist meistens – und in Ephesos immer – sehr viel organisches Material enthalten, also Holz oder Getreidereste. Das findet man normalerweise auf Grabungen nicht, weil es verrottet ist, aber im Feuchten hält es sich. Und daraus erwarten wir uns viele Erkenntnisse zur Hauswirtschaft, zum Leben in diesem Viertel. Ohne diese Erkenntnisse könnten wir unsere Arbeiten nicht seriös abschließen.
Sie mussten Ihre Arbeiten sehr plötzlich beenden. Wie gehen Sie den Neubeginn nun praktisch an, was ist zu tun? Es ist das erste Mal seit 20 Monaten, dass ich Ephesos wiedersehe. Der Anfang ist wirklich ganz praktisch: Eine Instandsetzung des Hauses – Grabungshaus und Depot sind ja zwei Jahre lang nicht gewartet worden. Die Aufgaben reichen vom Fensterstreichen bis zum Reparieren von Schäden. In Ephesos draußen wartet eine pragmatische Arbeit: Wir werden die Restaurierungen durchgehen, schauen, wie sich die Dinge erhalten haben, ob neue Schäden auf- getreten sind und wo. Die eigentliche archäologische Arbeit wird dann erst Mitte, Ende Mai beginnen.
Gab es schon öfter ähnliche Unterbrechungen in der mehr als 120-jährigen Geschichte der Ausgrabungsstätte? Es gab die zwei großen Unterbrechungen während der Weltkriege. Dann gab es 1909 eine Unterbrechung, weil die Türkei Funde zurückgefordert hat. Die Österreicher haben sie dann letztendlich zurückgegeben – diese sind heute im Museum in Istanbul zu sehen. Und 1974 gab es eine Unterbrechung aufgrund des Zypernkon- (49) ist Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften. Sie leitet die 1895 begonnenen Ausgrabungen in Ephesos, die die Türkei 2016 stoppte . flikts. Die Unterbrechungen der Grabung Ephesos sind also immer seit deren Gründung auf politische Ursachen zurückzuführen.
Ihre Forschung war eineinhalb Jahre lang Spielball einer Symbolpolitik. Mit welchem Gefühl reisen Sie nun in die Türkei? Die Schließung war für uns alle im Ephesos-Team traumatisch, weil uns mit einem Schlag gezeigt wurde, wie sehr wir am Gängelband der Politik hängen. Auf der anderen Seite hat die Wiedereröffnung jetzt auch gezeigt, dass dieses Schlagwort, dass Wissenschaft eben Brücken baut, und dass diese auch existieren, wenn sie in anderen Bereichen schon zerstört sind, tatsächlich stimmt. Das für mich Beeindruckendste war die Solidarität der Kollegen in der Türkei. Damit habe ich in diesem Ausmaß nicht gerechnet.
Es gab ja auch Sperren für andere Grabungen, die ebenfalls wieder aufgehoben wurden . . . Genau. Sämtliche österreichische Wissenschaftler können wieder in der Türkei arbeiten. Wie viele werden das fürs Erste in Ephesos sein? Wir werden ganz klein beginnen. Unser Team wird am Anfang nicht mehr als 15 Personen umfassen, im Sommer werden es dann mehr sein, wenn die Grabungen tatsächlich wieder laufen: so um die 30 bis 40 Leute.
Wo wird der inhaltliche Fokus liegen? Mein zentrales Forschungsgebiet sind die letzten Jahrhunderte bzw. Jahrzehnte der Stadt von Ephesos, also de facto das Sterben der Stadt und die Transformation von einem lebenden Organismus hin zu einem Forschungsobjekt, das interessiert mich intellektuell am allermeisten: also wie die Bevölkerung in Ephesos während des Mittelalters und der frühen Neuzeit, also der byzantinischen und der frühosmanischen Zeit, wie man in der Türkei sagen würde, immer weniger wird.
Was passiert in dieser Zeit? Hier wird der Ort verlassen, aufgegeben, und gleichzeitig entsteht aber in Europa bereits ein Bild von Ephesos: ein zuerst im Mittelalter ganz stark christlich geprägtes und ab der Renaissance sehr stark antik geprägtes und auf das Heiligtum der ephesischen Artemis konzentriertes. Das sind die beiden Motive, aus denen man sich im 19. Jahrhundert wieder mit dem Ort zu beschäftigen beginnt, der komplett abgesiedelt ist. Archäologen kommen hin, beginnen mit Grabungen und erwecken diesen praktisch zu neuem Leben. Dieser Übergang reizt mich sehr, damit würde ich mich auch gern in den nächsten Jahren befassen.
Wie haben Sie die Zeit während des Grabungsstopps genutzt? Mit Auswertungen bereits bestehenden Materials? Ich habe einerseits sehr viel publiziert. Das war für mich gut, Zeit zu haben zu schreiben. Ich habe andererseits natürlich auch versucht, das Österreichische Archäologische Institut breit aufzustellen, das als Chance zu sehen für andere Forschungsprojekte. Wir haben sowohl in Österreich als auch im Balkanraum sehr Interessantes begonnen. Und letztlich war es auch meine Aufgabe, diese ganz große Krise vor allem für die Nachwuchsforscher so zu entschärfen, dass keine Karrieren auf der Strecke bleiben.
Also sehr viele Managementaufgaben . . . . . . genau, es war ein Zwischending aus Management von Spitzenforschung und psychologischer Betreuung.
Sie haben kürzlich bei einer Diskussion zur Verantwortung in der Wissenschaft über Ihre Disziplin, die Archäologie, gesagt: „Macht man etwas nicht richtig, ist es für die Ewigkeit zerstört.“Haben Sie Ihre türkischen Kollegen vor Ort informiert, wie es aussieht? Ich bin in permanentem Kontakt. Es wurde ja in Ephesos einstweilen überhaupt nicht gearbeitet: Es fanden keine Grabungen und Restaurierungen statt, sondern nur Ruinenpflege. Insofern mache ich mir keine zu großen Sorgen.