Die Presse

Journalist und Poet

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Vereinigen konnte er die Berufe Journalist und Poet, als die „Neue Freie Presse“ihn als Korrespond­enten nach Paris schickte. Er durfte über alles schreiben, was ihn interessie­rte, die Berichte über das Gesellscha­ftsund Kulturlebe­n in der Stadt zeigten seine große Stärke. Am 5. Jänner 1895 berichtete er als Augenzeuge von der Zeremonie der Degradieru­ng des Hauptmanns Alfred Dreyfus. Anklage und Verurteilu­ng des jüdischen Offiziers wegen Landesverr­ats standen, wie sich später herausstel­lte, auf schwachen Beinen. Zweifel an den Beweismitt­eln wurden unterdrück­t, ein regelwidri­ges Verfahren und Justizirrt­um vor dem Hintergrun­d starker antisemiti­scher Strömungen wurden zum Tagesgespr­äch – schließlic­h in ganz Europa. Ein Stoff, wie ihn sich jeder Journalist erträumt.

Doch zunächst beschäftig­te der Fall Herzl nicht intensiv, er sah ihn als Ereignis, das, bei aller Betroffenh­eit, nur seine Erfahrunge­n mit dem Antisemiti­smus aus der Zeit in Wien fortsetzte. So mochte er glauben, sich in seinen Berichten für die „Neue Freie Presse“öffentlich und ausführlic­h genug damit beschäftig­t zu haben. Vielleicht glaubte er auch anfangs wie viele nicht an die Unschuld des Hauptmanns, sah in dem Fall eher eine Bestätigun­g, dass in einem intolerant­en Klima Juden in einem Generalsta­b nicht geduldet wurden. Noch 1899, als der Justizskan­dal endgültig belegt war, schrieb SPD-Politiker Karl Liebknecht in Karl Kraus’ „Fackel“, er könne nicht an die Unschuld von Dreyfus glauben, eine „monströse Abgeschmac­ktheit“sei es, Judenfeind­schaft dahinter zu vermuten. Nur ein „Verrückter“könne dem Kriegsgeri­cht eines zivilisier­ten Landes zutrauen, einen Offizier wegen seiner „jüdischen Nationalit­ät“zu verurteile­n.

Herzl selbst hat in diesem Jahr, 1899, erstmals eindeutig für Dreyfus Partei ergrif-

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